Freie Tiroler Kulturszene Unser Land. Abbildung 3: Im Zentrum des Theaterstücks „Maske und das Buch“ standen Menschen mit Behinderun Es ging dabei um die Lust, sich nicht anzupassen. Inhalt Inhalt ab Seite Vorworte 2 Freie Kulturszenerien 5 Kulturarbeit(en) – Interdisziplinär und Diskursiv 19 Über das Wie und Warum von Kulturinitiativen 31 Exemplarische „Netz- und Innovationsprojekte“ in Nordtirol 45 Freie Kulturszenen in Südtirol 57 Vom Austausch zur Zukunft – Praxis, Projekte, Beispiele 75 Zu den Autorinnen und Autoren 144 Kontaktadressen 146 1 1 Vorwort Kulturinitiativen – Motor kultureller Entwicklungen Die alternative Kulturszene ist Ausdruck eines veränderten Kultur- und Lebensverständnisses der Menschen. Die in diesem Umfeld arbeitenden Kulturinitiativen greifen im Sinne eines offenen Kulturbegriffes gesellschaftlich relevante Themen auf und übersetzen diese in künstlerische und kulturelle Ausdrucksformen. Mit der Themenstellung ihrer Projekte und der Forderung nach Demokratisierung, Transparenz und Selbstverwaltung gehen von den freien Kulturinitiativen aber auch wichtige kulturpolitische Anregungen aus. Mit ihrer Arbeit stellen sie jene Fragen, auf die es in der Kulturpolitik ankommt, will man diese auch als Gesellschaftspolitik verstehen. Darin Foto: Land Tirol/Fotowerk Aichner steckt ein großes Innovationspotential und es entsteht ein zu den etablierten Einrichtungen komplementäres, in der heutigen Kunst- und Kulturszene nicht mehr wegzudenkendes kulturelles Tätigkeitsfeld. Aber auch für die Sicherstellung der kulturellen Daseinsvorsorge in den Gemeinden leistet die freie Kulturszene wertvolle Aufgaben. Ohne freie, soziokulturelle Projekte wäre die kulturelle Vielfalt in Tirol nicht möglich und könnte nicht die für unsere Gesellschaft so wichtige breite kulturelle Bewusstseinsbildung stattfinden. Gerade in den Gemeinden des Landes verdient die Arbeit der freien Kulturszene daher besondere Unterstützung. Es freut mich daher, Ihnen gemeinsam mit Südtirol dieses Sonderheft der Kulturberichte des Landes präsentieren zu können. Für die Kulturinitiativen selbst bedeutet dies eine Anerkennung ihrer wertvollen Arbeit und für die kulturinteressierte Öffentlichkeit die Möglichkeit, sich ein Bild von der Buntheit und Vielfalt der freien Kulturszene in Tirol zu machen. Landesrat Dr. Erwin Koler 2 Vorwort Vorwort Südtirol besitzt eine reiche und vielfältige Kulturszene. Ihren kreativen Motor findet sie einerseits in den institutionalisierten Kultureinrichtungen des Landes, wie etwa der Stiftung Stadttheater, dem Museum für moderne und zeitgenössische Kunst „Museion“ oder dem Südtiroler Kulturinstitut, um nur einige zu nennen. Andererseits besitzt Südtirol auch eine lebendige Szene junger, kreativer und uninstitutionalisierter Kulturinitiativen, die sich in jenen Nischen entfalten, die von den amtlichen Kulturorganisationen nicht ausgefüllt werden (können). In dieser unkonventionellen und interdisziplinären Kulturszene steckt ein großes kreatives Potential; die Kulturpolitik darf daher diese Initiativen nicht Foto: Arno Pertl aus den Augen verlieren und muss ihnen die nötige Aufmerksamkeit und ein gutes Maß an Vorschussvertrauen entgegenbringen, damit sie sich entfalten können. Mein Anliegen als für deutsche Kultur zuständige Landesrätin ist es daher, die entsprechenden günstigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit dieser Kreativpool der Kulturinitiativen wachsen und gedeihen kann – denn von diesen Initiativen gehen wichtige Impulse für die gesamte Kulturszene unseres Landes aus. Ich begrüße es, dass das vorliegende Kulturberichte-Sonderheft neben den Tiroler Kulturinitiativen auch eine Bestandsaufnahme junger Kulturprojekte in Südtirol enthält. Für die Kulturschaffenden ist dies nicht nur ein Zeichen der Wertschätzung ihrer Arbeit, sondern ihre Initiativen erhalten dadurch einen größeren Bekanntheitsgrad auch über unsere Landesgrenzen hinaus. Dr. Sabina Kasslatter Mur Landesrätin für Familie, Denkmalpflege und deutsche Kultur 3 Impressum: Eigentümer, Herausgeber, Verleger: © Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung Kultur Vorstand: HR Dr. Thomas Juen, Sillgasse 8, 6020 Innsbruck Email: [email protected] Südtiroler Landesregierung Dr. Armin Gatterer, Leiter der Abteilung Deutsche Kultur und Familie, Andreas-Hofer-Straße 18, 39100 Bozen Redaktionelle Gesamtleitung: Dr. Petra Streng Druck- und Gesamtherstellung: Hernegger Offsetdruck GmbH., Stadlweg 13, 6020 Innsbruck Die mit Namen gekennzeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Freie Kulturszenerien Zu Erfolg, Charme und Sinn der Freien Kunst- und Kultur-Szenen „Das Tollste ist ja immer schwer zu definieren, und meist findet es sowieso am Rand der als toll betitelten Ereignisse statt – so wie das Verlieben.“ („3-Fragen“-Antwort, anonym) 1 Erfolg Das ist natürlich immer die Frage: Was das sei, Erfolg, woran sich das misst, wonach es bemessen wird, von wo aus es vermessen wird, und wer die Maßeinheiten vorgibt, nach denen das zu geschehen hat; was das sei, das Gelungene, das Geglückte einer Sache, eines Tages, eines Projektes, einer Debatte, eines Werkes, Blickes, Weges, Tons – gar eines ganzen Lebens(teiles) … Und was dann Misserfolg sei, das Gescheiterte, Verlorene, Misslungene, Verfehlte, In-den-Sand-Gesetzte, das Missglückte in all diesen Dingen … Zumal in der Kunst: Weil in welcher Rechenart sollte der bei- und auch nur nahegekommen werden … Aber so tiefgehenden Tiefgang brauchen wir uns hier gar nicht zu leisten – denn: Selbst nach so zweifelhaften wie trotzdem allgemein gängigen „Marktkriterien“, die in grundsätzlicher Rechen-Schieflage dauernd noch druckvoller auch dem Kunst- und Kulturbereich aufgezwungen werden, haben sich die Freien Kunst- und Kulturszenen Tirols zu beeindruckenden Faktoren entwickelt: Allein in Innsbruck – eruiert von der „baettlegroup for art“, für das Land Tirol insgesamt liegen so genaue Zahlen leider nicht vor – verzeichnet man in diesem Bereich über 429.000 Eintritte jährlich, mehr als 2.300 Veranstaltungen finden pro Jahr statt, quasi 6,4 am Tag. Da fragt man sich schon, wie da von sowohl „zuständiger“ wie auch von allgemeinöffentlicher Seite weiterhin so getan wird und getan werden kann, als handle es sich dabei um „Nischen“ und „Nischenprodukte“, welche die gängige „Hochkultur“ bloß nicht anbieten und die von den Autonomen Kunst- und Kulturszenen bloß ergänzend abgedeckt würden. Denn die „Erfolgsbilanzen“ vieler Projekte, welche unter hochprekären (Arbeits-/Raum-/Finanz-) Bedingungen und immer erst gegen den Widerstand der regional Mächtigen sowie unter weitgehender Ignoranz seitens der beiden Monopol-Medien des Landes etabliert werden mussten und müssen, sich jedoch mittlerweile Reputation weit über Tirol hinaus erarbeitet haben, könnten so manch anderen, im Gegensatz zur „Kleinkultur“ medial verwöhnten und gehypten Sektor schon eher blass werden lassen … Wir sprechen hier also nicht mehr von kulturellen Minderheiten- und Randgruppen-Programmen, wir sprechen hier, in seiner Gesamtheit und umfassend – im Bezug auf die künstlerische Qualität, auf die organisatorische Professionalität, auf die gesellschaftspolitische Aktualität, die zeitgenössische Relevanz, auf die internationale Vernetzung, die technische Kompetenz usw. – von auf Anspruch, Austausch und Innovation ausgerichteten Zentren des Tiroler Kulturgeschehens. Das Nischengerede ist ein Nischenmärchen in echt … Nischenmärchen – Vielfaltsdemut – Weltgestaltung Prolog Nischenmärchen – Vielfaltsdemut – Weltgestaltung 7 Nischenmärchen – Vielfaltsdemut – Weltgestaltung 8 2 Charme Um atmosphärisch ein wenig hineinzufinden in diese Einleitungstextsache – weil eine Kleinigkeit ist das ja grad nicht, hier ein stimmiges „Vorwort“ zu schreiben für die Fülle an Vielfalt, Themen, Ansätzen, Anregungen, Fakten, Geschichten, Tonfällen usw., die den Inhalt dieser Publikation bilden –, hab ich mir gesagt, schickst du vorerst einmal einen kleinen Versuchsballon ins Netz, an ein paar etliche Leute, die du kennst, nähere und fernere Bekannte, und stellst drei einfache Fragen: 1. Was war die allererste kulturelle bzw. künstlerische Veranstaltung, die ihr im Leben besucht habt? 2. Was war die tollste kulturelle bzw. künstlerische Veranstaltung, die ihr je besucht habt? 3. Was war die schlechteste bzw. enttäuschendste Veranstaltung, die ihr je im Leben besucht habt? Und der Rücklauf war, nicht nur von der Anzahl her, bemerkenswert, was auch auf eine gewisse diesbezügliche Antwort-Lust hindeutet, vielleicht auch weil sich dabei in den eigenen (Kindheits-/Jugend)Erinnerungen schwelgen ließ – denn die ich gefragt hab, sind von der altersmäßigen Zusammensetzung her eher „mittel-alterlich“, also so zwischen 30 und 55, einem Alter also, wo man Jugenderinnerungen hat, weil sie vorbei ist ... Das erste Mal: gespickt mit Aufregungen, überfrachtet mit Erwartungen, aber bleibend eindrücklich, nachhaltig – manchmal auch im Sinne einer Enttäuschung, einer Eindruckslosigkeit. Wenn das halt zu klären ist: Was genau war das erste Mal? Weil das berührt ja wiederum Bereiche diffusen Lichts: Wo hört die Kultur auf und fängt die Kunst an? Was war bewusst rezipiert, was wie nebenbei eingesogen? Was bekam man vorgesetzt und nahm es, was suchte man sich (aus) und nahm man mit? Mein – informeller – Fragebogen sagt: Die ersten passiven kulturellen Kontakte hierzulande sind in der Regel nach wie vor: Blasmusik(-Platzkonzerte), Prozessionen, Kirchtage, Zeltfeste, Tirolerabende oder ähnliche heimische Lustbarkeiten dieser Kragenweite („eigentlich war schon die Darbietung des Inzingerliedes zur Eröffnung der Rodel-WM 1976, bei der ich im Volksschulalter mitwirken durfte, die kulturelle Prägung schlechthin“). Außerdem: Märchenaufführungen, Krippenspiele, Kinderfilme – und, wichtig: Kasperltheater! Das kommt bei fast allen prominent vor – ein, von mir zumindest, völlig unterschätztes Kultureinstiegsgenre. Ebenfalls von zentraler Bedeutung für jene, die ihre Kindheit und Jugend zwar mit den Anfängen des Fernsehens, aber noch ohne Internet verbrachten: Kino. Gerade auch am Land. Eine/n meiner Antworter/innen hat es dabei quasi gleich voll erwischt: „Mein erster Kinobesuch in unserem Kaff, der erste richtige Spielfilm, nach ,Hase und Igel’ etc. – und das war, ich weiß es noch wie heute: ,Der Bastard’ mit Klaus Kinsky.“ Die sanftere Variante: „Winnetou, im damals noch existierenden Fortuna-Kino in Zirl, mit meiner älteren, tollen Schwester, die ein Ntschotschi-Kostüm hatte – Neid!“ Oder: „Sissy-Filme in der alten Haller Filmbühne“. Oder: „der Märchenstummfilm ,Schneeweißchen und Rosenrot’ im alten Schulhaus am Gerlosberg“. Oder: „Herby, der tolle Käfer“ im „Kino von Ötz im Saal vom Posthotel Kassl“. Auch Kinder-Theater, Kinder-Oper (öfter: „Zauberflöte“), Kinder-Ballett werden genannt. Bei den ersten aktiv getroffenen Veranstaltungsentscheidungen kommt es gehäuft zu den von manchen auch als solche bezeichneten „Jugendsünden“: Ambros-Konzerte, Fendrich-Konzerte, Reinhard-Mey-Konzerte, Wecker-Konzerte – aber z. B. auch die „Gruppe ,Peacefrog’ in der Disco Biene in Nassereith“ oder „das Konzert einer italienischen Folk-Gruppe im ÖGB-Heim Kufstein“ oder „die erste Friedensdemo in Innsbruck und das anschließende Konzert in der Messehalle“ sind unter den „Debüts“. Durchsetzt mit Versuchen in „klassischer Nischenmärchen – Vielfaltsdemut – Weltgestaltung Hochkultur“, vor allem Theater und Musik, welche ihre Eindrücke des öfteren mehr wegen der pompösen Repräsentativ-Räume hinterließen, die ihnen zur Verfügung standen und stehen, als wegen der Sache an sich, hier finden auch große Enttäuschungen statt aufgrund der aufgeputschten Erwartungshaltungen, die dann nur teilweise eingelöst werden von der Kunst selbst. Während man sich vom kleineren Rahmen auch eher überraschen lässt – das Nicht-gefasst-(gewesen-)Sein auf etwas löst langanhaltende Nachschwingungen frei: „Wer immer diese Arbeit sehen wollte, der musste sieben Schwellen überschreiten. Geld brauchte man keines. Man musste sich verirren, schwindelfrei sein, durfte keine Angst vor Dunkelheit haben, man durfte sich auch nicht scheuen, in ein Haus zu treten, das keine Aufschrift hatte wie Kunst. Und alles ohne auch nur einem Menschen zu begegnen … Ich glaube nicht, dass ich in meinem Leben noch so ein überzeugendes Kunsterlebnis haben werde.“ Oder: „Ungefähr fünf Stunden Theater auf massiven Holzbänken ohne Rückenlehne, aber bis heute dem Rückgrat so zeitlos eingeschrieben wie die Aufführung: grandios.“ Oder: „Eine ,Kirchenshow’ in der Jesuitenkirche in Innsbruck … Es gab Schattenspiele und lauter wahnsinniges Zeug zur Musik von Werner Pirchners ,Halbes Doppelalbum’. Ich war sehr beeindruckt. Sowas wäre heute gar nicht möglich – zu blasphemisch, zu politisch, kritisch – beinahe ketzerisch.“ Bleibende Spuren dürften, weil sie mehrmals angeführt werden in meinem kleinen Frage-Antwort-Bogen, auch das KOMM, das Utopia, die Bergisel-Konzer-te oder auch die ersten exklusiven Innsbrucker Frauenveranstaltungen hinterlassen haben: „Rotkäppchen, b.i.g., effie biest, fc.art und wie sie alle geheißen haben und noch heißen, weil die Bühne und der Inhalt so nahe waren und sind, dass mir wie sonst nie die Luft wegblieb, der Magen flatterte, die Augen feucht und das Herz groß wurden, dass ich das Gefühl habe, wie in Shakespeares Zeiten direkt auf der Bühne zu sitzen.“ Der Bogen der tollsten Veranstaltungen spannt sich insgesamt weit, auch im geografischen Wortsinn: vom „Moloko-Konzert in Wiesen“ oder dem „MusikFestival in Glastonbury“, von einem „Chavela-Vargas-Konzert in Teneriffa“ oder einem „Drag-King-Night-Mitmach-Theater in New York“ über „Les Reines Prochaines im Utopiakeller“ oder „das Ein-Personen-Stück ,Bericht an eine Akademie’“, die „Theatergruppe Pandora mit Heiner-Müller-Texten im SiebenKapellen-Areal“ oder das „Attwenger-Konzert letztes Jahr im Treibhaus“ bis zu Lesungen von Ruth Klüger (im Parnass) oder Herta Müller oder überhaupt „Sprachsalz“ oder dem „neuen ,Fetthennen’-Programm im Bierstindl“ und vielem mehr – das, ohne viel System, nur beispielhaft herausgegriffen ... Vielfaltsdemut kommt da auf bei mir, tiefer Respekt vor all den Kunst-/ Kultur-Leuten unterschiedlichster Prägung und Ausprägung, vor und hinter den Bühnen, die solches im Laufe der Jahre unter beträchtlichem Einsatz und oft verbunden mit erheblichen Risiken ausgeheckt, organisiert, umgesetzt, (uns) ermöglicht haben … Im Bezug auf die „schlechteste Veranstaltung“ hat eine/r der Antworter/ innen gemeint: „Mieseste? Mir fällt nix ein, weil ich immer, wenn jemand etwas von sich selbst hergibt, Achtung vor ihm habe.“ Und das ist wahr. Auf der anderen Seite: „... ich kann’s auch nicht haben, wenn [SchauspielerInnen] mit verquerer Stimme irgendeinen tausendsten Rilke von sich geben und dazu alle auch noch ergebenst applaudieren.“ Oder: „Schlechte Veranstaltungen verbreiten sich wie Seuchen im Land ... im Großen und Ganzen sind die breitproklamierten Sommerfestivals unterm Hund. ... Nein. Ich bitte darum, das Sommerszenario den subversiven Künsten zu überlassen, ganz nach Raymond Carver: Würdest du jetzt bitte endlich still sein, bitte. (Und die anderen laut sein lassen.)“ Kritik kommt vor allem für jene „Events“, wo aufgrund der politischen „Rückendeckung“ die Relation zwischen ausgegebenem Geld und künstlerischem 9 Nischenmärchen – Vielfaltsdemut – Weltgestaltung 1 2 10 Ergebnis aus allen Fugen gerät, explizit genannt z.B.: „die letzte Tiroler Landesausstellung“ oder „die Veranstaltungen zu 60 Jahre Kriegsende und 50 Jahre Staatsvertrag 2005“; explizit befürchtet: „Hofer-Jahr und Bergiselmuseum“. Und drei Beispiele aus den Antworten auf die 3er-Frage nach dem schrecklichsten Kunst-/Kultur-Zuschau-Erlebnis seien hier einfach noch kommentarlos genannt: „eine Veranstaltung in den 80er Jahren … mit jiddischen Liedern aus Ghetto und Widerstand, als das Publikum völlig ungerührt und kalt in Steireranzügen die Lieder absaß“; „eine Eurhythmie-Veranstaltung mit Goethe-Texten von und mit einer anthroposophischen KünstlerInnengruppe“; und: „Kino mit meiner Oma, wo jetzt das Z6 ist, ,Das Wunder von Fatima’, die Oma betet und weint ununterbrochen – so peinlich!“ 3 Sinn Weil im Endeffekt ja nur das: sich in der äußeren Welt auf bezügliche Art – in dem, was man ist, wie man ist oder gern sein möchte, was einer/einem widerfahren ist im Leben, was man ersehnt, wogegen und wofür man sich einsetzen möchte, wovor man zittert, vor Unglaublichkeit, vor Glück, vor Angst, usw. – abgebildet, gespiegelt, rezipiert, hinterfragt, mitunter unterhalten zu finden, löst vieldeutige Gefühle von Beheimatetsein aus, im Grunde unabhängig von Orten und vordefinierten Zugehörigkeiten. Weil nur wer etwas Inwendiges von sich in den Äußerungen seiner/ihrer Umgebungen wiederfindet, wird etwas verbinden mit dem Ort, an dem er oder sie sich – warum auch immer – in diesem Moment, und deshalb für immer, befindet. Weil wer nichts vorfindet von sich in der Welt(Gestaltung) und dann nicht einmal danach suchen darf, wird sich nicht(s) finden auf Dauer ... Und zwar quer nicht nur durch die – teils nur angeblich so – unterschiedlichen Kulturen, sondern auch die zuweilen genauso unterschiedlichen sozialen Gruppen und Schichten, Macht- und Ohnmachts-Cliquen innerhalb auch nur einer Kultur, die ja nie nur eine ist. barbara hundegger © bahu 2007 Persönliche Erfahrungen mit Kulturinitiativen Erste Begegnung und Auseinandersetzung als Künstler mit dem Thema Kulturinitiativen machte ich 1990 als Mitinitiator des Musik-, Kunst- und Kulturprojekts „Workstation“ in Zusammenarbeit mit Tiroler KünstlerInnen in Innsbruck, während gleichzeitiger Recherchen in Tirol, Südtirol und Süddeutschland für die Publikation „Zwischen Subversion und Subvention - Kulturinitiativen in Österreich“(herausgegeben von Wolfgang Freitag, Martin Pichelhofer und Beate Scholz 1991). Durch diese Recherchen und meine rege Konzert- und Werner Moebius Foto: Archiv des Künstlers Performancetätigkeit in unterschiedlichen Projekten entdeckte ich eine Vielfalt von Kulturinitiativen und lernte die dahinter stehenden KulturarbeiterInnen kennen, sowie die Praxis und Notwendigkeit von Netzwerken und Zusammenschlüssen von Kulturinitiativen und KünstlerInnen. Zu dieser Zeit begann der Konsolidierungsprozess zur Gründung einer österreichweiten Interessensvertretung für autonome Kulturarbeit. In den Bundesländern existierten bereits einige funktionierende Vernetzungen wie z.B. die Kulturplattform Oberösterreich oder die Tiroler Kulturinitiative. Die Bedeutung der autonomen Kulturszene als soziokultureller und gesellschaftlich relevanter Faktor war nicht mehr zu übersehen und auch die Politik erkannte die Notwendigkeit einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Arbeit der Kulturinitiativen und infolge auch für die Arbeitsbedingungen von KünstlerInnen, vor allem auch jener in experimentellen Bereichen der Subkultur. Bei meinen Recherchen fand ich heraus, dass es im Raum Tirol, Südtirol und Süddeutschland zu dieser Zeit an die 100 Kulturinitiativen gab, die aus unterschiedlicher Motivation an verschiedensten Sparten zeitgenössischer Kultur arbeiteten und unabhängige autonome Positionen für ein freies Kunst- und Kulturgeschehen schaffen wollten. Die Palette reichte von Veranstaltungen aller Art ( Konzerte, Performance, bildende Kunst, Kabarett, Theater), über Medienprojekte (Zeitungen, Radio, Internet) bis hin zu Kulturarbeit mit Kindern und Projekten mit MigrantInnen und Behinderten. Es gab aber auch Schattenseiten neben dieser Vielfalt an positiven Entwicklungen seitens der KulturarbeiterInnen, wie z.B. die Ausübung von qualitativer Arbeit zu unbezahlten und oft selbstausbeuterischen Bedingungen, die ständige Angst vor verspäteten Zusagen oder Reduktion von Fördergeldern oder die Abschiebung von politischer Verantwortung und Aufgaben auf die KulturarbeiterInnen selbst und infolge auch auf die Kunstschaffenden. In Innsbruck gab es zu dieser Zeit eine blühende Subkultur. Neben der von KünstlerInnen organisierten Workstation oder KG Pembaur gab es ein korrespondierendes kreatives Netzwerk aus autonomen Initiativen wie das Haus am Haven, Büro Diderot oder Cunst &Co in überregionaler Juxtaposition mit Institutionen wie z.B. dem Kanal in Schwertberg/OÖ, Kapu Linz oder dem Flex in Wien. Zwischen dem Haus am Haven und dem Flex gab es z.B. den sogenannten „Flex Kultur Initiativen – Kreative Labors – Künstler Netzwerke Kultur Initiativen – Kreative Labors – Künstler Netzwerke 11 Kultur Initiativen – Kreative Labors – Künstler Netzwerke 12 Boiler Komplex“, der es damals Underground-Bands ermöglichte über ein unabhängiges Netzwerk Konzerte und Performances in verschiedenen Städten in Österreich und darüber hinaus zu spielen, sowie Publikationen in Form von LP/CD-Compilations oder Reviews in Independent Magazinen wie z.B. dem Flex Digest oder Skug zu veröffentlichen. Im Unterschied zu damals schon etablierten Veranstaltungsbetrieben wie z.B. dem Utopia oder Treibhaus in Innsbruck wurde von oben genannten Institutionen neben der Veranstaltungstätigkeit auch vor allem an einer neuen kulturpolitischen Orientierung und künstlerischen Identität, an einer leicht zugänglichen Infrastruktur für Künstler, an einer Vision von neuen möglichen Formen eines soziokulturellen Zusammenleben- und arbeitens und an einem der Zeit entsprechenden Kunst - und Kulturverständnisses gearbeitet. Orte der Kunst- und Kulturausübung wurden geschaffen im Sinne von „temporären autonomen Zonen“, die der Künstler und Philosoph Hakim Bey definiert als eine Situation, in der herrschende Gesetze und Ordnungen zeitweise lokal außer Kraft treten, Autoritäten ihre Macht verlieren und unvorhersehbare gemeinsame neue Begegnungen und Erfahrungen möglich werden. So können unmittelbar Räume geschaffen werden, in denen eine andere oder zukünftige Gesellschaftsform als Zelle eines selbstorganisierten organischen Systems gedacht oder (voraus)gelebt werden kann. Der Impuls als Künstler eine Kulturinitiative wie die Workstation zu gründen entstand damals aus Mangel an Freiräumen für innovative, experimentelle künstlerische Arbeit, sozio-kulturellen Aktivitäten, der Möglichkeit von Umsetzung von Projekten in einem finanziell tragbaren Environment, sowie einem starken Bedürfnis nach einer Alternative zur bestehenden Mainstream- und Entertainment Kultur und deren scheinbar immanentem Ausschluss einer vielschichtigen, nicht ökonomisch besetzten Kreativitäts- und Kunstausübung. Der inhaltliche Focus der damals bestehenden Kulturinitiativen in Österreich bestand hauptsächlich im Veranstalten, vor allem auch mit Schwerpunkt auf Import von internationalen Angeboten. Was einerseits sehr gut und inspirierend für die regionalen Szenen war, aber auch das Bedürfnis nach einer eigenen Identität und Kunstproduktion im internationalen Kontext verstärkte. Und genau dort fehlten die Möglichkeiten, Orte und Netzwerke. Die Workstation wollte einen selbstorganisierten, autonomen kreativen Ort mit einer gut ausgebauten Infrastruktur schaffen, an dem das Ausprobieren und Produzieren in Laborsituationen unabhängig von finanziellen Ressourcen, Zeitlimit und Produktionsstress möglich war und ein ständiger lebendiger Austausch von Know-How zwischen MusikerInnen und KünstlerInnen stattfinden konnte. Der Wunsch nach Partizipation an einem sich selbst organisierenden funktionierenden Netzwerk, das vor allem auch jungen KünstlerInnen die Realisation ihrer Ideen und Visionen in einem nährenden und geistig offenem diskursiven Umfeld ermöglicht war ein Hauptanliegen. Mit der Gründung der „Workstation“ (juristische Form „Verein zur Schaffung kultureller Infrastruktur“) in Innsbruck wurde eine Koordinationsstelle für KünstlerInnen geschaffen, die gut ausgestattete Arbeits- und Proberäume sowie ein Gemeinschaftsbüro und ein Fahrzeug für Transporte oder als Tourbus sehr günstig und unkompliziert zur Verfügung stellen konnte. Der Kulturverein als offizielle Institution sollte als Interface funktionieren, als Schnittstelle zwischen dem freien Experimentieren im Labor, wo Potentiale ausgelotet werden und Kunstpraxis im diskursivem Dialog mit KollegInnen entsteht und einer nach aussen gerichteten Möglichkeit zur Vermittlung, Verwertung, Finanzierung und Präsentation von Musik und Kunst unter den Bedingungen Kultur Initiativen – Kreative Labors – Künstler Netzwerke der ProduzentInnen und zum wechselseitigen Nutzen aller Beteiligten. Aus meiner heutigen Sicht ist auch die Bedeutung von Kulturinitiativen als „reale Orte“ zu erwähnen. Sie sind wichtige Auftraggeber für Künstler, die vermehrt in mobilen, globalen und medialen Kontexten arbeiten. Nach dem Motto „think global, act local“ (Buckminster Fuller), schaffen sie wichtige Aufführungs- und Kommunikationsorte in urbanen und ruralen Kontexten als bedeutsamen Gegenpol zu einer vermehrt virtuell stattfindenden Medien-, Netzwerk- und Kommunikationskultur. Sie sind Treffpunkte für Künstler, Kulturschaffende und Publikum, die hier Informationen über lokale Aktivitäten und Kunstprojekte finden können und das Zusammentreffen und den Austausch zwischen den Generationen fördern, indem sie den potentiellen Raum für Diskursivität bereitstellen. Werner Moebius 13 Zur Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von gemeinsamen Kulturprojekten 14 Zur Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von gemeinsamen Kulturprojekten Lies Bielowski im Gespräch mit Silvia Albrich Was war für Sie die Motivation, sich mit anderen Künstlern zu vernetzen, das heißt gemeinsame Kulturprojekte zu initiieren und aufzubauen? Ich bin seit 1988 freischaffende Künstlerin, ich habe keine klassische Ausbildung, bin Autodidaktin und habe sehr lange Zeit für mich allein gearbeitet. 1992 habe ich die KG Pembaur gegründet, gemeinsam mit Michael Wolf, Günther Gstein, Andreas Holzknecht und Heidrun Widmoser. Wir haben eine Halle in der Pembaurstraße angemietet und beschlossen, hier gemeinsam zu Lies Bielowski Foto: Silvia Albrich arbeiten. Es ging eigentlich von Michael Wolf aus, den ich bei einem Symposion kennengelernt habe. Da kamen wir drauf, dass wir und auch andere Künstler ein Atelier suchen. Also machten wir uns auf die Suche, bis wir eine große Halle mit Nebenräumen gefunden haben, die auch erschwinglich war. Wir suchten bei Frau Dr. Hörmann um Subventionen an und das Atelier- und Künstlerprojekt wurde vom Land als Künstlergemeinschaft subventioniert. Wir haben gar nicht so sehr versucht, uns inhaltlich zu treffen, sondern es war als Zweckgemeinschaft angelegt. Es wurde kein künstlerisches Konzept drüber gelegt, sondern war einfach dazu da, dass mehrere Künstler zu relativ günstigen Preisen arbeiten können. Das war die Basis, auf der konnte man schauen: Passiert da etwas oder passiert nichts? Es gab keine Erwartungen, Wünsche oder Hoffnungen, es war eine Zweckgemeinschaft und man ging das Ganze ganz unbefangen an. Es ist dann doch einiges an gemeinsamen Auftritten entstanden, wir hatten an ungewöhnlichen Orten Präsentationen mit kleinen Arbeiten, Miniaturen. Oder es gab – initiiert von Andreas und Günther - die kleinste Galerie der Welt: ein Kaugummiautomat, den wir am Landesmuseum installierten. Da konnte man kleine Unikate von uns um 10 Schilling herausdrücken. Es gab aber auch diverse Feste und Präsentationen in der KG Pembaur: Jeder hat in seiner Richtung gearbeitet und wir haben uns gemeinsam präsentiert. Wir hatten in der Öffentlichkeit eine relativ gute Resonanz, obwohl wir uns weder besonders angestrengt haben noch eine besondere Message nach außen bringten wollten. Wir haben auch Postkarten herausgebracht, das war eine unbefangene Zeit, eine Zeit, in der wir alle arme junge Künstler waren, der Großteil der Leute hat nebenher arbeiten müssen, um Geld zu verdienen. Waren Sie nicht schon vorher an einer wichtigen Kulturinitiative beteiligt? – dem „Utopia“? Ja, bevor ich in der KG Pembaur war, gab es ein anderes Projekt, das Anfang, bzw. Mitte der achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden ist: Das war die Traumwerkstatt, die dann später auch Utopia geheißen hat, weil das Lokal Utopia hieß. Aber als wir anfingen, war unser Arbeitstitel „Traumwerkstatt“. Initiator war Klaus Bucher, der mittlerweile verstorben ist. Er hat das Utopia dann auch lang als Lokal geführt. Mit dabei waren Gerhard Höckner und ich, Sie sind also weniger eine „Einzelkämpferin“, sondern arbeiten gerne mit anderen? Prinzipiell denke ich mir, dass es für mich als Künstlerin sehr wichtig ist, mich zu vernetzen. Ich mache das gern, ich habe auch in der Künstlerschaft vor drei oder vier Jahren eine Ausstellung kuratiert zum Thema „Reisende Frauen“. Ich habe einfach Frauen, die ich gekannt habe, dazu eingeladen. Denn mir ist wichtig, dass man sich auch gegenseitig so kennt, kennenlernt und sich Feedback gibt, sich austauscht über Möglichkeiten zu präsentieren, dass man keine Angst hat etwas zu verlieren, wenn man etwas teilt, sondern im Gegenteil, meine Erfahrung ist, dass man gewinnt. Ich bin eigentlich jemand, der gern immer wieder Leute hinzuzieht und ihnen Berührungsangst nimmt. Natürlich hab ich auch eine Hemmschwelle, aber die ist niedriger. Ich bin gern eigenständiger Teil eines Gesamten, ich mache im Moment sehr viel Angewandtes – Kunst am Bau – weil das so mein Theama ist. Das war es auch mit den Kostümen im Kellertheater, dass ich mich gerne in einem Kontext sehe. Das ist ein Teil meiner Arbeit, dass ich sie in einen gewissen Kontext setze und der andere Teil, den es genauso braucht, ist, dass ich so aus meiner – sagen wir - Intimsphäre heraus arbeite. Ich mag diesen Wechsel gerne, das Eine kann ohne das Andere nicht sein. Wie wichtig sind Kulturinitiativen für KünsterInnen? Ich bin einfach der Meinung, dass für mich – und hier wehre ich mich ein bissel gegen dieses alte Künstlerklischee, wo jemand nächtelang nicht schläft, sich verschwendet, arm ist - dass man einfach versucht, sich zu vernetzen, zu verbinden, auch gegenseitig zu unterstützen. Es ist immr so, dass jemand etwas besser kann in einer Gruppe, man muss nicht immer alles selber machen. Ich mag auch nicht alles selber machen, ich wehre mich auch, etwas zu bewerten. Es ist alles relativ, denn etwas, was mir leicht fällt, kann Zur Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von gemeinsamen Kulturprojekten auch Hermine Span war in der Gründerphase mit dabei. Hermine und ich haben die erste große Modenschau in Innsbruck im Utopia gemacht. Das war sehr aufregend, weil das Utopia dazumal eine ehemalige Stahlbaufirma war. Wir brauchten lange, es umzubauen und zu adaptieren. Wir haben damals, da war Alfred Dallinger Sozialminister, ein sehr umfassendes „WerkstättenKulturprojekt“ ausgearbeitet. Es war angedacht, verschiedene Werkstätten zu etablieren, was ja auch passierte: Eine Töpferwerkstatt, der Buchladen Parnass, die Siebdruckwerkstatt, die immer noch dort ist „Kunst & Co“, und ich habe damals Mode gemacht. Hermine Span ist dann relativ bald in die Garage (beim Treibhaus) abgesiedelt. Geplant wäre auch noch eine Tischlerei gewesen – Gerhard Höckner ist Tischler - , aber da haben wir die Anlagengenehmigung nicht gekriegt. Es hat dann doch einige Zeit in dieser Form funktioniert, es kamen immer wieder neue Leute dazu, andere Leute gingen weg… Die Gruppe war relativ lang konstant, ehe einige begannen, sich abzusplitten. Das Ganze hat sich damit dann eben verändert. Ich bin auch ausgesiedelt und habe dann in einem kleinen Haus in Innsbruck ein Atelier gehabt. Ich habe zwei Jahre (1988 – 1990) für das Kellertheater Kostüme gemacht, hab zuhause produziert, aber bald gemerkt, dass dieses Künstlerinnendasein in der Isolation nicht das ist, was mir Spaß macht. Da kam dann die erwähnte Begegnung mit Michael Wolf auf dem Symposion und es ist die KG Pembaurstraße entstanden. Ich habe es sehr genossen, dass da eine große Offenheit war, jeder konnte schauen was der andere macht, oder auch nicht. 15 Zur Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von gemeinsamen Kulturprojekten 16 dem Anderen wieder schwer fallen und umgekehrt, also kann man das gar nicht bewerten. Ich gehe davon aus, dass man einen gewissen Spaßfaktor an dem hat, woran man arbeitet, und der entsteht für mich schon auch durch Austausch, durch andere Menschen. Das Andere, die Selbstzweifel hat man sowieso, da kommt man ohnehin nicht drumherum: Wenn man für sich allein für eine Ausstellung arbeitet, dass man sich immer wieder fragt, wieso man das überhaupt tut. Dem kommt man eh nicht aus, diesen Schaffenskrisen, aber es kann sich vieles relativieren, indem man sich einfach so immer wieder einmal einen Blick von jemand anderem zugute kommen lässt. Es verschärfen sich auch Dinge, wenn man kommuniziert, denn indem man mit jemandem spricht, wird manches klarer, manches löst sich auf, manches verstärkt sich. Es ergibt sich oft ein neuer Blickwinkel, man kann wieder neu drauf schauen. Was ich auch wichtig finde ist, dass man nicht so in einer Gruppe aufgeht – ich mag gerne solche Gruppen, in denen jeder als Individuum noch bestehen bleibt. Ich würde mich weniger begeistern oder überhaupt nicht wohlfühlen, wenn es eine Gruppenarbeit im herkömmlichen Sinne wäre. Ich würde nicht gerne diesen Druck haben, dass man sich nach außen hin als harmonisches Ganzes präsentieren muss. Denn das Spannende ist ja auch das, dass es verschiedene Positionen gibt und man sozusagen in jedem Fall dadurch profitiert – auch wenn das zur Folge hat, dass man eine Gruppe wieder einmal verlassen muss. Aber letztendlich kann man im Austausch schneller auf etwas drauf kommen und dieser Austausch darf durchaus kritisch sein. So etwas kann in Lebensentwürfen sehr gut laufen, in denen Menschen Lust drauf haben, an einem Platz zu leben und zu arbeiten. Man schaut, sammelt Eindrücke, Reflexionen und es ist auch so eine Art Fluss. Denn Kunst ist für mich nicht im Atelier sein und Dinge produzieren, für viele Leut ist das sehr stimmig und sie sind froh, wenn sie ihre Ruhe haben. Aber für mich persönlich ist es das nicht. Ich mag gern den Wechsel, die Möglichkeit, mich zurückzuziehen, aber auch Situationen, die eine gewisse Offenheit haben. Tendentiell könnte das auch wieder zu so einer Gemeinschaft hingehen. Hat diese Form des Zusammenlebens und -arbeitens nicht auch eine praktische Komponente? Der praktische Sinn? Ja, wenn das Praktische stimmt! Wenn jemand aber in so einem Kontext nicht arbeiten kann, nützt das Ganze auch nichts. Abschließend kann ich sagen, dass diese ganzen Stationen, die ich da gemacht habe - vom Utopia über KG Pembaur und zuletzt war das die Feldstrasse – das war für mich alles sehr prägend und hat mir schon gut getan. Diese ganzen Begegnungen, die da einfach möglich waren, würde ich nicht missen wollen. Die KG Pembaur gibt es immer noch, dort natürlich nicht mehr, aber die Kontakte gibt es immer noch, die Leute sind in Berlin, Wien, in Spanien - in allen Richtungen. Aber zwischen Einzelnen gibt es zum Teil noch eine große Freundschaft, manches hat sich ein wenig auseinander entfernt, aber das ist etwas, wo ich das Gefühl habe, da kann man immer wieder anknüpfen, und das ist gut. Gibt es eine frauenspezifische Art, Austausch zu erleben, zu reflektieren? Arbeiten Sie gerne mit Frauen? Ja, das denke ich schon, dass es noch einmal eine frauenspezifische Geschichte ist, denn in der Kunst ist es nach wie vor die Männerwelt, die stark vertreten ist. Das ist mir schon immer ein Anliegen, wobei ich mich da Man exponiert sich ja sehr mit seiner Kunst. Wird man im Laufe der Jahre sicherer? Sicher ist man nie, aber das ist nicht so ein Thema. Ich denke mir, es ist ein Statement, das man abgibt, das kann jemanden treffen oder nicht treffen, das hat mit der Qualität nichts zu tun. Denn in dem Moment, wo ich sicher bin, dass ich mich ernsthaft damit auseinandergesetzt habe, gehe ich davon aus, dass es Qualität hat, weil es im Rahmen meines künstlerischen Optimums ist. - Mehr habe ich nicht zu bieten, das ist das, was ich zu bieten habe, das kann man gut oder schlecht finden - wenn es auf Resonanz stösst, dann ist es gut, und wenn nicht, ist es auch gut. Haben Sie Kontakt zu NachwuchskünstlerInnen? Ich hab eigentlich sehr wenig Kontakt zum Nachwuchs. Ich habe auch das Gefühl, dass der Nachwuchs nicht in Innsbruck ist, sondern meist in Wien, Berlin, Graz oder sonstwo studiert und dort bleibt. Denn in Innsbruck ist es einfach sehr, sehr schwer, Fuß zu fassen. Es ist nicht zu klein, sondern der Schwerpunkt, der von der Stadtpolitik gelegt wird, der schnürt einem letztendlich den Hals zu. Umso wichtiger wäre es doch, dass man sich in irgendeiner Weise zusammen schließt? Ich glaube, dass Innsbruck nicht wirklich reizvoll ist für junge Künstler, weil in den Galerien werden großteils internationale Künstler ausgestellt und es gibt nicht viele Anreize – die Andechsgalerie ist die einzige. Das gleiche haben wir ja auch in der Architektur. Da muss immer die Hadid her, dabei ist die Architektenszene in Tirol einfach keine schlechte und die Künstlerszene in Tirol ist ebenso keine schlechte. Es wird halt sehr sehr stark – wie das überall ist – über (klingende) Namen agiert. Aber da will ich mich nicht daran aufhängen, ich will an dem nicht verbittern - das ist das gleiche wie mit dem Frauenthema. Ich bin jemand, der nicht so gerne herumstochert, wo die Mißstände sind, sondern jemand, der etwas macht, wovon ich glaube, dass es gut ist. Das seh‘ ich stark bei mir. Es gibt Menschen, die agieren hauptsächlich auf der Ebene, dass sie Mißstände aufzeigen, aber auf dieser Ebene mag ich überhaupt nicht sein. Ich sage mir, ich mache Sachen, die ich gut finde, von denen ich überzeugt bin und ich denke mir, je mehr man Sachen macht, die gut sind, desto weniger hat das Platz, was nicht so gut ist. Wobei ich mich seit längerer Zeit in einer Situation befinde, wo ich sehr für mich bin.. Sie meinen Ihr jetziges Atelier am Innrain 54 a? Ja, ich würde sagen, das ist eine kleine Kapsel, in der ich im Moment bin. Das ist einfach entstanden durch eine große (persönliche) Veränderung in meinem Leben: In der ich sozusagen eine Situation verlassen habe, in der wohnen, arbeiten, leben, soziales Engagement - alles an einem Platz war. Das war ein sehr öffentliches Leben mit Atelier, mit Räumen für andere Menschen, Zur Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von gemeinsamen Kulturprojekten nicht irgendwie (überlegt: ) – Ich würde mich da gar nicht als Kämpferin bezeichnen, sondern als jemand, für den das einfach eine gewisse Selbstverständlichkeit hat, für mich ist es einfach ein Thema, mit Frauen zu arbeiten und gemeinsam zu präsentieren, weil es mich interessiert. - Aber nicht manisch interessiert, ich stelle auch gerne mit Männern aus, aber das ist für mich schon noch etwas ganz Eigenes. 17 Zur Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von gemeinsamen Kulturprojekten 18 in denen auch noch andere Menschen gewohnt haben und solche Konzepte finde ich sehr spannend. Jetzt hat es sich so eben so ergeben, dass das nicht mehr möglich ist und ich bin jemand, der dann eher extrem ist. Ich habe einfach beschlossen, jetzt bin ich in meiner – ja ich würde es als Kapsel bezeichnen, im positiven Sinn, jetzt bin ich in meinem Rückzugsrefugium und schau mir einfach an, was da passiert. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass ich da wieder hinausgeh‘. Meine Idee ist schon, sich einfach zu vernetzen, mein Ding ist eher diese Verbindung von Alltag und Arbeit – ich mag nicht gerne am Abend nach Hause gehen und dann einfach wohnen. Ich kann meine Arbeit und das wie ich sie sehe, nicht davon trennen wie ich Kunst mache. Für mich ist es ein Teil meines Seins, dass ich mit Leuten zusammen Mittag esse, mit denen gemeinsam koche, bzw. Menschen auf eine ganz selbstverständliche Art und Weise begegnen kann, wo man sich nicht erst verabreden muss, sondern einfach über den Weg läuft. Silvia Albrich Lies Bielowski geb. 1958 in Hall i.T. 1976 – 1982 Pädagogik- und Psychologiestudium 1984 – 1988 Mit- und Aufbauarbeit des Kultur- und Werkstättenprojektes „Utopia“ gemeinsam mit Gerhard Höckner; Schwerpunkt: Einrichtung und Betreibung einer Mode- und Textilwerkstatt. seit 1988 freischaffende Künstlerin 1988-1990 Kostümbildnerin am Innsbrucker Kellertheater und Kostüme für freie Theatergruppen in Vorarlberg und Wien 1992 Gründung der Künstlergemeinschaft Pembaur, ein vom Land Tirol gefördertes Atelier- und Künstlerprojekt gemeinsam mit Michael Wolf, Günther Gstrein, Andreas Holzknecht, Heidrun Widmoser u.a. 1994-1995 Lehrtätigkeit für Textiles Werken am Bundesrealgymnasium Sillgasse, Innsbruck seit 1995 Lehrbeauftragte an der Kunstuniversität Linz, Meisterklasse Textil 1996 Diplom am Institut für Erziehungswissenschaften der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck 2000 und 2001 Forschungsreisen und Workshops in Kirghisien 2001 Gastprofessur an der Meisterklasse Textil, Kunstuniversität Linz seit 2001 Gastlehrbeauftragte an der Modeschule Hetzendorf, Wien während der letzten 7 Jahre Abhaltung zahlreicher Workshops (z.b.: art didacta Innsbruck, Sommerakademie Hetzendorf, Textile Kultur Haslach, Kunstforum Montafon, Schulbesuche im Rahmen des Kulturserviceprogramms des Landesschulrats sowie im eigenen Atelier) seit 1988 kontinuierliche Ausstellungstätigkeit im In- und Ausland lebt und arbeitet häuptsächlich in Innsbruck Kulturarbeit(en) – Interdisziplinär und Diskursiv Rezepte eines erweiterten Aktionsradius für regionale Kulturinitiativen Soziokultur Seit den 1970er Jahren haben sich regionale Kulturarbeit und autonome Kulturinitiativen ihren Weg in die politische Öffentlichkeit gebahnt: In kulturpolitischen Diskussionen tauchte immer öfter der Begriff der Soziokultur auf, der den Begriff von Kultur zu erweitern wusste. „Kultur“ beschränkt sich seitdem nicht mehr auf Bereiche der Hochkultur, sondern wird vielmehr als Menschenrecht oder wie wir hier es nennen wollen als Lebensmittel begriffen. Regionalismus muss sich dabei nicht auf Brauchtumspflege und Folklore beschränken, sondern bietet der Bevölkerung eben jene zeitgenössischen Entwicklungen auch am Land und schafft für diese auch Möglichkeiten der Gestaltung des eigenen (kulturellen) Lebensraumes. Wie es in der Esskultur Fast- und Slowfood gibt, so finden sich im soziokulturellen Feld zeitgenössische Entwicklungen genauso wieder, wie Rückschauen in vergangene Praxen kommunalen Kulturlebens. Kultur = Lebensmittel Kultur = Lebensmittel Verteilungsgerechtigkeit Die Erweiterung des kulturellen Feldes erfordert die genaue Analyse von Verteilungsschlüssel zwischen Bundeshauptstadt und den Regionen, denn nicht nur wollen ProtagonistInnen des Kulturlebens einen Teil vom Kuchen, nein, der Kuchen selbst hat sich schon verändert. Darauf muss regionale Kulturförderung reagieren, bevor der Zug Richtung größere Städte abfährt. Während mancherorts nur zwei Kategorien förderbarer Kulturinitiativen vorhanden zu sein scheinen: tourismusfördernde und/oder brauchtumspflegende Kultur, so braucht es für eine stetige Weiterentwicklung die Berücksichtigung zeitgenössischer und partizipatorischer Ansätze, die es verstehen anders im Feld der Vermittlung zu agieren. Dort werden die Rampen für die Zugänglichkeit von Kultur gelegt, nicht die stuck-beladenen Theaterhäuser der Bundeshauptstadt können diesen niederschwelligen Zugang legen, sondern Kunst und Kultur, die in den Orten passiert und entsteht. Dazu braucht es aber auch die Selbstverständlichkeit der Förderung dieser, auf kommunaler, wie auch auf Bundesebene. Derzeit sind zwei Entwicklungen zu beachten, die leider immer wieder gegeneinander ausgespielt werden, kurz gesagt wären das Content vs. Struktur. Die kulturellen Zentren Seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden aufgrund einer anwachsenden Unzufriedenheit mit den Möglichkeiten kulturellen Lebens am Land mehr und mehr Kulturinitiativen gegründet, die sich meist darum bemühten einen Raum für ihre Zwecke zu adaptieren und selbstorganisiert VeranstalterInnen zu werden. Diese kulturellen Zentren sind in ihrer Programmierung und ihren Organisationsformen sicherlich von großen Unterschieden geprägt, verbindend ist jedoch die Idee und das Streben 21 Kultur = Lebensmittel kleinerer Gruppen das Kulturangebot der Region mitzuprägen, eigene Vorstellungen zu verwirklichen und auch kritische Diskussionen zu ermöglichen. Die Möglichkeiten dieser Räume gestalten sich je nach Ausstattung verschiedentlich, jedoch haben sie die Chance lebendige, initiative, regionale wie überregionale Facetten des Kunst- und Kulturlebens an ein Publikum zu bringen. Durch „Lokalität“ der Räume ergibt sich die Möglichkeit auf spezifische Fragestellungen zu reagieren und eine Plattform zu bieten. Die NomadInnen War es bis vor kurzer Zeit Strategie von aktiven KulturarbeiterInnen Räume zu erobern, zu gründen und zu gestalten, um eben jene Bedürfnisse nach alternativen Orten und Angeboten zu stillen, entwickelten sich in den letzten Jahren Zusammenhänge, die nicht darauf abzielten eigene Räume oder Häuser zu gründen. Vielmehr finden sich immer öfter Zusammenschlüsse, die zeitlich befristete Projekte organisieren und sich dann wieder in neue Kooperationen bewegen. Dieses Phänomen im sozio-kulturellen Feld hat einen nicht unbedeutsamen Vorteil, da diese Zusammenschlüsse oftmals sich nur zu spezifischen Themen und künstlerischen Arbeiten organisieren. Sie können schnell auf aktuelle Brennpunkte reagieren und ermöglichen es minorisierten Gruppen in das Diskurs- und Kunstfeld zu intervenieren. Ein nicht unbedeutender Aspekt für junge oder neue KulturarbeiterInnen ist jedoch auch die Undurchlässigkeit manch gewachsener Struktur, die sich zum Teil mehr und mehr kommerziell orientieren. Daher stellt sich die Frage welche Schnittstellenfunktionen können bzw. müssen diese beiden AkteurInnen im Feld der sozio-kulturellen Arbeit erfüllen. Bietet die eine Stelle neben Räumlichkeiten, auch Know-how und Netzwerke, versteht es die andere aus gerade entstehenden oder bisweilen vernachlässigte Bereichen zu schöpfen. Die Förderung kultureller Kompetenz, Experimentierfreudigkeit und das Re-Agieren auf gesellschaftliche, politische und künstlerische Fragen stellen dabei einige der wichtigsten Aspekte der beiden „Player“ dar. Hier kann die Wichtigkeit von regionaler Kulturarbeit für die Entwicklung gesellschaftlicher, demokratischer Foren nicht genug betont werden. Ein Beispiel ist die Geschichte migrantischer Kulturvereine: Diese boten der ersten Gastarbeitergeneration die Möglichkeit sich selbst zu organisieren und Räume für (kulturellen) Austausch, meist noch für die eigene Sprachgruppe, zu ermöglichen. Für zweite und dritte Generationen stellen sich jedoch andere Fragen nach Partizipation und Gestaltungsmöglichkeit im eigenen Lebensumfeld. Hier sind alte, wie neue Initiativen angehalten, die eigenen Strukturen zu öffnen und die Wichtigkeit für sich selbst zu erkennen. Dazu braucht es aber die (finanzielle) Unterstützung der Kommunen und der Landeskulturabteilung, die gezielt politische, antirassistische Kulturarbeit als zu fördernden Teilaspekt erkennen. Verhält es sich in der Kulturarbeit von MigrantInnen ja nicht anders, wie in der übrigen Kulturarbeit: Für beide ist wichtig, nicht nur Brauchtum, Tradition und Tourismusveranstaltungen zu fördern, sondern vielmehr die Möglichkeiten und Offenheit zu produzieren, die eine zeitgenössische, aktuelle Kulturarbeit befördern. Was nun? 22 Sollte ich eine Empfehlung abgeben für nächste Schwerpunktsetzungen in der Kulturpolitik, dann kann diese nur folgendermaßen lauten: Anerkennung des potentiellen, wie schon vorhandenen Aktionsradius von Kulturinitiativen erscheint dann letztendlich wie ein Bekenntnis zum Salz in der Suppe. Und das sollte ja leicht von den Lippen gehen. Kultur = Lebensmittel + KulturarbeiterInnen leisten wichtige Basisarbeit und diese muss gefördert werden; + eine Abkehr vom entweder-oder-Prinzip in der Förderpolitik: kontinuierliche Kulturarbeit braucht Strukturen, Räume, etc aber auch Unterstützung in der Entwicklung von Inhalten, Projekten, Produkten, ... + Zugang zu Ressourcen und Know-how für alle Bevölkerungsgruppen bewusst stärken und ausbauen, + und die Chancen der Vermittlungstätigkeit und Diskursbildung in und durch Kulturinitiativen nicht vorbeiziehen lassen. Marty Huber 23 „Freie Medien“ – was ist das eigentlich? „Freie Medien“ – was ist das eigentlich? „Frei“, das sind in Österreich doch alle Medien! Stimmt: Es gibt in Österreich keine offiziellen Zensurbehörden, keine direkt von Regierung oder Staat inhaltlich kontrollierten Zeitungen oder Rundfunkanstalten, keine ob ihrer publizistischen Tätigkeit verfolgten JournalistInnen. Die Presse ist „frei“, der private Rundfunk ist „frei“, und der öffentlich-rechtliche weitgehend (von moltophonen u.ä. Interventionen abgesehen) auch. Was ist also der Unterschied zu dem, was innerhalb einer „freien“ Medien- und Kulturszene als „bürgerliche“ oder „Mainstream“-Medien bezeichnet wird? Und warum muss es überhaupt „alternative“ Medien geben, wenn eh’ alle „frei“ sind? Freie Medien entstanden und entstehen aus der Überzeugung, dass das, was aus zunehmend nach Markt- und immer schon nach politisch also wirtschaftlich begründeten Machtmechanismen funktionierenden Medien zu erfahren ist, nicht ausreicht, um eine demokratische Öffentlichkeit ausreichend zu informieren. Sie funktionieren aus dem Bewusstsein heraus, dass über die im Mainstream veröffentlichte Meinung hinaus Meinungen existieren, die zu artikulieren und zur Diskussion zu stellen unabdingbar ist, um die Öffentlichkeit als das zu erhalten, was sie nach demokratischen Maßstäben sein muss: pluralistisch, vielfältig, vielstimmig und immer mehr auch: vielsprachig. Und sie entstanden und entstehen aus der Überzeugung, dass sich innerhalb der Mainstream-Medien Strukturen etabliert haben, die nicht in der Lage sind, die sich verändernde Gesellschaft angemessen abzubilden – und also die Öffentlichkeit angemessen zu informieren. Diese Medien seien, so Robert Zöchling, lange Jahre Vorsitzender des Verbandes alternativer Zeitschriften, vor allem daran zu kritisieren, was sie „nicht enthalten“: „Was sie nicht enthalten, weil zu schwierig, zu kritisch oder sonst wie nicht markttauglich, drucken und senden wir in alternativen Medien – das ist ihre gesellschaftliche und kulturelle Aufgabe, daran erkennt man sie und darin bewähren sie sich.“ In diesem Sinn sind „freie“ oder „alternative“ Medien also Medienalternativen zum Mainstream. Sie unterscheiden sich davon sowohl strukturell als auch inhaltlich wesentlich: Freie Medien sind gemeinnützige, selbstverwaltete Organisationen und von kommerziellen Verwertungsinteressen unabhängig. In der Regel werden sie von Kollektiven oder Vereinen betrieben, deren publizistische Tätigkeit nicht auf Gewinn ausgerichtet ist – sondern in den allermeisten Fällen auf dem unentgeltlichen Engagement von RedakteurInnen und Produzierenden beruht. 24 Diese Produzierenden sind denn auch meist keine so genannten professionellen JournalistInnen, sondern aus engagierten politischen, sozialen oder kulturellen Zusammenhängen kommende AktivistInnen. Aus diesen strukturellen und personellen Voraussetzungen ergeben sich auch die inhaltlichen: Freie Medien verfolgen in der Regel das Ziel, eine selbstbestimmte, solidarische und emanzipatorische demokratische Gesellschaft zu fördern – und ihre existentielle Voraussetzung: die Zeitschriften, die sich als Teil einer „freien“ Medienszene begreifen, erscheinen vielfach im Umfeld bzw. unter der Herausgeberschaft von Kulturinitiativen (wie der Kunstfehler der Arge Kultur Salzburg oder die Versorgerin der Stadtwerkstatt Linz), Dachverbänden von Kulturinitiativen (KUPF-Zeitung in Oberösterreich, kulturrisse der IG Kultur Österreich), einige aber sind von solchen Organisationen völlig unabhängig, wie die im Jahr 2000 explizit als kritisches „Anti-Wende“-Blatt gegründete Malmoe. Redaktionen sind in der Regel Redaktionskollektive, die relativ offen zugänglich sind. Diese Redaktionskollektive handeln gemeinsam eine inhaltliche, thematische und politische Zielrichtung aus und wählen darauf aufsetzend Themen, Inhalte und AutorInnen aus, die ihnen im Sinn dieser Zielerreichung bzw. –annäherung sinnvoll und wichtig erscheinen. Produkt dieses kollektiven Bemühens sind meist vier- bis sechsmal jährlich erscheinende Zeitschriften, die meistens eine konkrete redaktionelle, (gesellschafts)-politische Ausrichtung haben. Hier liegt auch der wesentliche strukturelle Unterschied zu den Freien Radios: Sie funktionieren als Plattformen, die von einer Vielfalt gesellschaftlicher Gruppen und Einzelpersonen bespielt werden. Freies Radio ermuntert Menschen dazu, selbst aktive RadioproduzentInnen zu werden und Sendungskonzepte umzusetzen, die ihre Form und ihr Bedürfnis nach Meinungsäußerung, Informationsvermittlung, künstlerischer Produktion oder auch „nur“ Unterhaltung widerspiegeln. Bei den aktuell 12 Freien Radios in Österreich sind je nach Standort (Stadt – Land) und regionalem Kontext zwischen 70 und 500 Menschen als RadiomacherInnen aktiv, die entweder einzeln oder als Redaktionskollektiv regelmäßig und vom Senderbetreiber autonom Radiosendungen gestalten: Viele dieser Sendungen zielen auf politische, kulturelle oder soziale Information und Analyse, genauso aber auch auf die Promotion von lokaler bis internationaler Musik, Kultur, Literatur oder Audiokunst. Eine wichtige, besonders in den Ballungszentren zwischen 20 und 25 Prozent der Sendezeit bespielende Gesellschaftsgruppe sind die verschiedenen migrantischen Communities, die in ihren Herkunftssprachen oder mehrsprachig Informationen und kulturelle Angebote für ihre jeweiligen Zielgruppen verbreiten. Ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit freier Radios besteht denn auch in der Vermittlung von Medienkompetenz: sowohl technischer und redaktioneller Fertigkeiten, wie der Fähigkeit zur kritischen Medienrezeption. Gleichzeitig fungieren die Organisationen, die die Radios betreiben – und die selbst immer von den NutzerInnen bzw. deren Communities oder Organisationen getragen werden, als Initiatoren für gesellschaftspolitische oder kulturelle Projekte. Die Entwicklung von Freiem „Freie Medien“ – was ist das eigentlich? Meinungsfreiheit. Daraus ergeben sich einerseits thematische Stränge – Antirassismus und Inter- bzw. Transkulturalität, Feminismus bzw. Antisexismus, Menschenrechte, die Auseinandersetzung mit und Analyse aktueller Sozial-, Medien- und Kulturpolitik und ein Fokus auf zeitgenössische Kunst- und Kulturproduktion. Im Zentrum stehen Gesellschaftsgruppen und Themen, die in den Mainstream-Medien nicht, zu wenig oder einseitig behandelt werden. Daraus ergibt sich eine aus der Sicht von z.B. MigrantInnen, FeministInnen oder Menschen mit Behinderungen „einseitige“ Perspektive auf die Gesellschaft, die nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder die objektive Aufarbeitung eines Sachverhalts erhebt. Gleichzeitig bedeutet das charakteristische Produktionszusammenhänge, die sich auch aus den Spezifika der jeweiligen Mediengattung ergeben. 25 „Freie Medien“ – was ist das eigentlich? 26 Fernsehen, das strukturell genauso funktionieren könnte, steckt vor allem aufgrund des größeren finanziellen Aufwands noch am Anfang: Allerdings sendet seit Ende 2005 das Wiener Community TV Okto im Kabel und via WebStream, in Linz arbeitet eine Initiative an digitalem Community TV. So gut wie alle Freien Radios und Freien Printmedien verbreiten ihr Programm bzw. ihre Zeitschriften auch über das Internet, via Audiostream bzw. werden Texte online veröffentlicht. Genuine Online-Medien – ohne gedrucktem Verstärker – haben sich bisher kaum durchgesetzt. Geht es um Medien, geht es immer auch um die Frage, wer sie produziert, wer sich ihrer bedienen darf und aus welcher Perspektive das geschieht. Freie Medien versuchen, diese Frage radikal demokratisch zu beantworten: Alle müssen produzieren dürfen, und die Perspektive muss die von unten sein. Veronika Leiner Eingeladen worden bin ich für dieses Heft einen Betrag zur „interkulturellen Kulturarbeit(en)“ zu schreiben. Meine Annäherung an das Thema ist am besten durch die Anführungszeichen ausgedrückt, die das Unbehagen diesem Begriff gegenüber in Zaum halten, und zugleich veranschaulichen sollen. Welcher Übertitel, fragte ich mich, könnte die Verschiebung der Perspektive die sich in den letzten Jahren vollzieht wiedergeben? Zugegeben, aus dem gewählten weht eher der diskrete Charme einer förmlichen Fadesse, so zumindest der Ersteindruck. Ihm fehlt so gut wie alles - der flapsig-fliesende Abgang, die gewisse Coolness wie auch die Beiläufigkeit jener Slogans, die sich so richtig einem/r einprägen. Wenn dieser Titel mit etwas zu glänzen hat, dann eher mit seiner Sperrigkeit und mit der zusätzlichen Zungerbrecherqualität des ersten Substantivs, das von einem unerwarteten Charakteristikum zeugt: Es ist ein Wort, das gerade MuttersprachlerInnen, Mehrheitsangehörigen sowie Politikern gravierende Aussprache- und Verwendungsschwierigkeiten bereitet. Angesichts der Leichtigkeit mit der Wörter wie „Integration“, „fremde Kultur(en)“, „Multikulturalismus“ usw. öffentlich verloren werden, spricht das Aussparen des Wortes Einwanderungsgesellschaft in diesen Kontexten offensichtlich mehr als nur ein logopädisches Problem der Mehrheit an. Was hindert aber Mehrheitsangehörige, Akteure im kulturellen Feld, Politiker an der Verwendung des Begriffes? Ein mangelnder Spracherwerb, einseitige, unzureichende Bildung? Die Unfähigkeit, sich von tradierten Bildern zu lösen und sich in neue Kontexte einzufügen, sich auf Entwicklungen, die seit einem halben Jahrhundert gelebter Alltag sind, einzulassen? Rückständigkeit, ein demokratisches Defizit? Was genau löst die Sprech- und Handlungsstagnationen bei diesen Milieus aus? Was ist leicht aussprechbar für wen, wann und warum? Die Anhänger des Multikulturalismus - frei nach dem Motto „o, wie bunt, o, wie nett!“ und „alle schön brav abgeschottet nebeneinander defilieren, bitte“ - hatten mit „Multikulti“ den Höhepunkt der blitzschnellen Memorierung erreicht. Auch wenn der Vorteil der einfachen Aussprechbarkeit mit dem Nachteil der leichten Vereinnahmung einherging, war überall von „Mosaik“, „buntem Treiben“ und „Vielfalt“ die Rede. Kaum ein Auge blieb trocken bei dem Vorführen der exotischen „Andersartigheit“ des/der „Anderen“. Die Frage, wer das sich-zurücklehnende Subjekt dieser Vorführungen ist und wie dieses Subjekt zu seiner unhinterfragten, scheinbar durch nichts bedingten (Macht)Position gelangt ist, ging in dem explizit erwünschten und geförderten folkloristischen Tumult leicht unter. Bei der nächsten quasi fortgeschrittenen Stufe des „interkulturellen“ Lernens, der „interkulturellen“ Kompetenz bzw. Kulturarbeit, halten noch viele, zumindest logopädisch, mit. Nachdem die Europäische Kommission das Jahr 2008 zum „Jahr des interkulturellen Dialogs“ erklärt hat ohne es weiter inhaltlich emanzipativ zu reformulieren, darf auch „interkulturell“ seine Slogansternstunde im Hypermarkt der Kulturalisierung erfahren. Zwar wurde in den Auseinandersetzungen um die „interkulturelle Kulturarbeit“ die Hinterfragung einiger impliziten Voraussetzung des Multikulturalismus – Einwanderungsgesellschaft und Kulturarbeit Einwanderungsgesellschaft und Kulturarbeit 27 Einwanderungsgesellschaft und Kulturarbeit 28 einer Nationalkultur, aber auch der Kultur als etwas Abgeschlossenes und Festes – geleistet sowie die den „anderen Kulturen“ zugeschriebene Rolle kritisch reflektiert. Aber auch wenn dabei der Umgang mit kultureller Pluralität beschworen und von gleichberechtigter Zusammenarbeit einfach ausgegangen wird, bleibt im interkulturellen Diskurs oft die vordergründige Fokussierung auf kulturelle Unterschiede aufrecht und die Frage nach strukturellen Ungleichheiten, Verteilung von Macht, Ressourcen und Anerkennung in ihrem Kern unangetastet. Die aus dieser ernüchternden Feststellung resultierenden Bemühungen, Fragestellungen und Inhalte zu bearbeiten werden durch die Weiterentwicklung der Begrifflichkeit - z.B. zum „transkulturell“- vermittelt wie auch durch die Einbeziehung von anderen Konzepten und Kategorien in die Debatte. Aktivistische und theoretische Kämpfe im Migrations-, Kultur- und Antirassismusbereich prägen die Verwendung des Begriffes der Einwanderungsgesellschaft. In der aktuellen Situation - denn solche Kategorien können nur in den konkreten Perspektiven der wechselseitigen Aneignungen, Vereinnahmungen sowie der Ausbrüche daraus ihren Sinn entfalten – gewährt uns der Terminus die Möglichkeit, die längst fällige Anerkennung eines faktischen, transkulturellen Zusammenlebens zu denken ohne dabei den ewig langweiligen und ideologisch aufgeladenen Pseudowiderspruch zu bemühen, indem Migration zwischen Bereicherung und Bedrohung verhandelt wird. Der Begriff Einwanderungsgesellschaft legt nahe, dass die Gesellschaft, und zwar die in der wir wirken und nicht ein abstraktes Konstrukt, gedacht und gelebt werden kann ohne eine stillschweigende implizite Hierarchie oder die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft voraussetzen bzw. zuschreiben zu müssen bzw. Differenzen als solche erstarren zu lassen. Durch ihn gewinnen wir zusätzlich ein brauchbares Werkzeug um mannigfache Rechtlosigkeiten erneut zu befragen, mehrfache und vor allem wechselnde, nicht starre Identifikationen/Identitäten anzunehmen und der Produktion von normativen Diskursen kritisch zu begegnen. Fokussiert wird dabei keine wie auch immer konstruierte ominöse „andere“ Kultur sondern die Struktur von Ausschlüssen, die durch eine ungleiche Verteilung von Rechten, sozialer Sicherheit und Einfluss in der Gesellschaft andauernd produziert werden – sei es im Sinne von mangelnde Chancengleichheit, Zugang zu Informationen und informellen Netzwerken, zeitlichen und materiellen Ressourcen usw. - sowie die fehlende Möglichkeit der Mitentscheidung und Mitgestaltung dessen, was als gesamtgesellschaftlich relevant auserkoren wird. Nicht zu allerletzt trägt ein solches Umdenken dazu bei, andere AkteurInnen im kulturellen Feld wahrzunehmen. Eines der durchgehenden Themen, wenn es um „interkulturelle Kulturarbeit“ geht, ist das laute Klagen der Institutionen und KIs über das Fehlen von MigrantInnen, eine Behauptung die öfters die nicht weniger problematische Umformulierung erfährt es gäbe die qualifizierten MigrantInnen nicht. Auch wenn die Argumentation recht abgedroschen klingt, denn die Debatte wurde schon längst in Bezug auf frauenspezifische Angelegenheiten komplett durchgeführt, scheint sie noch Gehör zu finden, ohne aber Maßnahmen – gemeint sind nicht Bildungs- sondern Fördermaßnahmen - zu initiieren. Umso spannender ist die Frage, wie und für wen MigrantInnen als ExpertInnen sichtbar und für Einladungen greifbar sind. Wie komme ich z.B. zum diesen Beitrag? Spielt dabei eher mein spezifischer migrantischer Hintergrund eine Rolle (weiße Migrantin der ersten Generation, Die diversen Selbstorganisationen von MigrantInnen erfüllen eine solche Funktion. Sie waren und sind, wie dies in den letzten Jahren durch die zögernde Öffnung des Blickes und/oder der Organisation in bestimmte Öffentlichkeiten langsam durchsickert, maßgeblich daran beteiligt, gesellschaftlich obsolete Bilder und Strukturen umzukrempeln. Ihre oft paradoxen Interventionen, die ironisch-verstörenden Bilder die sie kreieren und taktisch einsetzen, der spielerischer Umgang mit dem eigenen Selbstbild, setzen neue Impulse und fordern Kulturarbeit und noch mehr all jene, die Kulturarbeit politisch auffassen, heraus. Dies macht die migrantischen Selbstorganisationen zu spannenden Verbündeten in den Kämpfen um allgemeine soziale Rechte, die in dem von extremer Prekarisierung und Festivalisierung gekennzeichneten Feld der Kultur noch auszutragen sind. Einwanderungsgesellschaft benennt in dem Sinn die konkrete Alltäglichkeit einer Gesellschaft, in der Kultur kein (angeborenes) Privileg darstellt, sondern die reale Mitwirkung aller Interessierten impliziert; einer Gesellschaft abseits von Mehrheitskulturen, eine in der Kulturarbeit von MigrantInnen (und nicht „für“ oder „mit“ MigrantInnen) genausowie anderen Minorisierten ein selbstverständlicher Teil der gesamtgesellschaftlich relevanten Kultur ist und dies sich auch entsprechend in Budgets, Arbeitplätzen, Einfluss usw. bemerkbar macht. Eine Gesellschaft, die es über das provinzielle „mir san mir“ hinaus geschafft hat und ihren Mitgliedern unterschiedlichste identitäre Möglichkeiten zuspielt ohne aufzudrängen: bewusst - und nicht nur in Form einiger “Vorzeigeprojekt-Bröseln”, kontinuierlich - und nicht nur im Jahr des interkulturellen “Was-Auch–Immer”. Einwanderungsgesellschaft und Kulturarbeit die über formelle Bildung verfügt) oder der glückliche Umstand zwei Jahre lang gemeinsam mit Vina Yun (wie würde sie sich definieren angesichts der diversen Zuschreibungen?) das antirassistische Vernetzungsprojekt „fields of TRANSFER – MigrantInnen in der Kulturarbeit“ der IG Kultur Österreich, mitgestaltet und dabei essenzielle Erfahrung und Wissen gesammelt zu haben? Kommt es also auf die richtige Kombination von Aus- und Einschlüsse an? Welche Wege finden MigrantInnen, um sich aus solchen Verstrickungen zu lösen, um autonom zu handeln? Radostina Patulova 29 Über das Wie und Warum von Kulturinitiativen In den letzten vierzig Jahren hat sich in Tirol eine ganze Reihe von Kulturinitiativen und Kulturzentren gebildet, die der Hoch- und Traditionskultur andere kulturelle Sichtweisen entgegengesetzt haben. Sie präsentierten Kunst und Kultur, die nicht für den Massengeschmack konzipiert ist, sondern an den Peripherien des Kulturgeschehens stattfindet. Solche Programme scheinen zunächst neu und ungewohnt, sie erfordern von den BetrachterInnen/ ZuhörerInnen die Bereitschaft, sich auch mit dem Unbequemen, Unharmonischen, Werbeaktion Studiobühne München (1970) Experimentellen zu beschäftigen. Insofern Foto: Galerie St. Barbara sind sie für jene Wenigen gemacht, die auch das kulturelle Risiko schätzen. Entsprechend dieser Ausrichtung als Wegbereiter für das Unbekannte agierten viele der frühen Kulturinitiativen an der Peripherie – der Städte, der Gesellschaft oder auch anderer Veranstaltungen. Manche von ihnen, wie die Haller Galerie St. Barbara oder das Innsbrucker Treibhaus, Werbeaktion Studiobühne München (1970) sind inzwischen (zum Teil auch räumlich) Foto: Galerie St. Barbara zentrale Punkte im Kulturgeschehen – und das nicht nur deshalb, weil Programme, die früher avantgardistisch waren, durch die jahrelange Aufbauarbeit heute mehr den Hörgewohnheiten entsprechen als vor 20, 30 oder 40 Jahren. Andere Kulturinitiativen haben sich aufgelöst oder mussten ihre Kulturarbeit aufgeben, und die von ihnen erschlossenen Räumlichkeiten werden heute von kommerziellen VeranstalterInnen genutzt: Im ehemaligen Kulturzentrum Utopia ist seit 2006 der Britpop-Club Weekender ansässig; die nach dem teilweise erfolgten Abriss noch bestehenden Gebäude des Havengeländes werden als Veranstaltungszentrum Hafen geführt. Kultur am Rand Kultur am Rand Schützenfeste und der Rest Als die Galerie St. Barbara 1968 in Hall gegründet wurde, gab es, so Maria Crepaz, im ganzen Land kaum Galerien und Konzertveranstalter. In Räumen eines Haller Atriumhauses, das der Familie des Mitbegründers Werner Jud gehörte, wurde die Galerie eingerichtet, in der nicht nur zeitgenössische Kunst gezeigt, sondern auch zu den Vernissagen Musik gespielt wurde. Dazu kamen Konzerte auch an anderen Haller Kulturorten, und als die eigentliche Galerie nach vier Jahren geschlossen wurde, wurde die musikalische Linie zum Schwerpunkt der Veranstaltertätigkeit. Daneben organisierte die Gruppe von Anfang an auch andere künstlerische Formate, z.B. Körpertheater, Kurse und die „Haller Randfeste“, deren erstes als Gegenposition zu einem großen Schützenfest am Oberen Stadtplatz konzipiert wurde. Am Rand dieses Traditionstreffens – am Stiftsplatz, in der Schulgasse und am Beginn der Milserstraße – initiierte die Galerie St. Barbara den ersten 33 Kultur am Rand freien Kunstmarkt, zu dem KünstlerInnen aus dem ganzen Land kamen. „Wir haben Kinder auf der Straße malen lassen, das war damals ein Sakrileg, und wir hatten die Auflage, danach alles wieder zu putzen. Es sind ganz schräge Sachen passiert – ein Künstler hatte zum Beispiel eine Kitschmadonna, der er in den Bauch ,Komm in mein Herz!‘ geschrieben hatte. So etwas war für die Leute unglaublich anstößig“, erzählt Maria Crepaz über die damaligen Wagnisse. Auf musikalischem Gebiet erschloss die Galerie St. Barbara dem Tiroler Publikum vor allem zwei der damals innovativsten Strömungen: die Avantgarde-Musik und die historische Aufführungspraxis Alter Musik. Da es dafür relativ wenige Auftrittsmöglichkeiten gab, konnten trotz Geldmangels Größen wie György Ligeti, Nicolaus Harnoncourt oder René Jacobs verpflichtet werden. Vom Kaiser zum Kasperl Andere Stilrichtungen – Jazz und experimentelle Musik – fanden zwar ebenso großen Anklang beim Publikum, nicht aber bei den Honoratioren der Gesellschaft: Den im Rahmen eines Jazzfests geplanten Auftritt der niederländischen Band Jupp van de Flupp quittierte der damalige Haller Bürgermeister Posch mit dem Verbot der gesamten Veranstaltung, und ein Bühnenszenario mit Franz-Joseph-Puppe des Ensembles Neue Horizonte Bern forderte den Haller Grafen Seilern zu einem wutentbrannten Abgang heraus, begleitet vom Ausruf: „Ich lasse mir meine Majestäten nicht beleidigen. Der Kaiser ist kein Kasperl.“ Seither hat sich in der Arbeit der Galerie St. Barbara vieles verändert – nicht, was den Anspruch der Innovation betrifft, aber inhaltlich und von der offiziellen Anerkennung her. Das Anekdotische der Geschichten aus der Frühzeit darf trotzdem nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie Zeichen für die oft schwierigen Rahmenbedingungen freier Kulturarbeit waren: für politische Einmischung, den Versuch, bestimmte kulturelle Bedürfnisse als Randphänomene abzutun oder auch nur für die fehlende Bereitschaft, sich mit anderen, nicht „hoch“-kulturellen Richtungen auseinanderzusetzen. Kultur- , Wohn- und sozialer Ort 34 Solche anderen kulturellen Richtungen waren Ende der 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts auch die Punk- und Hardcoremusik. Nach dem erzwungenen Ende des Bogenlokals Akt 1986 hatte die Innsbrucker Szene keinen eigenen Raum mehr, an ihrem Treffpunkt bei der Annasäule war sie ungern gesehen. 1989 konnten nahe der Autobahnauffahrt West zwei Hallen auf dem so genannten Retterareal angemietet und dort Konzerte veranstaltet werden. Das Programm umfasste internationale und regionale Bands aus dem Punk-, Hardcore- und Avantgardebereich, u.a. traten Zeena Parkins, Elliott Sharp, H.P. Zinker, Giant Sand, Neurosis und The Legendary Pink Dots im Haus am Haven auf. Mit der Zeit entwickelte sich aus dem Ort für Konzertveranstaltungen auch ein Ort für die eigene Kunst- und Kulturproduktion – u.a. mit einem Tonstudio, Proberäumen und Ateliers, für die weitere Gebäude auf dem Areal angemietet wurden. Als letzter Teil kam, anfangs vor allem für die Mitglieder des den Haven betreibenden Vereins Kulturkontrast gedacht, auch ein Wohngebäude dazu. Die Miete des gesamten Areals sollte dadurch Kultur am Rand abgedeckt werden, dass die NutzerInnen der verschiedenen Bereiche kleine finanzielle Beiträge leisteten. Damit wurde, obwohl ursprünglich nur als Veranstaltungsort geplant, das Haus am Haven vom Kultur- auch zum sozialen Zentrum. Die Selbständigkeit, mit der der Ort organisiert war, und die kulturellen Leistungen verschafften dem Haven Anerkennung in ganz Österreich. Unterstützt wurde das Projekt aber auch vom Land Tirol und der Stadt Innsbruck – wohl unter anderem deshalb, weil hier eine ganze Szene, oder doch zumindest ihr Kern, autonom an der Peripherie lebte und arbeitete. Im Vakuum Paradoxerweise lag in diesen positiven Entwicklungen aber auch einer der Gründe für das Ende des Havens. Günther Ludwig, zwei Jahre lang Vorstandsmitglied des Vereins, erzählt, dass aus ganz Österreich Leute kamen, um im Haven zu wohnen, mit längerer Dauer umso mehr und auch immer mehr Menschen, die einer Betreuung durch Sozialarbeiter bedurft hätten. Nachdem immer weniger BewohnerInnen Miete zahlten, die Schulden und die Probleme im Wohnbereich immer größer wurden und – nach einem Aufschub von einem Jahr 1993 – die Räumung und Schleifung der Gebäude anstand, gab der Verein den Haven auf. Der Versuch, auf einem anderen Areal ein Nachfolgeprojekt zu initiieren, scheiterte, einige der früheren Haven-Arbeiter gründeten später den Verein Vakuum, der über keinen Veranstaltungsort verfügt und seine Konzerte im Treibhaus, Kulturgasthaus Bierstindl und an anderen Orten durchführt. Freie Kulturarbeit ist somit Teil ihres Lebens geblieben, für keinen von ihnen aber zum (Haupt-)Beruf geworden. Das unterscheidet die ehemaligen Mitglieder von Kulturkontrast von der Familie Crepaz, die die Galerie St. Barbara seit nunmehr bald 40 Jahren leitet. Gemeinsam ist den Gründern der frühen Tiroler Kulturinitiativen jedoch, dass sie neue kulturelle Strömungen in Tirol bekannt gemacht und etabliert haben – auch dann, wenn einzelne Projekte nicht von Dauer waren. Esther Pirchner 35 Wer Wenn Nicht Wir – Praxen der Demokratieentwicklung 36 Wer Wenn Nicht Wir – Praxen der Demokratieentwicklung Zur gesellschaftlichen Funktion von Kulturinitiativen Zur Relevanz und gesellschaftlichen Funktion von Kulturinitiativen hat die IG Kultur Österreich 1995 ihr erstes Symposium abgehalten. Die in der Dokumentation enthaltenen Beiträge bilden den Ausgangspunkt für die folgenden Ausführungen. Kulturinitiativen werden von Konsumenten und Medien in erster Linie als trendige Veranstaltungsorte wahrgenommen. Konzerte, Lesungen, Theateraufführungen bringen Publikum und sind als Veranstaltungsankündigung medial leicht zu erfassen. Die Reduktion auf diesen konsumorientierten Aspekt greift allerdings viel zu kurz. Die Kulturinitiativen von denen hier die Rede sein wird, gehen in ihren eigenen Ansprüchen und in Folge in ihren Umsetzungen aber viel weiter und greifen auch tief in die gesellschaftlichen Entwicklungen ein. Die bei der Entstehung der Kulturinitiativen in den 1970ern entwickelte kollektive Kraft der AkteurInnen wirkte extrem verängstigend auf das damalige Establishment. Ihre inhärente politische Brisanz prägt nach wie vor das Verhältnis zur (Kultur)- Politik. Während innerhalb der Gruppen und Initiativen im wesentlichen rasch Konsens darüber herrschte wie die Idee „Soziokultur“ umgesetzt werden soll, war das Establishment, das die Macht der Raum- und Finanzverteilung innehatte, keineswegs bereit die Tore für diese neue Bewegung zu öffnen und Ressourcen zur Verfügung zu stellen. An den Positionsbestimmungen, an dem Verhältnis zum „Gegenüber“ haben sich seither nur Marginalien verändert. Im Gegensatz dazu war das Verhältnis von Kulturinitiativen zur „Gesellschaft“ von Anfang an partizipativ und verbindend angelegt und ist es in vielen Initiativen auch geblieben. Das von Hilmar Hofmann postulierte Leitmotiv der „Kultur für Alle, Kultur von Allen“ wurde in den folgenden Jahrzehnten zwar arg zerzaust, aber die Idee hat nie ausgedient und erlebt auch wieder eine neue Renaissance unter anderem in den Bereichen MigrantInnen und Antirassismus. Beispiele demokratiepolitischer Kulturarbeit Wenn Rolf Schwendter (Der Artikel von Rolf Schwendter findet sich in der Symposiumsdokumentation: Relevanz und gesellschaftliche Funktion freier Kulturarbeit. IG Kultur Österreich 1996) 1996 freie Kulturarbeit als emanzipatorisch, sozial innovativ und politisch bezeichnete, dann spannte sich sein Bogen von der individuell verstandenen Emanzipation des Subjekts über die Emanzipation unterdrückter Mehrheiten und Minderheiten bis zu einer gesamtgesellschaftlich verstandenen Befreiung. Exemplarisch für diese Ausrichtung der Kulturarbeit möchte ich drei Initiativen nennen, die 2004 auch den Preis für politische Kulturarbeit erhielten: kinokis mikrokino (http://kinoki.at), die BetreiberInnen von kinoki haben – neben ihrer Veranstaltungstätigkeit – 11 Film- und Diskussionsmodule gegen die Gedankenlosigkeit des Jubiläumsjahres 2005 entwickelt, die von anderen VeranstalterInnen bei kinoki abgerufen werden können. Soziale Innovationen Als sozial innovativ bezeichnet Rolf Schwendter die ständige Suche nach neuen Arten des Zusammenarbeitens und des Zusammenlebens. In den Kulturvereinen werden laufend neue Organisationsformen und Verfahrensweisen erprobt, alternative Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen werden gegründet und Interventionen im öffentlichen Raum werden hier entwickelt. Diese Organisationsformen werden vom Establishments mitunter als gefährlich eingestuft und als Bedrohung der Staatsräson wahrgenommen. Kulturarbeit jenseits des Eventmarketings ist daher neben den seit den 1990ern entstehenden sozialen Bewegungen eine wesentliche Plattform auf der alternative gesellschaftliche Entwicklungsrichtungen diskutiert und vorstellbar gemacht werden. Die Gruppen in den Initiativen suchen direkt oder vermittels ihrer Organisationsformen und ihrer Veranstaltungspolitik emanzipatorischer Antworten auf Risiken der aktuellen gesellschaftlichen Prozesse, sie agieren hier als soziale „Experimentierbaustellen“. Diskussionsveranstaltungen zu Grundeinkommen und Grundsicherung, Symposien zur Prekarisierung von Arbeit, hatten ihre Startpunkte in den Kulturinitiativen bevor sie Eingang in Medien und andere Sozial- bzw. Politikbereiche gefunden haben. Trotz aller Probleme die die offizielle Kulturpolitik mit dem Feld der Kulturinitiativen hat, gibt es Annäherungsversuche. PolitikerInnen behelfen sich mitunter damit, dass sie Anstrengungen unternehmen andere Lesearten für Kulturarbeit in den Diskurs einzubringen um neue Bedeutungszusammenhänge zu etablieren. Waren es in den 1980ern die Bemühungen die Umwegrentabilität von gut besuchten Veranstaltungen in den Vordergrund zu spielen (Kulturarbeit als volkswirtschaftliches Erfolgsmodell) kam etwas später der Hype der Creative Industries (Kulturarbeit als Hoffnungsträger der Arbeitsmarktentwicklung) und ab 2000 der Höhenflug des Ehrenamts (soziokulturelle Arbeit als kostenlose Leistung zur Abfederung des Abbaus des Sozialstaates). Wer Wenn Nicht Wir – Praxen der Demokratieentwicklung Die VolxTheaterKarawane (http://no-racism.net/nobordertour) die mit aktionistisch-theatralischen Mitteln „Grenzüberschreitungen“ im Rahmen ihrer Nobordertour vornahmen. Sie bereisten verschiedene europäische Orte politischer und kultureller Ereignisse und versuchten dort den aktuellen Diskurs über Probleme von Migration und Globalisierung darzustellen. Der Kulturverein Maiz (http://www.maiz.at) hat mit seinem Projekt „kartografische Eingriffe“ im Rahmen von Workshops fiktive Kartografien von den Städten in denen die Teilnehmerinnen lebten, als Auseinandersetzung mit dem Thema Anwesenheit und Ausgrenzung von Migrantinnen an öffentlichen Plätzen entworfen. Diesen Versuchen der Umschreibungen demokratiepolitischer Inhalte in staatlich opportune gesellschaftspolitische Entwicklungen sollten die Initiativen widerstehen, wenn sie nicht in dekorfähige (Re)Präsentationsflächen für SonntagsrednerInnen verwandelt werden wollen. Zuletzt noch zum Zusammenhang von Demokratie und Kulturarbeit. Unter vielen Erklärungsmodellen möchte ich den Demokratiebegriff von Paolo Flores 37 Wer Wenn Nicht Wir – Praxen der Demokratieentwicklung 38 d’Arcais wählen, der die Demokratie als eine Form des Zusammenlebens, in der die Macht jedem einzelnen gehört, beschreibt. „Wo die Macht jedem einzelnen gehört, gehört der einzelne nicht der Macht. Das Individuum gehört nicht zu der Gemeinschaft, in der es auf die Welt kommt, sondern konstituiert sie kraft seiner eigenen Freiheit“. Wie schon beschrieben leisten die Kulturinitiativen genau diese konstitutionelle Arbeit an der Gemeinschaft. Solange diese Form der Demokratieentwicklung in Österreich nicht auch ein Anliegen der Herrschenden ist muss die Definition die 1972 auf der Konferenz von Arc et Senans festgeschrieben wurde weiter die Kernfunktion von Kulturarbeit sein: „Die Aufgabe der Kulturarbeit ist es ....... alternative gesellschaftliche Entwicklungsrichtungen vorstellbar zu machen und in jedem Individuum den Sinn für das Mögliche zu wecken, dass heißt, es zu befähigen, Krisen nicht auszuweichen und nicht der Sklave, sondern Herr seiner Geschichte zu werden“. Gabriele Gerbasits Bemerkungen zu Wert, Mehr-Wert und Kosten regionaler Kulturarbeit Die Reden des Sonntags und die Mühen des Montags Was ich an Sonntagsreden liebe, ist das Faktum, dass der gesellschaftliche, soziale, ja auch wirtschaftliche Mehrwert der Kunst, der Kulturarbeit und des kulturellen Engagements der Bevölkerung insgesamt grundsätzlich einmal außer Streit gestellt wird. Was wäre unser Land ohne die unzähligen Initiativen der Kunst- und Kulturschaffenden, wo wäre die Menschheit insgesamt ohne ihre kulturelle Entwicklung, die ganze Geschichte der Franz Kornberger Foto: Schmölz Menschheit sei ja nichts anderes als eine Kette, in der der Mensch nie aufhört, Altes zu übernehmen, Neues zu schaffen und beides weiterzugeben. Diese ganze Kette nenne sich Tradition. Und dann neigt sich der wunderbare Sonntag des verbalen Dankes und der gesellschaftlichen Anerkennung zu Ende zu und die huldvollen Bekenntnisse halten den Mühen des Alltags kaum stand. Denn ab Montag, da geht’s dann ums Geld, und wo´s ums Geld geht, muss gerechnet werden, und wo gerechnet wird, braucht man Zahlen. Und wenn man etwas nicht in Zahlen messen kann – gibt´s das überhaupt oder ist es nicht bloß Schimäre oder ein Taschenspielertrick einer kleinen, aber findigen Elite, die dadurch die an sich unbeteiligte Öffentlichkeit zur Finanzierung ihrer hedonistischen Gelüste zwingt? „Ohne Geld ka Musi“ „Ohne Geld ka Musi“ Förderung ist Pflicht Auf die trockene Frage: „Warum soll die öffentliche Hand Kunst und Kultur fördern?“ gibt es eine trockene Antwort: weil das schlichtweg, wie auch unsere Verfassung schreibt, ihre verdammte Pflicht ist, eine Pflicht, die sich beispielsweise auf kommunaler Ebene schon durch die Gestaltung des Einheitskontorahmens festmachen lässt, in dem eine von insgesamt nur 10 Aufgabengruppen „Gruppe 3 – Kunst, Kultur und Kultus“ heißt. Und ohne hier allzu viele Beispiele zu bemühen: wie soll, tatsächlich in Zahlen gegossen, in der „Aufgabengruppe 2 – Unterricht, Erziehung, Sport und Wissenschaft“ der über den Gebäudewert hinausgehende Wert einer hervorragenden Schule oder Sportstätte beziffert werden, wie lässt sich die „Öffentliche Ordnung und Sicherheit – Gruppe 1“ in Zahlen gießen, und rechnet sich tatsächlich in allen Fällen die „Allgemeine Verwaltung – Gruppe 0“? Träger regionaler Kulturentwicklung Wo keine Entwicklung mehr stattfindet, ist der Organismus tot. Wo nur mehr Bestehendes konserviert wird, hat man es nicht mehr mit Leben zu tun. Regionale Kulturentwicklung ist immer getragen von den Protagonist/ innen vor Ort, in all ihrer Vielfalt und in all ihren unterschiedlichen Positionen und Netzwerken, im Kunstschaffen und in der Kulturausübung, in der Kulturvermittlungsarbeit und in der künstlerischen und musikalischen Fort- und 39 „Ohne Geld ka Musi“ Ausbildung, in Vereinen und Bildungseinrichtungen, in Kooperationen und als Einzelkämpfer/innen, ehrenamtlich, hauptamtlich oder freiberuflich. Die Politik und die Verwaltung können und sollen diese notwendige Entwicklungsarbeit nicht leisten – aber sie müssen ein Umfeld und ein Klima schaffen, in dem Kulturentwicklungsarbeit nachhaltig möglich wird. Regionalförderungen der EU wie z.B. im Rahmen der LEADER-Programme tragen diesem Umstand dadurch Rechnung, dass primär private Einrichtungen und NGO´s als Projektträger gefördert werden, mit Unterstützung der öffentlichen Hand als Co-Financiers. Regionalentwicklung braucht Nachhaltigkeit Entwicklung braucht Zeit, Entwicklungen geschehen, in all ihrer Sprunghaftigkeit und trotz so mancher erforderlicher Brüche und zu beschreitender Sackgassen, am nachhaltigsten in einem Umfeld, in dem die Politik mit Weitblick und vielfach unter Verzicht auf kurzfristigen Erfolg und Beifall einen Naturschutzpark für Ideen und Projekte schafft, in dem die Menschen mit Offenheit, Neugier und Mut an der Gestaltung der Zukunft arbeiten können, ohne Existenzängste oder unzumutbare Risken. Gerade heute, da wirtschaftliche wie kulturelle Globalisierung vor allem in der ersten Welt zu einer Vereinheitlichung des Lebensstils und damit zum Verlust heimatlicher Geborgenheit zu führen droht, ist die Erarbeitung eigenständiger regionaler Identitäten von enormer Bedeutung. Identitäten allerdings, die ihre Qualität und Stärke in ihrer Nicht-Austauschbarkeit und Nicht-Verwechselbarkeit finden, aber von Weltoffenheit, Toleranz und Vielfalt getragen sind. Nachhaltigkeit braucht Strukturen Keine Blasmusik wird auf Dauer erfolgreich sein können, wenn sie über keinen Proberaum verfügt, keine Theatergruppe kann auf Dauer ohne geeignete Auftritts- und Probemöglichkeiten in ihren unmittelbaren Umfeld auskommen, jede literarische Nachwuchsarbeit muss scheitern, wenn es keine Kleinverlage und Literaturzeitschriften gibt. Strukturen sind notwendig, auch in der Kulturvermittlungsarbeit und vor allem und gerade auch dann, wenn neue Projekte entwickelt und umgesetzt werden sollen. Die Notwendigkeit räumlicher Ressourcen ist heute unumstritten, dass Musikerheime, Musikschulen, bühnengerechte Gemeindesäle, Heimatmuseen und und und … für ein lebendiges kommunales Kulturgeschehen notwendig sind, ist den Gemeinden und ihren Bürgermeister/innen klar. Schwieriger wird es, wenn diese räumlichen Voraussetzungen auch für Kulturinitiativen eingefordert werden, noch wesentlich schwieriger dann, wenn die Programmdichte und die Professionalität der Initiativen auch personelle Strukturen erforderlich machen. Strukturen brauchen Finanzierung 40 Diese Strukturen brauchen Geld. Geld, das am „freien Markt“ nicht im erforderlichen Ausmaß erwirtschaftet werden kann, wenn man sich nicht zur Gänze dem kommerziellen Veranstaltungsbetrieb verschreiben und damit eigentlich eine spezifische eigenständige Entwicklung be- und verhindern will. Bloß der Ehrgeiz, zum 67. Spielort österreichischer Kleinkünstler zu werden, ist möglicherweise ohne Strukturförderungen möglich. Genauso wenig, wie sich die Musikschulen (ich kenne hier allerdings nur das oberösterreichische System) oder die Kindergärten aus den Beiträgen der „Ohne Geld ka Musi“ Eltern oder Teilnehmer/innen finanzieren können, genauso wenig, wie Bau und Instandhaltung der Strassen durch die Nutzer/innen alleine finanziert werden kann, genauso wenig können Kulturinitiativen die für Struktur, Betrieb und Produktionen notwendigen Mittel alleine aus Kostenbeiträgen, Eintritten und Sponsoring erwirtschaften. Das in vielen Initiativen notwendige Know-how und Engagement, das über das übliche Ausmaß ehrenamtlicher Tätigkeit weit hinausgeht, wenn Qualität und Quantität der Kulturvermittlungsarbeit gesichert werden sollen, muss auch bezahlt werden. Dem Ansinnen, auf Dauer Kulturinitiativen und Kulturstätten nur mit ehrenamtlichen Personal betreiben zu wollen, entspricht in etwa die Ansicht, Kindergärtner/innen sollten ihre Arbeit ehrenamtlich erbringen, weil er/sie „ja ohnehin gern mit Kindern arbeiten.“ Die von der Politik heute oft geübte Praxis, nur mehr Projekte zu finanzieren, wird sich spätestens dann ad absurdum führen, wenn es mangels Förderungen keine Initiativen und Strukturen mehr gibt, die diese Projekte entwickeln und umsetzen können. Das liebe Geld: wie viel soll´s denn sein, damit die Musi spielt? Eins vorweg (und da plaudere ich aus meiner Praxis als langjähriger Kulturreferent einer 8.500-Seelen-Gemeinde): einfach soviel, wie benötigt wird. Nicht mehr und nicht weniger. Förderungen sind keine Belohnungen für Wohlverhalten oder langjähriges Bestehen. Subventionen sind dazu da, Einrichtungen, Investitionen und Projekte (mit-)zufinanzieren, die sonst nicht bestehen könnten oder nicht unsetzbar wären. Da gibt es Finanzierungspläne, die vorgelegt werden, Finanzierungsbesprechungen, in denen durchaus hart ums Geld gerungen wird, dann aber auch die Sicherheit für die Förderwerber, dass längerfristige Vereinbarungen auch getroffen und eingehalten werden. Und letztendlich doch noch eine Zahl: das Land Oberösterreich empfiehlt seinen Gemeinden, etwa 2% ihres ordentlichen Haushaltes für Kunst, Kultur und Kultus auszugeben. Mehrwert – das ist wohl das, was mir fehlen würde, wenn ich all das bei mir daheim nicht mehr hätte: • Ein Freies Radio Salzkammergut , das sich in seinen Inhalten und in seiner partizipatorischen Programmgestaltung wohltuend vom Einheitsgedudel abhebt • Ein Zeitgeschichte-Museum, das mit seiner wissenschaftlichen Aufarbeitung unserer Regionalgeschichte und der KZ-Gedenkstättenarbeit identitätsstiftend und aufklärend wirkt • Die Frauenkulturschwerpunkte im Frauenforum Salzkammergut • Regen internationalen Kulturaustausch im Rahmen unserer Städtepartnerschaft mit Prato und im Zuge unserer ATTAC-Mitgliedschaft • Digitale und schriftliche Publikationen unserer Musiker/innen und Autor/innen • Kunstwerke regionaler Künstler/innen im öffentlichen Raum • Ein Kino, das auch Kulturstätte ist und mit 300 Veranstaltungseinheiten im Jahr imagebildend nach innen und außen wirkt. ………………………….. Und jetzt bin ich, in meiner Egozentrik, nur von mir ausgegangen: vielen anderen würden auch fehlen: die drei Musikerheime, die Musikschule, die Malwerkstätte, das Heimatmuseum, unser lebendiges Brauchtum, der Fasching, der Fotoklub … Franz Kornberger 41 RobInnen Hood des Zeitgenössischen 42 RobInnen Hood des Zeitgenössischen Die Stützpfeiler unserer kulturellen Vielfalt. In regelmässigen Abständen regnet es goldene Ehrennadeln vom Land Tirol für all jene „dienstbaren Geister, die in ihrer Freizeit für das Gemeinwohl tätig sind“, wie es heisst. „Ehrenamtliche“, heisst es weiter „sind Vorbild für gelebte Werte, sie geben mit ihrer Haltung geistige Orientierung und bilden einen Gegenpol zur Genuss- und Konsumgesellschaft“. Schön, denk ich mir, dass es so viele Freiwillige gibt, die überhaupt eine Freizeit und somit eine Arbeit haben, in Zeiten wie diesen. Und schön, dass sie sich in dieser ihrer Freizeit um Kultur, Kunst und Bildung bemühen und somit die „Stützpfeiler der kulturellen Vielfalt in unserem Land“ darstellen. Eines vorausgeschickt: Ich habe an sich nichts gegen Ehrenämter, goldene Ehrennadeln und den Einsatz für die Gesellschaft, den solche Anerkennungszeichen belohnen. Ganz im Gegenteil, wie könnten Hochwasserkatastrophen, wie sie letztens in Tirol stattgefunden haben ohne den Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr bewältigt werden, oder wie sollten Touristen in Stöckelschuhen ohne den Einsatz der Bergrettung jemals wieder aus dem Hochgebirge herausfinden? Allerdings muss das Ganze differenzierter gesehen und einmal kritisch hinterfragt werden, welcher gesellschaftliche Wertekanon bei derartigen Ehrungen zugrundegelegt und abgebildet wird, speziell wenn es um Kultur und Bildung geht. Es wäre durchaus interessant, wie viele dieser wohl hunderte von goldenen Ehrennadeln auf den zeitgenössischen, innovativen Bereich entfallen. Ich traue mich zu wetten, ein verschwindend geringer Prozentsatz. Ehrenamt ist unverzichtbar für und unbezahlbar durch die Gesellschaft, und wenn man näher darüber nachdenkt, auch weit vielschichtiger und spannender, als das durch Ehrennadeln hauptsächlich bediente Klischee von Trachtenverbänden, Musikkapellen und Schützen. Ehrenamt hängt in jedem Fall an einzelnen Menschen, die nicht selten ihre Visionen und Vorstellungen auf eigene Faust verwirklichen, wenn sie ein entsprechendes Angebot in der Gesellschaft nicht vorfinden, und das vielfach gerade im zeitgenössischen kulturellen Bereich, wo öffentliches Bewusstsein und Institutionen nicht selten der Zeit hinterher hinken. Ich muss gestehen, dass ich meinem ersten persönlichen Ehrenamt, wenngleich ich es damals als solches gar nicht wahrgenommen habe, für mein Leben eine ganze Menge verdanke. Wie hätte ich in den 70igern des 20. Jahrhunderts in der tiefsten Provinz Osttirols jemals mit klassischer zeitgenössischer Musikliteratur in Berührung kommen können, hätten damals nicht ein Musikgenie zusammen mit einem Organisationstalent in deren Freizeit den Ehrgeiz gehabt, einen A-capellachor auf höchstem Niveau zu gründen und dafür begabte Laien auszubilden? So kam ich in den Genuss einer professionellen Stimmbildung durch Salzburger Gesangsprofessoren, jahrelanger intensiver Probenarbeit an anspruchsvollen zeitgenössischen Werken, jeder Menge Bühnenerfahrung und durfte als Mitglied eines ausgesprochenen Spitzenchores schon in sehr jungen Jahren an vielen internationalen Wettbewerben und Tourneen teilnehmen. RobInnen Hood des Zeitgenössischen Wie wäre ich damals sonst so jung schon in viele europäische Länder und sogar (trotz Vorhangs) nach Polen gekommen und hätte dabei als besonderes Abenteuer für die Solidarnoscz internationale englischsprachige Nachrichtenmagazine schmuggeln können? Wie hätte ich sonst mit siebzehn schon Menschen aus der ganzen Welt getroffen oder so berühmte Musiker wie den Filmkomponisten von Frederico Fellini kennenlernen und mit ihm zusammenarbeiten dürfen? Die öffentliche Hand hätte mir diesen kulturellen Horizont niemals bieten können und ich wäre mit ein paar schlecht ausgebildeten Musiklehrern an der städtischen Musikschule, weit weg vom Schuss, musikalisch schlichtweg gar nicht gefördert worden und irgendwann höchstwahrscheinlich kulturell versauert. Es war die Chance meines Lebens. Rückwirkend betrachtet allerdings hing diese Chance für mein Leben an einem seidenen Faden, nämlich genau genommen an dem ehrenamtlichen professionellen Engagement zweier Menschen, die sich eine Vision verwirklicht haben, und das durchaus auch nicht hätten tun müssen. Das selbe gilt für mein zweites Ehrenamt. Ebenfalls in den 70iger Jahren des 20. Jahrhunderts, wo es in Innsbruck noch kein Treibhaus und kein Utopia gab, hatten in Lienz ein paar wenige Leute rund um Eberhard Forcher, der damals schon gute Kontakte zur internationalen Musikszene vor allem nach England und Amerika hatte, die Schnauze voll von der Provinz und gründeten kurzerhand den mittlerweile legendären Verein „Ummi Gummi“. Auf die Idee, dass meine unentgeltlichen Bardienste dort so was wie Ehrenamt sein könnten, wäre ich nie im Leben gekommen, konnte ich doch im damaligen Vereinslokal Berühmtheiten aus der internationalen Musikszene persönlich kennenlernen und den Hauch der grossen weiten Welt schnuppern. Es war mir eine Ehre, kein Amt, und mit siebzehn Mitglied Nummer fünf von von „Ummi Gummi“ zu sein macht mich zugegebenermassen heute noch stolz. Ich könnte noch stundenlang in Reminiszenzen schwelgen und die Liste weiterer kulturellen Ehrenämter fortführen, die ich allesamt als enorme Bereicherung für mein Leben ansehe, ich darf dabei gar nicht an den Verein Transit (Verein zur Förderung von Kunstprojekten im elektronischen Raum) denken, der ebenfalls auf dem ehrenamtlichen Engagement einer einzigen Person, nämlich Heidi Grundmann gründete... Wie wäre mein Leben wohl verlaufen, wenn ich nicht auf die paar wenigen Menschen (inklusive mir selbst) getroffen wäre, die oft unter widrigen Umständen und jedenfalls im provinziellen Kontext ihre zeitgenössischen Visionen verwirklicht hätten und die ich zurecht als Stützpfeiler meiner persönlichen kulturellen Vielfalt sehe? Diese Frage stelle ich mir oft. Dieselbe Frage müssten sich jedoch Politiker öffentlich und vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Wertungen und Wirklichkeiten stellen. Sie ist in Wahrheit existenziell. Wo würde die Gesellschaft heute stehen, wenn sie nicht die paar wenigen Menschen gehabt hätte, die oft unter widrigen Umständen, jedenfalls aber im provinziellen Kontext ihre zeitgenössischen Visionen verwirklicht hätten und die sie zurecht als „Stützpfeiler unserer kulturellen Vielfalt“ bezeichnen könnten? Sie würde immer noch das Brauchtum vergangener Jahrhunderte pflegen und bestenfalls eine folkloristische Disneylandkulisse für kirchliche Feste, Touristenströme oder internationale Delegationen abgeben und sich in diesem kulturellen Selbstbild genügen. Marketenderinnen würden noch in hundert Jahren bei Andreas Hofer Gedenkjahren charmant Schnapserln 43 RobInnen Hood des Zeitgenössischen 44 ausschenken und als „wahre Vorbilder gelebter Werte“ goldene Ehrennadeln für ihre Verdienste um die Allgemeinheit erhalten. Wie gesagt, ich habe nichts gegen goldene Ehrennadeln und auch nichts gegen Trachtenmusikkapellen und Marketenderinnen. Ich habe aber entschieden etwas gegen den notorisch unterbewerteten Stellenwert des Zeitgenössichen, der bei solchen Ehrungen immer wieder einmal deutlich zu Tage tritt. Ist es nicht geradezu Pflicht einer Gesellschaft, sich den Herausforderungen der Jetztzeit zu stellen und auf der Höhe der Zeit Konzepte zu erarbeiten, die die ethische oder wenn man so will geistige Basis dafür schaffen, wie Gesellschaft funktioniert und wie sie mit ihren Problemen fertig wird? Hier müssen Werte ständig neu verhandelt werden, hier braucht es Neudefinitionen von „gelebten Werten“, hier geht es um die Entwicklung von „Haltungen zur geistigen Orientierung“. Das setzt Innovation im Denken voraus und dabei spielen gerade Kunst, Kultur und Bildung die zentrale Rolle. Hier darf sich Gesellschaft und Politik nicht auf Ehrenämter und damit auf den Zufall oder den Frustrationsgrad einiger weniger Visionäre verlassen, die finanziell abgesichert sind und in ihrer Freizeit gerade nichts anderes zu tun haben. Hier gilt es, aktiv Bewusstsein zu schaffen, die entsprechenden infrastrukturellen und finanziellen Mittel bereitzustellen und vor allem zeitgenössische Kultur als wesentliche gesellschaftliche Leistung zu begreifen. Kultur ist Arbeit – Arbeit verdient Geld. Das ist fundamental. Ulrike Mair Exemplarische „Netz- und Innovationsprojekte“ in Nordtirol Interessenvertretung der freien Kulturinitiativen in Tirol Wer ist die TKI? Die TKI – Tiroler KulturInitiativen / IG Kultur Tirol wurde 1989 mit dem Ziel gegründet, die Interessen der „freien Kulturinitiativen“ zu vertreten und die strukturellen Rahmenbedingungen für autonome Kulturarbeit in Tirol zu verbessern. In der Gründungsphase verstand sich die TKI hauptsächlich als Dachverband – also als gemeinsame Organisationsstruktur - von regionalen Kulturvereinen. Seit einigen Jahren hat sich das Kopfstand Foto: Michael Haupt/TKI Selbstverständnis der TKI klar in Richtung Interessenvertretung für freie Kulturinitiativen aus dem gesamten Bundesland gewandelt. Derzeit zählt die TKI über 80 autonome Kulturinitiativen aus dem gesamten Bundesland Tirol zu ihren Mitgliedern, Tendenz steigend. Anfragen an die TKI kommen auch von vielen Kulturschaffenden, die nicht Mitglied sind. Die TKI ist somit Anlaufstelle für sämtliche kulturrelevanten Anliegen. Darüber hinaus fungiert sie als Vernetzungsplattform und Anbieterin von fachspezifischen Informations-, Diskussions- und Fortbildungsveranstaltungen. In ihren Lobbyingaktivitäten vertritt die TKI die Interessen freier Kulturinitiativen in der Öffentlichkeit. Ein weiteres zentrales Arbeitsfeld der TKI ist die Konzeption und Abwicklung der Projektförderschiene „TKI open“. TKI open wird jährlich ausgeschrieben und bietet unter verschiedenen thematischen Schwerpunktsetzungen Freiraum für künstlerische Experimente und für die Auseinandersetzung mit kulturellen, sozialen und (kultur)politischen Fragestellungen. TKI – Tiroler KulturInitiativen / IG Kultur Tirol TKI – Tiroler KulturInitiativen / IG Kultur Tirol Die Arbeitsschwerpunkte der TKI liegen also einerseits in der sehr konkreten, direkten Unterstützung der Kulturschaffenden, andererseits aber auch in der kulturpolitischen Arbeit und damit eher im diskursiven Bereich, in der Debatte rund um die Bedingungen kultureller Arbeit. Diese beiden Bereiche verbindet das Anliegen, zeitgenössisches Kulturschaffen in Tirol zu forcieren und für Initiativen in diesem Feld kontinuierlich gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Die TKI sieht sich somit in Bündelung aller bereits genannten Arbeitsfelder als Plattform für eine zeitkulturelle Kulturarbeit, die Raum für experimentelle Kunstund Kulturformen und für kulturelle Vielfalt bietet. Insbesondere die Förderung des künstlerischen Nachwuchses, das Entstehen alternativer Öffentlichkeiten und der Fokus auf soziale Interaktion und Partizipation sind wesentliche Aspekte dieses Kulturverständnisses. Was leistet die TKI? Was aber leistet die Interessenvertretung TKI nun konkret? Was genau 47 TKI – Tiroler KulturInitiativen / IG Kultur Tirol 48 umfassen Begriffe wie „Anlaufstelle“, „Beratungsangebote“, „Vernetzung“, „Lobbying“, außer dass sie auf vielfältige und weitläufige Arbeitsbereiche verweisen? Und warum schreibt die Interessenvertretung TKI eine Projektförderschiene aus? In unserer Arbeit als Anlauf- und Beratungsstelle steht vor allem die persönliche Präsenz und Arbeit der TKI-Mitarbeiterinnen im Vordergrund: Zahlreiche telefonische und elektronische Anfragen wollen bearbeitet, Beratungsgespräche geführt, Kontakte vermittelt werden. Ausgangspunkt dieser Beratungstätigkeit sind leider oft die prekären Bedingungen, unter denen Kulturarbeit häufig geleistet wird. Viele, die sich im Kulturbereich engagieren, tun dies unter finanziell und sozialrechtlich schwierigen Bedingungen. Die Arbeit freier Kulturorganisationen ist von großer finanzieller Knappheit und Unsicherheit geprägt. Daraus ergeben sich mangelnde Ressourcen im Projektmanagementbereich, fehlendes Know-how vor allem in rechtlichen Belangen und auch jede Menge prekärer Beschäftigungsformen. So stehen Fragen zu Sozialversicherungs-, Vereins- und Finanzrecht ebenso wie Fragen zur Subventionsabwicklung und zur Projektfinanzierung ganz oben auf der Liste der an die TKI gestellten Anfragen. Für die Beraterinnen ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer ständigen Aktualisierung des vorhandenen Wissens, immer wieder neuer Recherchen und eines ständigen Kontakts mit ExpertInnen. Das spezifische, in der TKI gebündelte Know-how wird den Kulturschaffenden sowohl in der persönlichen Betreuung vermittelt als auch über die Erarbeitung von allgemeinen, praxisnahen Unterlagen zu kulturrelevanten Themen zugänglich gemacht. Eine weitere Säule der Arbeit der TKI ist der Bereich Vernetzung: Die TKI organisiert regelmäßig Formate zum Aufbau von Kontakten und zum Erfahrungsaustausch zwischen Kulturschaffenden. Diese Vernetzungsformate dienen neben Austausch und Reflexion auch der Meinungsbildung und der Organisierung innerhalb des kulturellen Feldes. Wir betrachten Kommunikation unter den Kulturschaffenden als wesentliche Voraussetzung und Ausgangspunkt für gesellschaftliche, künstlerische und kulturelle Entwicklungen. In diesem Sinne beteiligt sich die TKI an bestehenden regionalen und überregionalen Netzwerken. Zu nennen sind hier insbesondere die Arbeit innerhalb der in Innsbruck auf Stadtebene agierenden „bættlegroup for art“, sowie die Zusammenarbeit mit Schwesterorganisationen in den anderen Bundesländern, mit der IG Kultur Österreich und mit anderen Interessenvertretungen im Kulturbereich. Kommunikation ist auch der Schlüsselbegriff in der Lobbyingtätigkeit der TKI. Als Interessenvertretung versuchen wir konstruktive Kommunikationsstrukturen mit den politischen EntscheidungsträgerInnen aufzubauen. Hier bewegt sich die TKI in einem nicht immer einfachen Balanceakt zwischen Kritik, Lösungsorientiertheit, Abgrenzung und Kooperation. Stolperstein für einen kontinuierlichen und differenzierten Austausch zwischen Interessenvertretung und kulturpolitischen AkteurInnen sind die fehlenden Zeitressourcen auf Seiten der Politik. Auch die geringe Kontinuität in der Besetzung politischer Funktionen erschwert die Entwicklung längerfristiger Prozesse. Darüber hinaus sind klassische Kulturformen im öffentlichen Kulturverständnis nach wie vor stärker verankert als der Bereich der Kulturinitiativen. In der Hierarchie der zu verteilenden Aufmerksamkeit stehen Der veranstaltende Arbeitsbereich der TKI umfasst vor allem Workshops, Seminare und Informationsveranstaltungen sowie Vorträge und Diskussionen. Auch hier stehen Auseinandersetzung und Kompetenzenbildung im Vordergrund. So wurden von der TKI in den letzten Jahren Seminare und Workshops zu Fragen des Kulturmanagements, der Öffentlichkeitsarbeit, der Teamentwicklung, des Konfliktmanagements, des Arbeits- und Sozialrechtes, der Jugendkultur und zu vielen weiteren Bereichen angeboten. Von der TKI veranstaltete Vorträge und Diskussionen geben vor allem kulturpolitischen Fragestellungen Raum. Themenschwerpunkte der letzten Jahre waren beispielsweise die zunehmende Prekarisierung der Arbeitsbedingungen im kulturellen Feld, Antirassismus in der Kulturarbeit oder auch die Rolle des Staates in der Kulturförderung. Anliegen der von der TKI 2002 initiierten Projektförderschiene TKI open ist es, mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Fördermittel - für 2008 ist der Topf mit 68.500 Euro aus Landes-Kulturfördergeldern dotiert - neue Impulse für die Kulturarbeit in Tirol zu setzen. Durch die jährlich wechselnden thematischen Schwerpunkte in der Ausschreibung dieser Förderschiene ist es möglich, eine künstlerische Auseinandersetzung mit unterschiedlichen aktuellen (politischen, sozialen, kulturellen, gesellschaftlichen) Fragestellungen zu initiieren. Auch versucht TKI open künstlerischen Herangehensweisen Raum zu geben, die neu, experimentell und im regionalen Kontext ungewöhnlich sind. TKI open zeichnet sich zudem durch eine transparente Fördervergabe aus. Die Mittel werden von einer jährlich wechselnden, unabhängigen Jury im Rahmen einer öffentlich zugänglichen Jurysitzung vergeben. Alle EinreicherInnen erhalten schriftliche Kurzfassungen der Jury-Entscheidung zu ihrem Projekt. Die ausgewählten Projekte werden von der TKI auf Wunsch in allen Bereichen der Umsetzung begleitet. Auch gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit wird von der TKI geleistet. Somit ist die Betreuung der Förderschiene TKI open der Arbeitsbereich der TKI, in dem sich kulturpolitische Ansätze, Ziele und Arbeitsfelder der TKI am stärksten bündeln. TKI – Tiroler KulturInitiativen / IG Kultur Tirol konventionelle Kulturveranstaltungen somit in der Regel weit über der initiativen Kulturarbeit. Für die TKI bringt ihr Arbeitsfeld immer neue Herausforderungen. Der Bereich der Kulturinitiativen ist lebendig und produktiv. Kulturformen wandeln sich, neue Projekte entstehen, länger bestehende entwickeln sich zwischen Kontinuität und Veränderung. Die TKI vollzieht diese Prozesse mit, versucht sie zu begleiten. Gleichzeitig will die Arbeit in all den oben genannten Tätigkeitsbereichen - so unser eigener Anspruch - konsequent, reflektiert und kompetent gemacht werden. Die TKI verfügt derzeit aber nur über zwei halbe und eine geringfügige Arbeitsstellen. Somit stoßen wir auch immer wieder an die Grenzen unserer Möglichkeiten. Vieles, was ausbaufähig und interessant wäre, muss deshalb einstweilen liegen bleiben. Aber auch daran arbeiten wir. Gudrun Pechtl 49 TKI open: Einstiegshilfe für junge und neue Initiativen 50 TKI open: Einstiegshilfe für junge und neue Initiativen Bereits zum sechsten Mal wurden im November 2007 Mittel aus dem Fördertopf von TKI open an ausgewählte Kulturprojekte vergeben. Diese Projekte werden im Laufe des Jahres 2008 realisiert und wie zuletzt stehen dafür wieder 68.500 Euro aus dem Kulturbudget des Landes Tirol zur Verfügung. In den Jahren seines Bestehens hat sich TKI open, die von der TKI in Kooperation mit dem Land Tirol ins Leben gerufene Förderschiene, hervorragend bewährt. Junge und neue Initiativen konnten – oft erstmals dazu angeregt werden, ein Kulturprojekt auszuarbeiten. Tirol verfügt damit über einen Fördertopf, der besonders für innovative Projekte und für die Nachwuchsförderung geeignet ist, mit dem Ziel, einer kulturellen Vielfalt gerecht zu werden. „Es ist ein irrer Impuls für die Tiroler Kulturszene. Man wird angehalten, neben seinem täglich Brot sich Gedanken zu machen, ob man nicht einen Schwerpunkt setzen will. Das werden dann die Highlights jedes Jahr.“ (Albrecht Dornauer, NLK-Kultur) Jungen, kreativen Kräften bietet TKI open eine gute Einstiegschance, das interessierte Publikum erhält die Möglichkeit neue Ideen, Konzepte und Strömungen kennen zu lernen. Die Besonderheit dieser vom Land Tirol finanzierten Förderschiene ergibt sich auch daraus, dass es Vergleichbares in Österreich nur noch in Oberösterreich gibt. Dort vergibt die KUPF (Kulturplattform Oberösterreich) im Rahmen des KUPF-Innovationstopfes auf ähnlichem Weg jährlich eine noch wesentlich höhere Summe. Zeitgenössische, experimentelle Kulturprojekte „TKI open ist ein transparentes Fördermodell. Wer ein Projekt einreicht und damit scheitert, weiß ebenso warum, wie jene, die ausgewählt werden. Das sind gute Voraussetzungen dafür, dass sich Projekte und Initiativen entwickeln können“, betont Gudrun Pechtl, Geschäftsführerin der Tiroler Kulturinitiativen/ IG Kultur Tirol (TKI). Die Einladung, Projekte einzureichen, richtet sich an zeitgenössische, experimentelle Kulturprojekte, die möglichst spartenübergreifend sind und aktuelle kulturelle, künstlerische, politische und soziale Fragestellungen mit den Mitteln von Kunst und Kultur bearbeiten. Zentrale Kriterien dabei sind ein regionaler Kontext, eine innovative Projektidee und seit drei Jahren gibt es jeweils ein Ausschreibungsthema. Weitere Kriterien sind Geschlechtergerechtigkeit, die Berücksichtigung antirassistischer und antisexistischer Positionen und ein Tirolbezug. „Uns geht es auch um die Förderung von Projekten, die ansonsten nur geringe Chancen haben, zu einer ausreichenden Finanzierung seitens der öffentlichen Hand zu kommen“, erklärt TKI-Co-Geschäftsführerin Helene Schnitzer. Foto: TKI Unabhängige Jury TKI open hat auch ein beispielhaftes Prozedere, in dessen Zentrum eine fünfköpfige Jury steht, die in ihren Entscheidungen unabhängig ist. Für die Auswahl der jährlich neu zusammengesetzten Jury gelten folgende Kriterien: * Zwei der fünf Mitglieder sollen sich in der Tiroler Kulturszene gut auskennen, die drei anderen aus anderen Bundesländern kommen. * Viele kulturelle Sparten sollen vertreten sein. * Geschlechtergerechtigkeit – bisher haben immer drei Frauen und zwei Männer die Jury gebildet. Jede Jury entwickle ihre eigene Dynamik und setze besondere Schwerpunkte, meint Pechtl. Nachdem Förderentscheidungen nie objektiv sein können, entsteht aber über die Jahre ein gerechter und demokratischer Ausgleich. Bemerkenswert ist auch, dass die Jurysitzungen öffentlich und damit für alle Projektwerber zugänglich sind – allerdings nur als Zuhörer. TKI open 2004 Foto: TKI „Wichtig finde ich, dass bei TKI open auch Initiativen eine Chance haben, die das erste Mal etwas machen.“ (Carla Knapp, „hellwach bei Gewalt an Frauen“) 40 Einreichungen jährlich TKI open ist ein erfolgreiches Fördermodell, was alleine dadurch belegt ist, dass sich die Zahl der jährlichen Einreichungen bei rund 40 eingependelt hat. Jeweils rund ein Drittel davon wird mit Förderungen bedacht. Das bedeutet, dass in den fünf mit Ende 2007 abgeschlossenen TKI open-Jahren über 60 Projekte gefördert worden sind. Die TKI bietet den Initiativen auch Hilfestellungen an, etwa bei formalen Fragen zum Finanzplan oder bei der Erstellung eines Förderansuchens. TKI open: Einstiegshilfe für junge und neue Initiativen TKI open 2003 „Wir haben durch TKI open die unbedingt notwendige Summe zur Realisierung bekommen – mehr als jemals zuvor für eines unserer Projekte. Da haben wir oft echt betteln gehen müssen und hatten uns statt auf das Kulturelle auf das Wirtschaftliche zu konzentrieren.“ (Mesut Onay, Kulturverein Evrensel) „Man hat auch keine Scheu, mit Ideen, die sich außerhalb des normalen Rahmens bewegen, bei der TKI vorbei zu schauen und sich beraten zu lassen, wie man ein Konzept ausarbeitet.“ (Markus Blösl, „fleisch is mei gmias“) TKI open 2005 Foto: TKI Ungewöhnlich ist auch, dass den Initiativen eine begleitende Unterstützung bei der Durchführung ihrer Projekte angeboten wird. Während der Anteil von neuen, jungen Initiativen im Lauf der Jahre deutlich zugenommen hat, ist man bei der TKI nicht zufrieden, 51 kino tki open 06 04.07.2005 15:06 Uhr Seite 1 TKI open: Einstiegshilfe für junge und neue Initiativen dass bisher nur etwa ein Drittel der Projekte außerhalb von Innsbruck angesiedelt war. Die Ausschreibung für TKI open 2008 hat versucht hier entsprechend gegenzusteuern. TKI open 2006 Foto: TKI Kein sportlicher Wettbewerb mehr In den ersten drei Jahren hat sich TKI open mit einem Augenzwinkern als „sportlicher Wettbewerb“ präsentiert: „Offene Meisterschaft für innovative Kulturprojekte“ hieß es im Untertitel, untermauert in der graphischen Darstellung durch die Verwendung sportlicher Motive. Pechtl begründet diesen Ansatz damit, dass es in den ersten Jahren galt, TKI open durch eine Ausschreibung ohne thematische Vorgabe bekannt zu machen und damit viele Initiativen zu einer Beteiligung anzuregen. „Ich finde daran gut, dass es für feministische Kulturprojekte eine Chance ist, Kulturgeld zu kriegen, weil wir eigentlich immer von Frauenabteilungen gefördert werden und teilweise vom Wissenschaftsministerium. Die TKI befindet sich in der Position zwischen denen, die das Geld bekommen und denen, die es verteilen. Foto: TKI Das finde ich eigentlich sehr demokratisch.“ TKI open 2007 (Christine Klapeer, „ArchFem. Interdisziplinäres Archiv für Feministische Dokumentation“) Erstmals für TKI open 06 wurde ein Thema in die Ausschreibung integriert. „Wir wollen keinen Wettbewerb veranstalten, sondern verfolgen einen Förderansatz, der ansonsten zu kurz kommt“, sagt Schnitzer. „Wir vergeben auch keine Preise, sondern setzen den Betrag, den wir zur Verfügung haben, für ein bestimmtes kulturelles Segment, für experimentelle und politische Kulturarbeit ein.“ Beginnend mit TKI open 06 wurde in der Ausschreibung auch eine neue Formensprache verwendet. Für 2006 wurde „don´t take it private, take it politically“ als Thema gewählt, es folgte „Open Space“ und für TKI open 08 „pampa“. Mit dem Themenschwerpunkt für 2008 wurde wie schon erwähnt auf die Dominanz von urbanen Projekten während der ersten fünf TKI open-Jahre reagiert. Wörtlich heißt es Foto: TKI dazu im Ausschreibungstext: „Insbesondere TKI open 2008 zielt die Ausschreibung darauf ab, Kooperationen zwischen unterschiedlichen, vor allem auch zwischen städtischen und ländlichen (Kultur)initiativen anzuregen. TKI open 08 öffnet den Raum für kulturelles Experiment in und zwischen den Regionen Tirols.“ Impulse zur Vernetzung 52 Ein Werbeplakat aller geförderten Projekte und eine gemeinsame Präsentation gegenüber den Medien ist seit den Anfängen mit TKI open 03 üblich. Seit drei Jahren wird von der TKI jeweils nach der Entscheidung der Jury ein Treffen aller erfolgreichen Projekte organisiert, das dem gegenseitigen Hannes Schlosser TKI open: Einstiegshilfe für junge und neue Initiativen Kennen lernen und Gedankenaustausch dient. Kontinuierlich wird das Modell von TKI open evaluiert. Ein Beispiel dafür sind vom Autor dieses Beitrages mit allen 13 Projekten von TKI open 06 geführte Interviews, welche die Erfahrungen bei Abwicklung der einzelnen Projekte und das Prozedere von TKI open als zentrale Themen hatten (nachzulesen auf: www.tki.at). Die eingestreuten Zitatblöcke entstammen dieser Interviewreihe. Die Verantwortlichen der TKI legen Wert auf die Feststellung: „Wir sind keine Förderstelle.“ Die TKI kann und will mit dem bescheidenen Budget von TKI open nicht ein ganzes Kultursegment abdecken, sondern lediglich Akzente setzen. Der Erfolg von TKI open kann sich zugleich auch aus dem Blickwinkel eines Beitrags zur Vielfalt in der Tiroler Kulturszene absolut sehen lassen. 53 Netzwerkarbeit für die Innsbrucker freie Kulturszene – bættlegroup for art 54 Netzwerkarbeit für die Innsbrucker freie Kulturszene – bættlegroup for art Die „bættlegroup for art“ ist ein Zusammenschluss von Kulturschaffenden und Plattformen der Innsbrucker freien Szenen. Anlass für ihre Gründung war die 2004 geführte Debatte um eine Bewerbung Innsbrucks als europäische Kulturhauptstadt bzw. eine – damals seitens politischer Vertreter der Stadt angekündigte – städtische Kulturoffensive. bættlegroup for art – Plakat Ziel der bættlegroup for art ist eine Foto: Transporter Concept.Print.Web Stärkung der freien Szenen, die mithilfe von besserer Vernetzung nach innen und außen und mit dem Aufzeigen kulturpolitischer Probleme und Anliegen erreicht werden soll. Mittel zur Umsetzung dieser Ziele sind regelmäßige „Arbeitskonferenzen“ der bættlegroup for art mit den kulturpolitischen EntscheidungsträgerInnen der Stadt Innsbruck sowie die Recherche der aktuellen Situation von Kulturtreibenden in Innsbruck und – davon ausgehend – die Entwicklung konkreter Problemlösungsstrategien und -konzepte. Derzeit gehören der bættlegroup for art folgende Gruppierungen an: aut. architektur und tirol, GAV – Grazer Autorinnen Autorenversammlung, IG Autorinnen Autoren, IGNM – Internationale Gesellschaft für Neue Musik, Tiroler Künstlerschaft, Künstlerhaus Büchsenhausen, p.m.k/Plattform mobile Kulturinitiativen, TKI – Tiroler Kulturinitiativen/IG Kultur Tirol, VFRÖ – Verband Freier Radios Österreich, außerdem ein Vertreter aus dem Theaterbereich und ich selbst als Koordinatorin. Damit deckt die Gruppe ein breites inhaltliches Spektrum ab und verfügt auch über sehr konkrete und vielfältige Erfahrungen in der Kulturarbeit. Die erste gemeinsame öffentliche Aktion der bættlegroup for art war die Konzeption und Verteilung des Plakats „Kultur ist Arbeit. Arbeit verdient Geld“ zum 1. Mai 2005. Damit wurde einerseits auf den Wert freier Kulturarbeit für das Kulturleben einer Stadt wie Innsbruck hingewiesen, andererseits die Tatsache aufgezeigt, dass eben dieser Wert nur sehr selten eine finanzielle Entsprechung findet. Im nachfolgenden Rechercheprojekt „bættle research“ konnten zu diesem und vielen weiteren Aspekten freier Kulturarbeit konkrete Zahlen recherchiert werden. Die Studie wurde 2006/2007 unter Innsbrucker Kulturschaffenden, VeranstalterInnen und Interessenvertretungen durchgeführt und ihre Ergebnisse auf einem Stadtplanplakat und auf der Website www.baettle.net veröffentlicht. Unter anderem gaben die dabei befragten 77 Kulturinitiativen, Interessenvertretungen und Plattformen an, dass 79,5 Prozent aller bei ihnen tätigen unabhängigen „KulturarbeiterInnen“ ehrenamtlich arbeiten und 43,3 Prozent der Arbeitsstunden absolvieren. Knapp ein Viertel der Gruppierungen bestreitet darüber hinaus die Kosten der Kulturarbeit zum größten Teil aus Eigenmitteln der jeweiligen Initiative bzw. ihrer Mitglieder. Setzt man dies in Beziehung zu den 429.560 Eintritten, die die Innsbrucker Initiativen pro Jahr verzeichnen, so wird erst das Ausmaß der unentgeltlich geleisteten Arbeit deutlich. Esther Pirchner Netzwerkarbeit für die Innsbrucker freie Kulturszene – bættlegroup for art Neben der quantitativen Untersuchung umfasste „bættle research“ auch einen qualitativen Teil, in dem weitere Aspekte und dringliche Probleme der freien Kulturarbeit detailliert recherchiert wurden. In den Fragebögen und in mehr als zwanzig Interviews mit KünstlerInnen und VeranstalterInnen äußerten sich die Befragten zu Rahmenbedingungen der kulturellen Arbeit in der Stadt. Sie wiesen auf den Bedarf an besserer Vernetzung hin und stellten sich und die von ihnen geführten Initiativen in Eigendefinitionen dar. Vor allem aber kristallisierten sich dabei als zentral – und leider auch häufig problematisch – folgende Themenbereiche heraus: Arbeitsbedingungen, Raumsituation, Ausbildungsmöglichkeiten, Kulturförderungen und mediale Öffentlichkeiten. In diesem Zusammenhang wurde auch deutlich, dass es in den Innsbrucker freien Kulturszenen, bei allen Qualitäten, die die Stadt bietet, auch an vielem mangelt. Die Ergebnisse der Kulturstudie haben direkte Auswirkungen auf die weitere Arbeit der bættlegroup for art. In Arbeitskonferenzen, die in Abständen von ca. einem halben Jahr organisiert werden, entwickelt die bættlegroup for art in Zusammenarbeit mit den VertreterInnen der Stadt Innsbruck Konzepte für die Lösung der dringlichsten Probleme. Daher wurde auf diesem Weg ein spezieller Fördertopf für die freien Szenen Innsbrucks ausgearbeitet, der zusätzlich zu den bestehenden Kulturförderungen und -preisen der Stadt eingerichtet wird. Diese Innovationsförderung zielt insbesondere auf experimentelle Projekte ab, die Kunst als intensive Gesellschaftsforschung mit offenem Ausgang begreifen. Kulturelles „Risiko“, künstlerisches Experiment und Kulturforschung sind erwünscht, der inhaltliche Fokus liegt auf der Auseinandersetzung mit Urbanität, mit Stadt als kulturellem Raum und mit der Stadt Innsbruck im Speziellen. Die nächste Arbeitskonferenz beschäftigt sich voraussichtlich mit der Raumsituation in Innsbruck, mit einer Bestandsaufnahme der bestehenden Räume und der Ermittlung des Bedarfs an anderen Räumen, mit den Möglichkeiten, Veranstaltungs-, Proben- und Ausstellungsorte zu verbessern oder neue zu erschließen, mit Zugängen zum öffentlichen Raum, aber auch mit allen anderen Aspekten, die Innsbruck als Kultur-Ort betreffen. Angesichts dessen, dass die Arbeit der bættlegroup for art bzw. ihre Zusammenarbeit mit der Stadt Innsbruck bisher sehr konstruktiv war, besteht die begründete Hoffnung, auch in Bezug auf Räume und weitere anstehende Themen geeignete Lösungskonzepte zu entwickeln. 55 Freie Kulturszenen in Südtirol Die Bildung von Kulturinitiativen stellt eine wertvolle Erweiterung des kulturellen Angebots dar. Möchte man auf die Frage eingehen, weshalb die Motivation für ein solches Engagement Einzelner überhaupt zustande kommt, muss man seinen Blick auf die allgemeine kulturelle Situation richten. Öffentliche Institutionen können nicht ungezwungen und unmittelbar auf aktuelle Gegebenheiten reagieren, da ihr Handlungsspielraum durch die Großgestaltung des Organisationsapparates und durch die Bürokratie eingeschränkt wird. Die Leerstellen, die sich dadurch bilden können, müssen nicht folglich einen Mangel an kulturellem Leben darstellen, sondern gründen in sich die Möglichkeit des Auffüllens durch andere, nicht amtliche und somit nicht institutionalisierte Organisationen. Die Bildung solcher Initiativen kann also mit der Notwendigkeit der Eliminierung von Leerstellen einhergehen und durch die Motivation und Lust an kreativer Tätigkeit aktiv abgedeckt werden. Diese Leerstellen beinhalten demnach eine Bereicherung für die Kulturlandschaft. Hier treten kreative Kräfte in Aktion, die nicht durch eine politische oder amtliche Beauftragung, sondern durch das eigene genuine Interesse am kreativen Prozess und an der gesellschaftlichen Veränderung mobil werden und einen starken Bezug zum sozialen Kontext aufweisen, da sie sich selbst als dessen kulturschöpferischen Teil sehen. Initiativen werden durch ihre Leichtmutigkeit, ihre Nähe zur Unmittelbarkeit und ihre Möglichkeit auf aktuelle Geschehnisse reagieren zu können, vom aleatorischen Moment bestimmt. Vielleicht sind solche Initiativen aber auch als Aufruf zu verstehen, sich in einer gut organisierten Welt individuell positionieren zu wollen. Wird die Prozessentwickelung einer Kulturinitiative näher betrachtet, so rückt die Tatsache in den Vordergrund, dass keine institutionalisierte Beauftragung, sondern der Gedanke Einzelner den nötigen Motor für die Machbarkeit eines Kollektivprojektes darstellt. Es erscheint somit bedeutsam, dass der Einzelne „mit“ und „im“ Kollektiven agiert und somit zum Ganzen wird. Ich möchte mit meinem Beitrag nicht den Anspruch von Ganzheitlichkeit in Bezug auf die Vollzähligkeit der dargestellten Initiativenlandschaft, wie in Bezug auf die einzelnen Initiativen selbst bei den Leserinnen und Lesern erwecken. Der Anspruch auf Ganzheitlichkeit erscheint prätentiös und unrealistisch, wenn man versuchen möchte, die Vielfalt an kulturellen Ausrichtungen und Angeboten textlich zu erfassen. Schon allein der schnelle Zeitrhythmus, unter welchem Initiativen entstehen oder sich wandeln, macht ein einheitliches Bild nicht möglich. Es wäre somit verfehlt, von einer universellen Darstellung zu sprechen. Es ist aber darauf geachtet worden, den Blick auf sehr repräsentative Projekte zu richten, um eine kohärente Darstellung der Tätigkeit der einzelnen Initiativen zu ermöglichen. Es entspricht auch der Absicht des Berichtes, unterschiedliche Positionen in Südtirol näher zu beleuchten, um ihre Differenzialität, durch die Wahl der Initiativen in verschiedensten Ortschaften, und die allgemeine Heterogenität in der Provinz erahnen zu lassen. Trotzdem wurde nicht der Versuch ausgespart mögliche Ähnlichkeiten oder Übereinstimmungen aufzuzeigen. Bestandsaufnahme eines uninstitutionalisierten kreativen Ausdrucks Bestandsaufnahme eines uninstitutionalisierten kreativen Ausdrucks 59 Bestandsaufnahme eines uninstitutionalisierten kreativen Ausdrucks 60 Durch die Recherchen und durch die Gespräche mit den Vertreterinnen und Vertretern der einzelnen Initiativen sind Analogien in Bezug auf Zeit und Raum erkennbar geworden. Die zeitliche Affinität besteht darin, dass keine der Initiativen eine Zeitstruktur in ihrem Aktivsein entwickelt hat. Die Möglichkeit des Agierens, sobald die nötige Motivation und Gelegenheit besteht, beinhaltet einen zufallsabhängigen Aspekt. Initiativen können als ephemere Konstrukte verstanden werden, die aber gleichzeitig eine zukunftweisende Dauerhaftigkeit beinhalten können, wenn sie durch den politischen wie gesellschaftlichen Konsens gefördert werden. Die Beständigkeit der Initiativen wird jedoch von manch äußeren Faktoren beengt. Zunehmende Bürokratisierung und Schwierigkeiten finanzieller Natur führen zu einer massiven Gefährdung einzelner Initiativen. Denn die Initiativen sind filigrane Konstrukte, deren Bestehen auch von diesen äußeren Faktoren abhängt. Auch in Hinsicht auf die Räumlichkeiten, die eben keiner strikten Vorgabe untergeordnet sind, sondern je nach Initiative und je nach Veranstaltung divergieren können, weisen die verschiedenen Initiativen Entsprechungen zueinander auf. Der Bezug zum Raum, ob er nun landschaftlicher oder urbaner Natur ist, ist bei den meisten Initiativen als wesentliches Moment, und somit normierend, vorhanden. Das Einbeziehen der Natur in die Aktivitäten der Initiativen der sogenannten „Peripherie“, und das Einbeziehen des städtischen Lebens in die Aktivitäten der Initiativen in den urbanen Zentren, verallgemeinert gesagt, das Einbeziehen des „Kontextes“, erscheint wesentlich. (Diese Einleitung wurde anhand der Texte, die durch die Gespräche mit den Vertretern der einzelnen Initiativen entstanden sind, erstellt.) Martina Oberprantacher Der Kulturverein Kunstmyst, mit Basislager in Steinhaus im Ahrntal, ist eine der ältesten hier behandelten Initiativen. Die ursprüngliche Kerngruppe bestand aus Josef Oberhollenzer, Paul und Fritz Feichter und Alois Steger. Sie ist aber bald zu einer größeren Organisation herangewachsen, da es Alois Steger durch seine Lehrtätigkeit an der Bildhauerschule im Ahrntal verstand, seine Schüler wie Abgänger als Kreis engagierter Personen um den anfänglichen Nukleus zu sammeln. Die Kunstmyst beim Bau des AnagamaVereinsmitgliedschaft war schon bald nicht Brennofens Foto: Alois Steger mehr auf das Ahrntal allein beschränkt, sondern wurde auf die Umgebung von Sterzing und Bruneck ausgedehnt. Das Bedürfnis, sich für die Kunst wie Kultur allgemein stark zu verpflichten, hat nicht nur freischaffende Künstler, sondern auch Menschen aus anderen Bereichen auf den Plan gerufen und es ermöglicht, die nötigen Motoren in Bewegung zu setzen, um die Initiative Kunstmyst entstehen zu lassen. Anfang der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde erstmals der Versuch unternommen, das Potenzial an kulturellem Vorhaben zu zentrieren, wobei sich die Zentrierung nicht auf die Ausrichtungen des Vorhabens übertragen ließ. Verschiedenste Bereiche wie die Literatur, das Theater, die Musik, die Bildende Kunst und alle weiteren angrenzenden Gebiete, wurden zu einem heterogenen Konglomerat und zu einem facettenreichen Gemisch von Kulturschaffenden zusammengeschlossen. Ähnlich Vielfältiges weist die Namensgebung auf: Kunstmyst kann man mit Mysterium in Verbindung bringen, oder es als solches verstehen. Es besitzt aber auch gleichzeitig eine starke Bezugnahme auf das Ländliche, „wo künstlicher Mist auf die Felder gesprüht wird, anstatt auf den natürlichen der Kühe zurückzugreifen“.1 Der dritte, aber nicht unwesentliche Punkt, ist auf eine umgangssprachliche Redewendung zurückzuführen: „Mist machen“ ist eng mit der Absicht verschränkt, neue Kräfte durch informelle Abläufe entstehen zu lassen. Der Name beinhaltet also ein Wechselspiel von Bedeutungen. Die Initiative Kunstmyst, die aus einem anderen Verein, dem Michael-PacherVerein, hervorging, ist seit 1994 als eigenständiger Verein organisiert und will sich ganz bewusst von allzu Traditionellem distanzieren. Es sollte ein neues, aktuelles Kulturleben aufleben, weshalb kein gewöhnliches Vereinshaus zum Vereinsgebäude ernannt, sondern die alte Volksschule in Steinhaus im Ahrntal als Veranstaltungsort gewählt wurde. Durch unermüdliches Engagement der Initiative wurde dieses architektonisch interessante Gebäude, vorher als Depot benützt und dem Abriss geweiht, zum Vereinssitz umgestaltet und als neues Kulturvorhaben konzipiert, und die Renovierung und Nutzung des Volksschule selbst zum Projekt erhoben. Das erklärte Ziel war es auch, den lange ungenützten Bau der Bevölkerung wieder zuzuführen. Daher wurde 1995 ein dreitägiges Eröffnungsfest organisiert, welches durch eine Theateraufführung, eine Lesung und eine Gemeinschaftsausstellung der Mitglieder gestaltet war. Die Initiative Kunstmyst verstand sich nie als politische Organisation, auch Kunstmyst Kunstmyst 61 Kunstmyst 62 wenn sich manchmal eine politische Färbung bemerkbar gemacht hat. Im Vordergrund war immer die Förderung eines Spektrums neuer kultureller Sprachen, wodurch die Initiative selbst zu einem offenen Forum neuer Perspektiven wurde. Diese für die Umgebung innovativen, fast schon subversiven Aktionen, bestanden in Theater im Freien, Musik im Bergstollen von Prettau oder in einem Klärwerk, sowie Lesungen in einer Kirche und an anderen unüblichen Orten. Dabei wurde der Versuch unternommen, sich mit der kulturellen Identität zu messen: der Blick wurde auf die eigenen Wurzeln und auf die lokalen Gegebenheiten gelenkt, und gleichzeitig in Dialog zu anderen, internationalen Gegebenheiten gesetzt. Da man nicht nur „lokal“ bleiben, sondern den Fokus gleichzeitig nach außen verlagern wollte, wurden Projekte in Deutschland wie Österreich realisiert, Künstlerinnen und Künstler aus anderen Ländern zu Veranstaltungen eingeladen und zu einem intensiven Austausch angeregt. Die eigene kulturelle Identität sollte durch Anregungen aus dem Ausland kritisch be- und durchleuchtet, aber gleichzeitig auch bewahrt werden. Diese Aktivitäten, die teilweise unter großem Aufwand entstanden sind, wurden dennoch in großer Zahl realisiert, wovon die Veranstaltungsdichte zeugt. In den ersten sieben bis acht Jahren war die Tätigkeit so intensiv, dass acht Veranstaltungen jährlich stattgefunden haben. Im Jahr 1998 wurde das Projekt „Symphonic Art. Ton • Text • Bild“ präsentiert. Als Veranstaltungsorte wurden die öffentlich nicht-zugängliche Kirche in St. Martin – die Urkirche St. Johann – die selbst zum kulturellen Erlebnis und Ereignis wurde, und die alte Volksschule in Steinhaus gewählt, während ein Container zum Konzerthaus umfunktioniert worden ist. Von den sechs teilnehmenden KünstlerInnen waren drei vereinsintern. Es wurden Installationen und Objekte gestaltet, welche von Lesungen und Musik inspiriert wurden. Die Künstler konnten die Texte, welche von den Literaten zur Verfügung gestellt worden sind, zur Gestaltung frei wählen, woraus öfters eine Zusammenarbeit zwischen Künstler und Literat erwachsen ist, wie bei Alois Steger und Josef Oberhollenzer. Durch die Kooperation verschiedener Autoren und Künstler haben sich ein synergetischer Fluss und eine Fusion der verschiedenen Kulturbereiche ergeben. Noch im Jahr 1998 begann die Generalsanierung der Volksschule, welche eine Aussiedelung der Initiative und gleichzeitige örtliche Verlagerung der Tätigkeiten provozierte. Die Aktivitäten fanden nun in der Landschaft statt: entweder an Orten, die eine starke geschichtliche Assoziation oder eine starke energetische Spannung evozierten und etwas Neues beinhalteten. Durch die Präsenz der KünstlerInnen und ihr, manchmal temporäres, Hinterlassen von Spuren in der Landschaft, wiesen diese Projekte einen Bezug zur land art auf. Mit dem Jahr 1999 wurde die Tätigkeit „Gletscherblut II“ im Schwarzenstein-Gebirge aufgenommen. Die 13 aus Deutschland, Österreich und Italien stammenden KünstlerInnen, wie Josef Baier, Robert Engl, Paul und Friedrich Sebastian Feichter, Wilma Kammerer, Saskia Seidl und Alois Steger, um nur einige zu nennen, verbrachten mehrere Tage auf 3368 m Höhe und mussten sich in einer Situation zurechtfinden, die physischen wie geistigen Einsatz abverlangte. Die oft unter härtesten Bedingungen gemachten Grenzerfahrungen, flossen unmittelbar in die Werkprozesse ein. „Kunst in der Natur, Kunst mit der Natur und Kunst durch die Natur.“2 Als wesentlich erschien den KünstlerInnen, dass die eingesetzten Materialien wie Eis, Stein, Schnee, Pigment, Sand und Stahl, abbaufähig oder umgebungstauglich waren und sich somit in die vorgegebene Landschaft integrierten. Im selben Jahr wurde das erste Projekt der dreiteiligen „Anagama“- Serie, Kunstmyst nach einer Idee von Peter Chiusole konzipiert, ins Leben gerufen. Anagama ist die japanische Bezeichnung für einen liegenden Einkammerofen für das Brennen von Tonprodukten. Die Wurzeln dieses Ofens liegen in Japan, China und Korea. Durch die Verwirklichung eines Brennofens nach koreanischem Vorbild wurde der Kontakt zu Korea gesucht und ein Koreaner als Berater eingeladen. Die Absicht, einen Brennofen selbst zu errichten, bedeutete nicht nur einen enormen Zeit- und Kraftaufwand durch den physischen Schaffensprozess, sondern auch eine große technische Fertigkeit, da zunächst die Baufläche ausgehoben, dann die Innenwand aus Holz gezimmert und zum Schluss die Außenverschalung aus Stein und Lehm daraufgemauert werden musste. Der Ofen war zirka fünf Meter lang, 1,40 m hoch und 1, 50 m breit und war in Stufenform aufsteigend in einen Hang eingelassen, damit die Hitze vom vorderen Schürraum zur hinteren Flammenaustrittsöffnung sich ziemlich konstant verbreiten konnte. Es folgte das Ausbrennen der Holzwand, das Füllen des Ofens mit Tonprodukten und zum Schluss das In-Brand-setzen. Die ideale Brenntemperatur für Ton verlangte eine kontinuierliche Erhöhung der Hitze und somit ein konstantes Schüren und Überwachen der Feuerquelle. Dies konnte nur durch eine kollektive Zusammenarbeit geschehen. Nach Heinrich Schwazer stellt das eine „gemeinsame Kraft-Kunst“ dar.3 Das Anpassen an das vorgefundene Gelände und das Miteinbeziehen von Zeit ließen eine poetische Landschaftsinstallation mit chronistischer Konzeption entstehen. Die Forschung, die der Realisierung des Projektes vorherging, wurde wie eine ethnologische Studie geführt, welche Lokalbewusstsein forderte und förderte, und einen aktuellen ästhetischen Genuss zu evozieren imstande war. Der aktive Eingriff in die Natur des Schwarzenbachtals, um Kunstwerke aus gebranntem Ton zu schaffen, wurde selbst zur Kunst erhoben. Wer als Betrachter anwesend war, war in den Dialog zwischen Gelände und Akteure eingebunden, wer nicht, konnte den Schaffensprozess anhand fotografischer und filmischer Dokumente nachvollziehen. Film und Fotografie als Dokument, erhielten nicht nur eine Bedeutung als Relikt, sondern bekamen einen Eigenwert. 1 Alois Steger im Gespräch mit der Autorin. 2 Ohne Autorenangaben, „Gletscher(blut) gibt es in keiner Galerie dieser Welt“, in: Kunstmyst (Hg.), Gletscherblut II, Brixen 2002, S. 6. 3 Heinrich Schwazer, Glühende Aura, in: Kunstmyst (Hg.), Anagama. Schwarzenbach/Ahrntal, Bruneck 1999, S. 11. Martina Oberprantacher 63 Der Rosengarten wird überschätzt 64 Der Rosengarten wird überschätzt Die Gründung dieser Initiative, deren Namensgebung aus einem Ausstellungstitel hervorgeht, stellt eine der neuesten in der Südtiroler Kulturwelt dar, genauso sind deren VertreterInnen mit ihren 24 bis 25 Jahren die altersmäßig jüngsten. Marion Oberhofer, Leander Schwazer, beide aus Südtirol, und Paul Darius aus Deutschland, lassen in ihrer Gemeinschaftlichkeit Designpraxis, Kunsttheorie und Bildende Kunst miteinander verfließen. Ist man, in institutionellen Bereichen, allzu oft damit beschäftigt gewesen, Der Rosengarten wird überschätzt: großformatige Projekte zu begründen und Ausstellung in der Werkform schon Bekanntem Ausdruck zu verleihen, so Foto: Hannes Ochsenreiter war es gerade diese Nachlässigkeit der Förderung junger aktueller Kunst, welche die drei Initiatoren 2007 zu einer Kooperation zusammenfinden ließ. Die Initiative hat sich, entgegen manch älterer Pioniere, zum NichtVerein erklärt und dies gleichzeitig zum Prinzip gemacht. Die Idee einer Vereinsbildung widersprach den drei InitiatorInnen deshalb, weil sie sich keinem zu klar strukturierten System unterordnen wollten, ist doch die Vereinsstruktur gerade in Südtirol sehr stark präsent. In Anbetracht dessen, kann man diese Initiative auch als subversiven Akt verstehen, der sich gegen eine konformistische Gesellschaftsstruktur richtet. Die entgegen eines Vereinzusammenschlusses einhergehende Freiheit ist ein zentrales Anliegen der drei InitiatorInnen und formuliert gleichzeitig den Wunsch nach der weiteren Förderung freier Organisationen aus, um das lokale Potenzial unabhängiger Kräfte zu motivieren. Ein wichtiger Partner der jungen Initiative war der Südtiroler Künstlerbund, welcher die Schirmherrschaft für die bisher einzige Ausstellung übernommen hat. Genauso sorgfältig durchdacht, ja fast schon als Programm, erscheint die unkonventionelle Namensgebung der Initiative. Als sich die drei BegründerInnen Oberhofer, Schwazer und Darius bemühten, geeignete Räumlichkeiten für die geplante Ausstellung zu erkunden, geschah das in der Absicht, sich dem institutionalisierten Rahmen zu entziehen. Es wurde eine größere Räumlichkeit in der Rosengartenstraße in Bozen gefunden, die Nutzung des Raumes fand aber bald anderweitige Bestimmung und die drei InitiatorInnen nahmen diese Gelegenheit zum Anlass, aus der Not eine Tugend zu machen. Der Titel, der 2007 gezeigten Ausstellung und gleichnamigen Initiative, „Der Rosengarten wird überschätzt“ spielt nicht nur auf die Anfangsschwierigkeiten an, geeignete Räumlichkeiten zu finden, sondern geht gleichzeitig auf den Mythos einer lokalen Bergkette ein, welche ihr eigenes Heldenepos besitzt und deren verklärte Mythisierung durch Nationalisten und Tourismus stark gefördert worden ist. Auf der anderen Seite stellt der Titel die Absicht nach der Verkörperung von Anknüpfungspunkten individueller künstlerischer Positionen in einem Berg dar, in welchem sich Wünsche, Ahnungen und Schicksale verdichten (Textpassage auf der Internetseite „www.rosengarten-artspace.com“). Er greift auch gleichzeitig auf eine Aktion von Joseph Beuys aus dem Jahr 1964 zurück, die den Titel Martina Oberprantacher Der Rosengarten wird überschätzt „Das Schweigen von Marcel Duchamp wird überbewertet“ trug und Beuys Missbilligung gegenüber Duchamps musealen Dogmatismus artikulierte. Das ironische Moment in der Titelgebung ist nicht zu übersehen. Die an der Ausstellung teilnehmenden 27 Künstlerinnen und Künstler, wie Paul Darius, Helena Dietrich, Tomas Eller, Maria Gamper und Florian German, um nur einige zu nennen, kamen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol. Manche kamen aus unmittelbarer Umgebung der drei InitiatorInnen, andere wurden extra zur Schau geladen. Sie verkörperten junge künstlerische Positionen, die sich mit der Befragung der eigenen Gegenwärtigkeit beschäftigten. Im Mittelpunkt der künstlerischen Recherchen standen somit nicht die Antworten der KünstlerInnen, sondern ihre Fragen zu zeitgenössischen Kunst- und Wahrnehmungskonzepten in Installationen, Skulpturen, Videoarbeiten, Dokumentarfilmen und Performances. Zwei Wochen gestalteten sich die Räumlichkeiten der ehemaligen Fa. „Werkform“ in der Andreas-Hoferstraße in Bozen gleichermaßen zum Zentrum und zur Peripherie, zum Alltag und zum Ausnahmezustand. (Auf der Internetseite „www.rosengarten-artspace.com“ genauer nachzulesen.) 65 Die Rosschaukel 66 Die Rosschaukel Die Rosschaukel ist vor ungefähr 20 Jahren durch ein persönliches Anliegen und Engagement von Guido Moser entstanden. Als Moser nach seinem Auslandsaufenthalt nach Südtirol zurückgekehrt war, empfand er das Verlangen, die vorhandenen Lücken im Kulturangebot aufzufüllen. Er wollte sich mit dem Vorgefundenem nicht abfinden, sondern eigene Kulturakzente setzen. Räumlichkeiten standen zur Verfügung und fungierten teilweise als Atelier für einheimische wie ausländische KünstlerInnen. Nun konnte das Ziel verfolgt werden, auf dem Land einen alternativen, nicht-traditionellen Im Zentrum des Theaterstücks „Maske und das Menschen BehindeAbbildung 3: Im Buch“ Zentrum desstanden Theaterstücks „Maske und das Buch“mit standen Menschen mit Behinderung. Es ging dabei um die Lust, sich nicht anzupassen. Kulturstrang zu entwickeln und diesen durch rung. gingin:dabei um die Lust, sich(CD-Rom) nicht Quelle: „Maske undEs das Buch“, Guido Moser, Randsteine personzentriert anzupassen. das Wechselspiel von eigener Identität und Quelle: „Maske und das Buch“, in: Guido Moser, Randsteine personzentriert (CD-Rom) Internationalität konstant wachsen zu lassen. Denn die Verwirklichung des Anliegens war nicht nur auf das Lokale, sondern auch auf das Internationale ausgerichtet. Bestimmend hierfür ist auch die geografische Lage: der Vinschgau, genauer gesagt Stilfs/Stilfser Brücke, bildet eine Achse im Länderdreieck Italien/Österreich/Schweiz. Die Rosschaukel sieht sich selbst als Förderung „Filigraner Mikrostrukturen“1, die durch die Notwendigkeit einzelner Kulturschaffender eigene Wege zu gehen, entstanden ist. Man kann die verschiedenen Aktionen und Aktivitäten der Rosschaukel nicht unbedingt politisch verstehen, wie zum Beispiel im Sinne der 68er Bewegung, sondern in erster Linie gesellschaftsorientiert. Der Verein nimmt sich als unorthodoxes, unkonventionelles und destabilisierendes Schaffen eines neuen Raumes wahr. Die ungewöhnlichen Kulturräume werden unter anderem für Workshops genützt. Durch die Zusammenarbeit mit Urania, Jugendring und weiteren Verbänden wird versucht, kulturelle Freiräume zu bilden und zu erhalten. Die Projektkonzeption weist von Anfang an eine Vielfältigkeit auf, die sich daran erkennen lässt, dass sich die Aktivitäten nicht örtlich beschränken lassen, genauso wenig wie die Ausrichtung auf die Mitwirkenden und das Publikum, welches sich aus „Standard“-Bürgern, sozial Schwachen, Behinderten, Uniprofessoren, documenta-KünstlerInnen, Kindern und vielen mehr zusammensetzt. Genau diese Vielschichtigkeit bei den Mitwirkenden wie dem Publikum, spiegelt sich in der Vermischung von verschiedenen Kulturbereichen, Sozialem und Lebensraum wider. Eine zentrale Bedeutung im Verein erhält das Mitmachen und Mitgestalten aller, die interessiert sind. Auch wenn sich DorfbewohnerInnen nicht aktiv an einer Aktion beteiligen, so sind sie doch in das Vorhaben indirekt eingebunden, da die Nachricht und Informationen zur Aktion im Dorf zirkulieren und ihre Neugierde dadurch geweckt wird. So tretet das Agieren des Vereins in das gesellschaftliche Leben und ist nicht etwas hermetisch Abgeriegeltes. Der soziale Gedanke spielt daher eine große Rolle. Das Leitprinzip ist das Zusammentreffen des Einzelnen, der eine Aktivität initiiert, mit dem „Anderen“2. Das bedeutet, dass sich zum Beispiel durch die Zusammenarbeit zwischen einem nichtbehinderten Künstler und einem behinderten Künstler bei Kunst- und Theaterprojekten eine Symbiose bilden kann, in der sich die Behinderung auflöst. Diese künstlerische Die Rosschaukel Zusammenarbeit zwischen Menschen mit und ohne Behinderung erfordert nach Guido Moser „eine Verschiebung herkömmlicher Sichtweisen, ein hohes Maß an Flexibilität und das Aufgeben althergebrachter Herangehensweisen. Anderes Zeitempfinden und Umgehen mit künstlerischen Prozessen sind nur einige Aspekte, die Nichtbehinderte von Behinderten lernen müssen.“3 Sascha Plangger ist der Überzeugung, dass das Ausgrenzen des Anderen (damit gemeint wäre die Behinderung), mit der Ästhetik einhergeht, die die Pluralität und Heterogenität einschränkt und alle fremden Formen zum Erliegen bringt.4 „Eine normierte Ästhetik der Körper, ein homogener Gesellschaftskörper, der sich gleich verhält, bewegt und denkt, steht am Ende dieser Entwicklung, die auch die unsere ist.“5 Und genau daran knüpfen die Theater- und Kunstaktionen, wie zu, Beispiel „Die Künstler – [email protected] + Bretter“ an, denn diese Kunst „arbeitet an der Überschreitung des Sinnhaften, am Bruch mit dem Ästhetischen, am Übergang zur komplexen Doppelbewegung von Ästhetik und Anästhetik“.6 Die Aktionen von Rosschaukel lassen sich also in keine Schranken verweisen, sondern bedeuten vielmehr eine Aufhebung von konventionellen Grenzen. Die Theaterkonzeption ist offen ausgerichtet, um den Menschen mit Behinderung viel Platz für Improvisationen zu bieten, denn erst dann können ihre künstlerischen Fähigkeiten zur Geltung kommen. Die Handlung eines Theaterstücks besteht zumeist aus einem „Gerüst“, welches vielen „Figuren“ Platz gibt und auch veränderbar ist. Werden besondere Fähigkeiten entdeckt, können sie jederzeit in das Stück eingebaut werden.7 Die Bewegungs- und Musiktheater werden auch ohne festgelegte Texte, offen für eine „freie“ Sprache, konzipiert. Sie stellen somit ein offenes Theater mit dadaistischen Zügen dar, beinhalteten aber gleichzeitig auch didaktische Züge, da es in erster Linie um eine aktive Einbindung aller beteiligten Personen und des Publikums geht. Dass die Aktivität der Rosschaukel eng mit einer didaktischen Konzeption verschränkt ist, kann in Zusammenhang mit der für die Initiative zentralen Figur des Kaspar Hausers gelesen werden, welche durch ihre begrenzte Sprachbeherrschung der Sprache gleichzeitig eine neue Bedeutungsebene und Sprachbildung verschafft. Die Namensbildung der Initiative steht genau in dieser Tradition. Mit dem Wort „Ross“ kann vieles ausgedrückt werden. Ohne geeigneten Schlüssel versteht man aber nichts, kann nur eigene Deutungsversuche und Entdeckungen wagen, die der Begegnung mit der Kultur ähnlich sind. In Zusammenhang mit einer kindähnlichen Figur, wie sie Kaspar Hauser war, steht die Schaukel, die für Schwerelosigkeit und Luftigkeit steht. Das persönliche Empfinden und Denken erscheint der Initiative immer als Leitmotiv. Hierbei tretet das Persönliche in Dialektik mit dem Allgemeinen, wie bei Carl Ransom Rogers, der die Basis im Streben des Menschen nach Selbstverwirklichung und Selbstaktualisierung sieht und von personzentrierter Arbeit spricht. Durch das Persönliche werden andere animiert, sich selbst zu öffnen. Das Persönliche, und somit die subjektive und individuelle Welt eines Künstlers, soll mit der Gesellschaft kurzgeschlossen und in die allgemeine Welt integriert werden, so dass das Individuelle des Subjekts mit dem Kollektiven zusammenfließt. „Thermochemie: Der Ziegenhirte in der Zone“, als Freilichttheater 2007 konzipiert, beschäftigte sich mit der Gegensätzlichkeit von stetiger globaler Erhitzung und konstanter menschlicher Abkühlung. Die globale Situation der Klimaerwärmung nimmt einen immer größeren Stellenwert im internationalen Medieninteresse ein, erlangt aber gleichzeitig ein persönliches Verständnis, da jeder Einzelne davon betroffen ist. Diese Thematik wurde mit dem 67 Die Rosschaukel persönlichen Schicksal von Maestro Francesco Valdambrini und seiner persönlichen Suche nach neuer Musik in Vergleich gesetzt.8 Hier wurden das Allgemeine zum Persönlichsten und das Persönlichste zum Allgemeinen. Durch das persönliche Wirken eines Einzelnen, das sich nicht hinter der Initiative versteckt, sondern im kollektiven Gedanken mündet, wird dieses auch politisch wichtig und das Individuelle im Verhältnis zum Anderen zum Politikum. Dabei haben die Aktionen keinen Missionsauftrag oder besitzen keine moralisierende Wirkung, sondern sollen einen Freiraum schaffen, in dem sich Menschen entwickeln und in Dialog mit anderen treten können. Der Einzelne aktualisiert sich dann durch die Bezugnahme zur Gruppe. Wenn sich der Mensch verstanden und akzeptiert fühlt, befindet er sich nach Guido Moser in einem maximalen Raum, wo man im Englischen auch von Zone sprechen könnte.9 Dem Prozess fällt hierbei eine große Bedeutung zu, denn der Prozess wird zum Ziel. Das Bewusstsein, die Einsicht und das Verstehen werden zur eigentlichen Arbeit, zum eigentlichen pädagogischen Akt, und dieser Ansatz wirkt dann künstlerisch. Der Prozess selbst wird aber meist erst im Nachhinein nachvollziehbar, so zum Beispiel durch das Sammeln oder Zurücklassen der Relikte verschiedener Aktionen, die vom Handgemachten und Hantieren berichten. Bei der Aktion „Hangsicherung bei Regen“ wurde ein Hang mit Gegenständen der Kulturgeschichte gesichert. Die Aktion stellte durch das Zusammenspiel von Festem und der Bewegung die Reflexion des Leitprinzips der Initiative dar. Der Verein erfindet sich selbst immer wieder neu, bewegt sich in einem stetigen Prozess und hält als einzige Konstante nur den Organisationscharakter bei. 1 Guido Moser im Gespräch mit der Autorin 2 ebd. 3 Guido Moser, Die Künstler – [email protected] + Bretter. Eine bewegte Theaterinstallation zwischen Bologna – Stilfser Brücke und Bruneck (2000 – 2001). Der Aufsatz befindet sich im Katalogtext zum Theater: „Die Künstler – [email protected] + Bretter“, ohne nähere Angaben, S. 1. 4 Sascha Plangger, Die Ästhetik des Anderen, in: op. cit., S. 4. 5 ebd., S. 5. 6 ebd., S. 6. 7 Helle Petersen, Wie arbeiten unsere Kollegen. Die Entwicklung eines Theaters mit Menschen mit Behinderung, in: op. cit., S. 12. 8 Die bei diesem Freilichttheater beteiligten MusikerInnen und KomponistInnen waren Daniel Oberegger und Manuela Kerer. 9 Guido Moser im Gespräch mit der Autorin Martina Oberprantacher 68 Mit den Worten: „vissi d’arte singt Puccinis Tosca, sie schnappt nach Luft und holt tief Atem. Da, in der Passerstadt leben die Künste! Zahlreiche Künstlerinnen und Künstler, Kulturschaffende und kreative Köpfe finden sich auf den vissidarteSeiten wieder. Wie ein Spinnennetz verlaufen die Kunstwelt-Fäden, auch über Meran hinaus. Die zweisprachige Kulturzeitschrift ist wieder da, um dies sichtbar zu machen. Der Blick fängt Zugvögel ein, hält Ausschau nach Festhaltenswertem“, erklärt vissidarte den eigenen Namen und das eigene Konzept. 2005 wurde durch Harry Reich der erste Anstoß zur Realisierung einer Zeitschrift zum kulturellem Leben und Treiben in Meran und anderswo, gegeben und von ihm und dem vissidarte-Team, mit Unterstützung des Ost West Club als Träger, vorangetrieben. vissidarte versteht sich als Bestandsaufnahme des künstlerischen Wirkens und hat im Jahr 2006 die Zweidimensionalität des Papiers überschritten und das 1. Internationale Kunst- und Performance-Festival in Meran, Das Umschlagscover der Zeitschrift vissidarte unter der Leitung von Fabrizio Boggiano, ins (2006) Foto: vissidarte Leben gerufen. 43 KünstlerInnen aus dem Bereich der Fotografie, Malerei, Bildhauerei, Installation, Film, Performance und Musik „streiften wie per Anhalter durch die Galerien, Ateliers, Schaufenster, Tunnel und Wohnungen“.1 In ihrer Aktivität befolgt die Initiative vissidarte. Kunst und Leben an der Passer/ opere e giorni a Merano ganz bewusst keinen zeitlichen oder räumlichen Rahmen, sondern gibt sich einem aleatorischen Moment hin, der das Agieren der Initiativen bestimmt. Es geht um das Aufzeigen und um das Sichtbarmachen von aktuellem kulturellem Leben, so wie es uns im Kleinen und Verborgenen begegnet. Das erklärte Ziel von vissidarte ist es nicht, eine kuratoriale Funktion zu übernehmen, sondern vielmehr dem nicht-bekannten, kuriosen und vielschichtigen Streben nach Kreativität, eine Visibilität zu verleihen. vissidarte versteht sich auch nicht als Rezension, sondern will BetrachterInnen oder LeserInnen die Gelegenheit der eigenen, persönlichen Auseinandersetzung mit Kultur geben und das Schärfen des Blickes ermöglichen. Die dadurch entstandene Entscheidungs- und Interpretationsfreiheit wird durch einen offenen Kunstbegriff, wie er von Umberto Eco 1962 entwickelt worden ist, verkörpert. Nach Eco heißt es, dass das „offene Kunstwerk“ als eine grundsätzlich mehrdeutige Botschaft gilt, als Mehrheit von Signifikaten (Bedeutungen), die in einem einzigen Signifikanten (Bedeutungsträger) enthalten sind.2 Der darauf folgende Schritt bedeutet die Kultur aktiv vissidarte vissidarte mitzugestalten, anstatt sie bloß zu absorbieren, sich also als präsenten Teil dessen zu verstehen. Die Reaktionen der Betrachtenden sind wichtig, denn sie bestätigen das Vorhandensein von Aktivität. Ob sie positiver oder negativer Natur sind, ist egal. Vieles erwächst aus dieser Unmittelbarkeit von Aktion und BetrachterInnen, welche eine Eigendynamik und eine eigene Entwicklung fördert. 1 Sonja Steger, vissidarte. The hitchhiker’s guide to the gallery, Bozen 2006, o. S. 2 Umberto Eco, Das offene Kunstwerk, Frankfurt am Main 1977, S. 8. Martina Oberprantacher 69 LURX LURX Die Initiative LURX ist eng mit dem Brenner als Grenze, Grenzübergang und Grenzgang verbunden, denn die intensive Beschäftigung mit dem Brenner, den man durchaus auch als Synonym für „den Raum“, „den Treffpunkt“ der Initiative verstehen kann, machte erst den Bedarf nach einer organisatorischen Struktur, und somit nach einem Verein, spürbar. LURX, als Träger zur Realisierung und Organisation verschiedener Projekte gegründet, wurde ab 1999 von Peter Kaser, Präsident und Motor des Vereins, Luis Pardeller, Carla Schorn, Karl Volgger und Christoph Hofer betrieben. Der Name selbst Projekt „Fungo + ACI“ (2007). Installation von Peter Kaser, mit Uraufführung von Manuela wurde während einer Vollversammlung der Kerer. Foto: Josef Farnik Vereinsmitglieder gefunden, als nach einem kurzen und prägnanten Namen gesucht worden ist. Er ist auf einen Weiler, der von E-Werk, alter Zollstation und Kapelle geprägt wird und zwischen Sterzing und Gossensaß liegt, zurückzuführen. Der Gründung selbst geht eine Vorgeschichte von Projekten voraus, die in die späteren Projekte des Vereins einfließen, und deren Charakter der „Feldarbeit“1 allseits erhalten geblieben ist. 1997 entstand das Projekt „treffpunkt niemandsland“, das von Hans Winkler und Stefan Micheel, alias p.t.t.red, initiiert wurde. In diesem Zusammenhang sind nicht nur zahlreiche Kunstaktionen verschiedenster KünstlerInnen aus aller Welt entstanden, die die Frage nach dem Grenz-Ort Brenner thematisiert haben, sondern auch eine „Einsiedlerbibliothek“. Dabei renovierten die beiden Künstler eine kleine verlassene Holzhütte auf über 2000 m Meereshöhe und gestalteten sie in eine behausbare Bibliothek um, welche von 1997 bis 2001 der Benützung frei zugänglich war.2 Die Bibliothek wurde zur Herberge ausgewählter Buchvorschläge von SchriftstellerInnen, PhilosophInnen und WissenschaftlerInnen. Der Brenner ist eine Ortschaft mit symbolischem Gehalt, weil er „einen der wichtigsten Übergänge in den Alpen mit sehr bewegter Geschichte darstellt. Der Brenner bezeichnet seit 1919 die Grenze zwischen Österreich und Italien, an ihm manifestiert sich anhand der dort befindlichen Gebäude samt Grenzarchitektur der gesamte Wandel unseres letzten Jahrhunderts, vom Aufbau der so streng bewachten Grenze bis hin zu deren Verschwinden im Zuge des Schengen-Abkommens im Jahre 1998 sowie die darauf folgende und bis heute fortschreitende Kommerzialisierung des Dorfes.“3 70 Es mag eben kein Zufall sein, dass sich das Brenner-Projekt genau in diesem „zeitlichen Intervall zwischen der Entfunktionalisierung der Grenze durch das Schengen-Abkommen 1998 und ihrer neuerlichen Hochrüstung als OutletCenter“4, und somit in einer bewegungsarmen „Grenz“situation, entwickelt hat. Dass „scalini 84 stufen“ gerade in jenem Moment der Zwischenphase des Brenners aktiviert wurde, ist im kohärenten Verhältnis zum Verschwinden des Brenners, und somit des Werkes selbst, zu sehen. Das Projekt fand im Jahr 2000 seinen Anfang und 2007 sein Ende. Ein Ende wurde dem Projekt deshalb gesetzt, weil die „Kunst, die verschwindet“5 und das Verschwinden an sich, ein wichtiger Aspekt der Arbeit selbst sind. Die Konstante dieses Dorfes (und somit auch des Werkes)6 ist der Wandel (der auch das Verschwinden beinhaltet7), denn an LURX Orten wie dem Brenner kann man erkennen, wie sich die Welt verändert.8 Der Brenner, mit seinen 56 Bunkern und dazugehörigen Stufen, Kasematten und anderen militärischen Infrastrukturen auf einer Strecke von 12 km im Bereich der Gemeinde Brenner, wurde zum erklärten Untersuchungsfeld von LURX und vielen geladenen Künstlern sowie Kulturschaffenden. Der ehemalige Grenzposten wie die Ortschaft Brenner erfuhren nicht nur eine starke analytische und kritische Auseinandersetzung und „eine rückführende Aufarbeitung von Geschichte“9, sondern in der Form des Gebrauchsobjektes und -raumes nicht alltäglicher, aber sehr symbolischer Natur, eine Eingliederung in die Kunstwelt. Der Brenner wurde als Relikt der Kriegs- und Grenzsituation seiner ursprünglichen Zweckbestimmung enthoben, zum Kunstort erklärt10 und gleichzeitig zum Umschlagplatz verschiedener Kunstwerke und Kunstaktionen umfunktioniert. Ausgangspunkt war eine Treppe im Wald, die zu einem Bunker führte. Um den Kunstort als Kunstwerk in Bewegung zu bringen, wurden in sieben Jahren KünstlerInnen, SchriftstellerInnen und MusikerInnen eingeladen, eine Intervention vor Ort zu realisieren. Jede der Interventionen durfte den Ort als solchen nicht verändern, sondern war als Weiterentwicklung gedacht.11 Aus einer militärischen Einrichtung entstand somit das Kunstwerk „scalini 84 stufen“, welches als „work in progress“ einer ständigen Reifung ausgesetzt war. Auf die Brennerfrage wurde in den diversen Gastprojekten im Rahmen des Werkes in vielschichtiger künstlerischer Weise eingegangen. Zentral war die Beschäftigung mit der Thematik der Vermittlung und Trennung, der Orientierung und der Ausrichtung. Das Werk „Fluchtpunkt Brenner“ der Künstler Christian Yeti Beirer und Thomas Schafferer legte den Ort als Projektion und als Ausgangspunkt von Sehnsüchten dar. In „voglio vedere il mare“ vollzog Tomaso Boniolo selbst die kreisläufigen Bewegungen des Reisens und in „Anschluss – coincidenza“ von Franz Pichler wurde der Brenner der verbindende Raum zwischen zwei Orten, und wie man den Titel deuten kann, zwischen zwei Sprachen.12 Hans Winkler geht in seinem Aufsatz „Das Verschwinden als Kunstform“13 ganz konkret auf das Ende von Kunst und das jähe Verschwinden des Stufenprojektes ein. Er beruft sich hierbei auf den Dada-Poeten Arthur Cravan, der das Verschwinden zur höchsten Kunstform erklärte. Daher ist es auch nur kohärent, die „scalini von den Kunstobjekten zu befreien. Durch diesen Entzug wird für den Ort ein Freiraum, eine (kreative) Leerstelle geschaffen, die das ursprüngliche Konzept des Kunstortes – ohne künstlerische Eingriffe – wieder einfordert. Die Gastspiele der geladenen Künstler, Musiker und Schriftsteller bleiben als Kommentare, Interventionsideen oder als Geschichten übrig und vereinigen sich zu einer Hommage für den Ort“14. 1 Peter Kaser im Gespräch mit der Autorin 2 Sabine Gamper, Vom Pflanzen eines Kunst-ortes, in: Lurx (Hg.), scalini 84 stufen., Wien/Bozen 2007, S. 12. 3 Peter Kaser, Einen Ort finden und wider erfinden, in: ebd., S. 4. 4 Hans Heiss, Am Ende der scalini 84 stufen, in: ebd., S. 34. 5 Peter Kaser im Gespräch mit der Autorin 6 Anmerkung der Verfasserin 7 ebd. 8 Peter Kaser, Einen Ort finden und wider erfinden, in: Lurx (Hg.), op. cit., Wien/Bozen 2007, S. 4. 9 ebd., S. 4. 10 ebd., S. 3. 11 Genauer nachzulesen unter: ebd., S. 3. 12 Genauer nachzulesen unter: Sabine Gamper, Vom Pflanzen eines Kunst-ortes, in: ebd., S. 12ff. 13 Hans Winkler, Das Verschwinden als Kunstform, in: ebd., S. 23-25. 14 ebd., S. 23. Martina Oberprantacher 71 gokart 72 gokart gokart ist ein Zusammenschluss in Vereinsform von acht Personen,1 allesamt im Kulturbereich professionell tätig – im Verein aber ehrenamtlich eingebunden – mit Walter Pardeller als Präsidenten. gokart ist seit dem Jahre 2001 aktiv und definiert sich selbst als eine „Werkstatt für künstlerische Ideen und Interventionen“, mit dem Nebensatz „projektorientiert, unbürokratisch, dezentral und unabhängig“.2 Unter diesem Aspekt lässt sich auch die Namensgebung erklären: gokart leitet sich von dem kleinen flinken Vehikel ab, das allzeit und überall präsent sein kann. Im gleichen Verhältnis versteht sich die Initiative selbst: flexibel Dosen von Roman Signer Foto: gokart und ortsungebunden, jederzeit bereit, auf eine vorhandene Situation angemessen zu reagieren. Zudem setzt sich der Name aus bedeutungsvollen Wörtern zusammen: go, das englische Wort für gehen und aktiv-sein – k, für Kunst – und art, das englische Wort für Kunst. „Fest Kunst“, das im Jahr 2002 als erstes Projekt von gokart initiiert wurde, verkörperte in der Tat alles, was die Initiative selbst auszeichnet. Es war ein Projekt, welches auf eine Gegebenheit, in diesem Fall auf das Brixner Altstadtfest, nicht nur einging, sondern diese Konstellation des Feierns, SichTreffens, die eigene Stadt zum Schauplatz-werden-lassens, analysiert und mit ihr interagiert hat. Es ist nämlich das erklärte Ziel der gokart-Mitglieder die Lebensformen, oft ganz unkonventionelle, wie hier die Festkultur, zu erforschen. Dabei setzen sie ihr Interesse am künstlerischen Produktionsanlass durch die Projektrealisierung aktiv um.3 Als wesentlich erscheint es auch, nicht nur die Projekte selbst aus einem gegebenen Kontext erwachsen zu lassen und darauf zu reagieren, sondern sie in einem kunsthistorischen und wissenschaftlichen Diskurs einzubetten. Ganz konkret verkörpert wurde der Gedanke der wissenschaftlichen Einbettung durch das Projekt „Biophile Teestunde“, in dem die Frage aufgegriffen wurde, wie es um die Würde des Menschen steht. Dieser Biophilen Teestunde geht ein historisches Ereignis voraus. 1486 lud Giovanni Pico della Mirandola die Gelehrten der Welt und seiner Zeit nach Rom um eine „disputatio“ über die 900 für die damalige Zeit brisanten Themen zu führen. 2003 lud gokart nach Brixen in das Pharmaziemuseum. Hier fand die einstige Idee von Pico della Mirandola eine aktualisierte Umsetzung durch ein informelles und interdisziplinäres Brainstorming. Der Innsbrucker Künstler und Medientheoretiker Thomas Feuerstein fungierte als Moderator, zur Diskussionsbeteiligung eingeladen waren Vertreter und Vertreterinnen aus Wissenschaft, Kunst, Kultur und Politik aus Südtirol. Überhaupt stellt das „Einladen“, das Integrieren und das Interagieren, eine zentrale Idee von gokart dar. Das entspricht dem Vereinsziel, sich mit Kunst in die verschiedenartigsten gesellschaftlichen Strukturen einzumischen und transversale/interdisziplinäre Diskurse in Gang zu bringen, wie man auf der Homepage der Initiative nachlesen kann. Die Wahl des Ortes, das Pharmaziemuseum als Schnittstelle zwischen Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften, zwischen Neuem und Alten, hing mit dem Thema zusammen. Mit diesem Projekt hat es gokart nicht nur geschafft, eine aktuelle Veranstaltung in einen historischen Kontext einzugliedern, sondern auch in einen gokart räumlichen, und hat somit das eigene Konzept kohärent verfolgt. Im Projekt „Fiat Mensa“ (2004) wurde im ehemaligen Refektorium des Kapuzinerklosters, dem heutigen Stadtmuseum von Klausen, ein Gastmahl als gastronomisches Kunsttheater im Schmelztiegel von Kunst, Kloster, Speisen und mystischer Technologie unter der Anleitung des Künstlers Heinz Mader inszeniert. 2006 veranstaltete der Kunstverein in Zusammenarbeit mit der Landesberufschule für Gast- und Nahrungsmittelgewerbe „Emma Hellenstainer“ eine öffentliche Gesprächsrunde zum spannenden Verhältnis von Gastronomie/Hotellerie und Architektur. Unter dem Titel „Architektur / Rezepte“ wurde in der Universität Brixen zur Thematik „Südtirol ist eine der großen Sehnsuchtlandschaften Europas. Die touristische Erschließung und Nutzung der Landschaft bewegt sich auf dem schmalen Grat zwischen respektvollem Umgang mit der Landschaft, Kultur und Bevölkerung auf der einen Seite und der Störung und Zerstörung derselben auf der anderen“4 debattiert. Dass die Projekte mit Unmittelbarkeit dem Vorhandenen begegnen, wird dadurch möglich, dass im Projekt Partner, wie Vereine und Verbände, involviert sind. So waren im Projekt „Fest Kunst“5 nicht nur die KünstlerInnen aus der Schweiz, USA, Deutschland, Österreich und Italien, sondern auch die Vereine der Freiwilligen Feuerwehr, der Schützenkompanie, der Sportschützen und viele mehr, aktiv in ihrer eigenen Rolle an der Realisierung des Kunstvorhabens beteiligt. Mit Hilfe des Vereins der Sportschützen und dem der Freiwilligen Feuerwehr wurde die „Aktion mit 21 Fässern“ von Roman Signer als Performance realisiert und später als Videoinstallation in den Festparcours eingeschleust. Einundzwanzig Spundfässer, ähnlich den Dosen einer Schießbude zu einer pyramidenförmigen Skulptur aufgebaut und mit Wasser gefüllt, wurden durch jeweils ein zentral geschossenes Loch zu einem spektakulären Springbrunnen auf Zeit. Durch die auf dem Fest zu sehende Videoinstallation, als Relikt der Performance, wurden die Betrachter in den Entstehungsakt der Arbeit eingebunden.6 In unmittelbarer Nachbarschaft der Schankbude des Tauchvereins wurde das „Sub-Kino“ mit laufendem Unterwasserfilm errichtet. Die Künstlerin Eva Maria Schön hatte nämlich während des Altstadtfestes eine Videokamera in die Unterwasserwelt des Eisacks getaucht und der Stadt eine wörtliche Interpretation ihres eigenen „Sub-versiven“7 geliefert. Um den Festtreibenden auch eine Entspannung vom Festtreiben zu ermöglichen, um sie dem zuzuführen, weshalb sie zum Fest gekommen sind, ließ der Brixner Künstler Heinz Mader eine professionelle Lachtrainerin in einem eigens adaptierten Raum in das Lachen einweisen. „Die Idee „entwaffnete“ sogar den Brixner Schützenverein, der sich nicht nur für die Bewachung des Lachraumes zur Verfügung stellte, sondern auch als Anlaufstelle für die Anmeldung zur Teilnahme am Training diente.“8 Die Aufgabe der Schützen war es, für die „lachmeditative Ruhe“9 zu sorgen und den Lachenden somit das Wohlbefinden zu ermöglichen. 1 Das gokart-Team besteht aus: Walter Pardeller (Präsident), Magdalena Amonn, Benno Barth, Alexandra Pan, Marion Piffer Damiani, Hansjörg Plattner, Stephanie Risse-Lobis und Elisabeth Schatzer (Stand: Frühjahr 2007) 2 Auf der Internetseite „www.go-k-art.net“ unter „wir“ nachzulesen. 3 Marion Piffer Damiani im Gespräch mit der Autorin 4 Das Projekt „Architektur / Rezepte“ ist wie alle weiteren stattgefundenen Projekte auf der Homepage „www.go-k-art.net“ näher beschrieben. 5 Zum Projekt „Fest Kunst“ ist ein gleichnamiger Katalog erschienen: Marion Piffer Damiani (Hg.), Fest Kunst, Wien/Bozen, 2004 6 Marion Piffer Damiani, Fest Kunst. Ein Rundgang, in: ebd., S. 16. 7 ebd., S. 17. 8 ebd., S. 20. 9 ebd., S. 20. Martina Oberprantacher 73 Dank Abschließend möchte ich den VertreternInnen der einzelnen Initiativen einen herzlichen Dank für die freundliche Unterstützung und Gesprächsbereitschaft aussprechen: Alois Steger von Kunstmyst, Marion Oberhofer und Leander Schwazer von Der Rosengarten wird überschätzt, Guido Moser von der Rosschaukel, Katharina Hohenstein und Sonja Steger von vissidarte, Peter Kaser von LURX und Marion Piffer Damiani von gokart. Ein Danke auch an Sabine Gamper und Verena Rastner von der ar/ge kunst Galerie Museum, sowie Lisa Trockner vom Südtiroler Künstlerbund und Eva Bauer für ihre allzeitige Hilfsbereitschaft. 74 Vom Austausch zur Zukunft – Praxis, Projekte, Beispiele Austausch und Interdisziplinarität Im Juli 2007 reisen Wäscherei P-MitarbeiterInnen für einige Tage nach Istanbul, um das PoLiteraTour- Projekt „Salon Istanbul – Istanbul Salonu“(vorerst) abzuschließen, das im Herbst 2005 in der Kulturstation des Psychiatrischen Krankenhauses Hall begonnen hat. Mit den damaligen Gast-AutorInnen Meral Asa und Handan Öztürk sowie LiteraturStudentInnen der Istanbuler Universität werden die P-MitarbeiterInnen auf einer Insel im Marmara-Meer einen Weg zur Wäscherei (Klinikareal) Workshop gestalten, um Ergebnisse und Foto: Christian Moser / Wäscherei P Entwicklungen des gemeinsamen Projekts zu reflektieren. Fast gleichzeitig wird der Innsbrucker Künstler Franz Wassermann mit der Historikerin und Journalistin Andrea Sommerauer ein Buch herausgeben, für das ExpertInnen verschiedenster Disziplinen Texte/Artikel zum Projekt „Temporäres Denkmal“ (Kooperation Franz Wassermann Wäscherei P, Naked (ehemal. Klinik-Wäscherei) und Wäscherei P) verfasst haben. Diese Foto: Christian Moser / Wäscherei P sogenannten „Prozesse der Erinnerung“ an und für die Haller Opfer der NS-Euthanasie haben seit der „Initialzündung“ im Frühjahr 2004 eine breite Öffentlichkeit weit über die Grenzen Tirols hinaus bewegt und angeregt. „Wäscherei P“ hat schon 2003, gemeinsam mit dem Innsbrucker Verein „Zeitlupe“, eine Spurensuche ins Leben gerufen, die zahlreiche ExpertInnen zu regelmäßigen Vernetzungstreffen in die Kulturstation des PKH Hall geführt hat. Die Zusammenarbeit und intensive Begegnung mit dem Künstler Franz Wassermann, die eine mehrjährige intensive Projektarbeit zur Folge hatte, war ein wichtiger Schritt, um theoretisches Vorarbeiten in aktives Handeln münden zu lassen. Dies sind – nur kurz dargestellt – zwei P-Projekte, aus denen mehrjährige („temporäre“) Vernetzungsbündnisse und intensive Beziehungen geworden sind. Beziehungen von Menschen mit unterschiedlichem professionellen und soziokulturellen Hintergrund: KünstlerInnen, ExpertInnen; Menschen eben. Wäscherei P ist kein „Veranstaltungs-Projekt“. Punktuelle öffentliche Veranstaltungen sind oft der Ausgangspunkt oder Zwischen-Stopp einer prozesshaften Weiterentwicklung. Wäscherei P lebt einen dynamischen Kultur-Begriff, der Veränderung, Partizipation und Interdisziplinarität impliziert. Gemäß der Psychotherapeutin C. Falikov beinhaltet Kultur „über Generationen überlieferte Werte, die ständig in individueller wie kollektiver Weise weiterentwickelt werden“, ein Versuch der Definition, der dem dynamischen Kulturverständnis der Wäscherei P sehr entgegenkommt. Gleichzeitig steht „Wäscherei P“ aber auch für einen Raum, der eine kontinuierliche Pflege und Belebung (durch regelmäßige VeranstaltungsTermine) braucht. Seit 2001 ist die ehemalige Klinik-Wäscherei des Austausch und Interdisziplinarität … und in der Wäscherei P hängt eine lebendige Landkarte A 77 A Austausch und Interdisziplinarität Psychiatrischen Krankenhauses Hall Namensgeberin und „Basislager“ des Projekts. Dieser Raum inmitten eines Klinik-Areals, das für ganz Tirol von Bedeutung ist (der Zuständigkeitsbereich der Psychiatrie Hall umfasst alle Regionen Tirols), wird somit zum Teil des Projekts und rückt alle Arbeiten der Wäscherei P in einen besonderen gesellschaftspolitischen Kontext. So kommt es, dass verschiedene Prozesse einander überlagern, dass Menschen in Istanbul „temporäre“ Wäscherei P-MitarbeiterInnen sind wie auch der israelische Entwicklungshelfer Yiftach M. (derzeit im Sudan), der gerade ein Konzept für ein gemeinsames Projekt erarbeitet. „Beziehungspflege“ ist ein wesentliches Element der Projektgestaltung, denn intensiver Austausch braucht Zeit und interdisziplinäre Begegnungen (von Menschen mit unterschiedlichsten Zugängen zu Inhalten) können ohne Neugier und Wertschätzung nur schwer geschehen. So spannend es auch sein kann, oft von einem Konzept zum nächsten zu wechseln bzw. immer „up to date“ zu sein, so sehr erleben die Wäscherei P-MitarbeiterInnen auch die geduldige Langsamkeit und Kontinutität als bereichernd. Einziges Manko einer derartigen Arbeitsweise ist, dass „Wäscherei P“ mittlerweile (aufgrund der erfreulich großen Nachfrage) viel zu oft sehr interessante und „brennende“ Angebote zur Zusammenarbeit nicht mehr annehmen kann, da die Ressourcen begrenzt sind und womöglich die Qualität der Prozessgestaltung leidet. Wenn nun im Verlauf des Jahres TheatermacherInnen aus Sarajevo nach Hall kommen, so ist dies die lange erwartete Resonanz auf eine Wäscherei-Reise 2002 (mit 24 Menschen unterschiedlichster beruflicher Hintergründe) nach Sarajevo. Ein Veranstaltungs-Abend zum Thema „Übergangsgesellschaften: Beispiel Czernowitz“ wird eine neue Projekt-Phase einläuten, zu der auch eine Reise in die Ukraine gehört. Und irgendwann werden dann Menschen aus der Ukraine „temporäre P-MitarbeiterInnen“ sein und … und … . Nach sechs Jahren inter- kultureller und -disziplinärer Projektarbeit, nachdem nun auch bereits einige Prozesse verabschiedet und abgeschlossen werden konnten, ist eine Vernetzungs-Landkarte entstanden, die Vielfalt und Bewegung widerspiegelt, aber –und das tut besonders gut- überschaubar geblieben ist und noch viel Platz hat. Viele Entwicklungen sind jedoch nicht mehr mit-verfolgbar und das ist ebenso gut. So kann es passieren, dass die P-MitarbeiterInnen drei Wochen nach dem angegebenen Termin eine Einladung zu einer Lesung des Istanbuler Underground-Literaten Kücük Iskender in die „çamaşırhane P“ (Anm.: Wäscherei P auf türkisch) in Beyoglu bekommen. Güzel!! Jens Tönnemann 78 B Bewegungsmelder Kunst „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“, so Karl Valentin. Genau diesem Dilemma aus Autonomie, der Überzeugung von der Notwendigkeit der geleisteten Arbeit und Engagement, dass mit viel Arbeit verbunden ist, setzen sich KulturarbeiterInnen permanent aus. Freie Kulturarbeit bedeutet in den meisten Fällen eine billige Fleißaufgabe und ein hohes Eigenrisiko der VeranstalterInnen. Denis Tricot (F), sculpture de feu, Holz, Biodiesel, Feuer, Innsbruck 2003 Foto: Gebhard Schatz Die Formen freier Kulturarbeit im Bereich der bildenden Kunst in Tirol sind vielfältig. Auffallend ist bei nahezu allen ein erweiterter Kunstbergriff. KünstlerInnen, VeranstalterInnen und Interessierte setzen sich in ihrer Arbeit sowohl mit bildenden Kunstformen, aber auch mit zeitgenössischer (z.B. elektronischer) Musik, mit Literatur, Performancekunst, kultur- und gesellschaftspolitischen Fragestellungen und ihrer Rolle als Kulturträger auseinander. Dass freie Kulturarbeit nicht automatisch einen weniger hohen Grad an Professionalisierung bedeutet zeigt sich auch im Bereich der bildenden Kunst. Die ProtagonistInnen der freien Kunstszene verfügen über entsprechendes Know-how, breit gestreute Kontakte und sprechen mit ihren Angeboten ein großes und differenziertes Publikum an. Bewegungsmelder Kunst Freie Kulturarbeit und bildende Kunst in Tirol Eröffnung der Premierentage 2006 bei aut. architektur und tirol Foto: Premierentage 2006 plattform kunst ~ öffentlichkeit: Kunst im öffentlichen (?) Raum: Geschenkt und gelesen. (Kunstpavillon im Rahmen der Foto: Verena Konrad Premierentage 2006) Wie viele Menschen sich allein in Innsbruck in Kulturinitiativen engagieren, zeigte 2007 die Veröffentlichung des Rechercheprojektes der bættle group for art. Verglichen mit den breit angelegten Programmen vieler Kulturinitiativen am Land sind Kulturprojekte im städtischen Kontext fokussierter. In der Region sind es vor allem die zahlreichen lokalen Kulturvereine, aber auch größere Veranstaltungsreihen und Symposien wie FREISTAAT BURGSTEIN, Kunsttage Kramsach oder Die Igler Art die sich mit bildender Kunst auseinander setzen. Die starke Verbindung von Kunst und Kunsthandwerk ist nach wie vor ein Charakteristikum. Im Einzugsbereich von Innsbruck wird das Spektrum bereits sehr groß. So gibt es neben Atelier- und Produktionsgemeinschaften wie der KG Zollerstraße oder der Werkstatt Haspinger Straße, frei zugänglichen Weiterbildungsveranstaltungen wie der Sommerakademie Art didacta und temporären Ausstellungsräumen wie A4 zahlreiche Vereine, die kontinuierlich veranstalten oder durch Aktionen öffentlich in Erscheinung treten. Auch die 79 B Interessensvertetungen für KünstlerInnen und Kulturschaffende im Bereich bildende Kunst haben hier ihren Sitz. Bewegungsmelder Kunst Als solche agiert vor allem die Tiroler Künstlerschaft mit ihren drei Standorten Kunstpavillon, Künstlerhaus Büchsenhausen und Stadtturmgalerie. Neben der Tätigkeit als Interessensvertretung werden jedes Jahr mehrere Ausstellungen und Vorträge organisiert und neun Ateliers für Künstler/innen betrieben. Das Künstlerhaus Büchsenhausen hat sich in den letzten Jahren zu einer Produktionsstätte zeitgenössischer Kunst entwickelt. Vor allem das internationale Artist in Residence-Programm trägt zu einer Vernetzung von regional und international tätigen KünstlerInnen bei. Der KUNSTRAUM INNSBRUCK wurde 1996 als gemeinnütziger Verein gegründet. Lange Zeit geleitet von Elisabeth Thoman und zu einem international anerkannten Ort für zeitgenössische Kunst heran gewachsen gab es 2004 einen Wechsel. Seither kuratiert Stefan Bidner als künstlerischer Leiter die Ausstellungen und Veranstaltungen des KUNSTRAUM INNSRUCK und führte auch einen programmatischen Wandel herbei. Der Kunstraum orientiert sich seither stark an der freien Szene und mixt unter dem Schlagwort „Sampling“ Kunst, Medien, Musik und Theorie. Das Kollektiv medien.kunst.tirol (www.mkt.at) ist eine der wichtigsten Kulturinitiativen im Sektor bildende Kunst seit den 1990er Jahren. Der Verein wurde 1995 von Thomas Feuerstein und Stefan Bidner als Büro für intermedialen Kommunikationstransfer gegründet. Seit 2005 arbeitet ein neues Team im Vorstand des Vereines. Ergebnisse der Arbeit waren bereits zahlreiche Präsentationen, Ausstellungen und Veranstaltungsreihen. medien.kunst.tirol gehört zudem zu den am meisten vernetzten Projekten, so gibt es u.a. Verbindungen zu Plankton Labs, einem 2002 gegründeten Kollektiv für verschiedenste medienkünstlerische Experimente, der Gruppe Sägewerk und kunstnetztirol.at. Vernetzung bietet auch die plattform mobiler kulturinitiativen p.m.k., die seit 2004 Raum und Infrastruktur für Kunstschaffende aller Richtungen zur Verfügung stellt und wertvolle politische Arbeit leistet. Für einen zeitgenössischen und experimentellen Zugang zu bildender Kunst steht auch das Programm des Kulturlabor Stromboli in Hall in Tirol. Für die bildende Kunst ist das Kulturlabor vor allem als Ort der Vernetzung und der Nachwuchsförderung, unter anderem bei den zweijährig stattfindenden Haller Kurzfilmtagen Rienale, wichtig. Die Galerie Nothburga besteht bereits seit mehr als 25 Jahren und kann auf eine Vielzahl von Ausstellungen, aber auch auf Lesungen und Konzerte zurückblicken. Neben bekannten KünstlerInnen laden die Kuratorinnen immer wieder auch weniger bekannte KollegInnen und NachwuchskünstlerInnen ein. Gleich doppelt mit Kunst und Öffentlichkeit verbunden ist die Künstlerinitiative plattform kunst ~ öffentlichkeit. Die KünstlerInnengruppe hat in den letzten Jahren immer wieder zur Praxis der Ausschreibung und Realisierung von Kunst am Bau-Projekten, von Ankaufspolitiken und der Vergabe von Förderungen Stellung bezogen. 80 Unter dem Motto „Wege zur Kunst“ gestalten die Premierentage seit 1998 Mit zeitgenössischer Fotokunst beschäftigt sich das 1989 von Rupert Larl gegründete Fotoforum West. In der ersten Fotogalerie Tirols stellen kontinuierlich internationale FotokünstlerInnen ihre Werke aus. Herbert Fuchs ist bereits seit den 1980er Jahren einem breiten Publikum als Veranstalter bekannt. Vor allem 3 Tage Umhausen (1990 und 1995), aber auch seine Buch- und Ausstellungsreihen und Plakataktionen haben große Wellen geschlagen. Im August 2007 veranstaltete Fuchs die Verbale und gründete den Ausstellungsraum Kreis 55. Als Einzelakteur und Veranstalter tritt auch der Künstler Gebhard Schatz immer wieder auf. Besonders seine Feuerprojekte und das Festival Feuer Berge Tirol haben in den letzten Jahren viele Menschen begeistert. Um kulturelle Entwicklungen geht es u.a. in den Vereinen und Projekten Radikales Nähkränzchen, dessen künstlerische Praxis auf feministische Standpunkte Bezug nimmt, structure research und quirlig, dem Verein für künstlerische Interventionen in Alltags- und Festkultur. Die integrative Ateliergemeinschaft Kunst und Drüber bietet ausgehend von einem feministisch-gesellschaftspolitischem Zugang Raum für künstlerisch interessierte Frauen. Der Verein Cunst und Co. bietet eine Grafikwerkstatt und Computerarbeitsplätze und ist Tirols größte Ateliergemeinschaft. B Bewegungsmelder Kunst einen Parcours für zeitgenössische Kunst durch Innsbruck. Ursprünglich initiiert vom KUNSTRAUM INNSBRUCK fand die zweitägige Veranstaltung im November 2007 zum neunten Mal statt. Verena Konrad 81 C Contemporary Music Contemporary Music GALERIE ST. BARBARA (Osterfestival, Musik+, die feste, haus 05) Die in Hall beheimatete Galerie St. Barbara (vertreten durch die Familie Maria und Gerhard Crepaz ) besteht seit 1968. Künstlerischer Ansatz ihrer Aktivitäten war stets, neue und auch persönliche Zugänge zu neuer, aber auch sogenannter ‚alter‘ Musik zu ermöglichen. Die Begegnung mit großen Namen der zeitgenössischen Musik (wie etwa John Cage, György Ligeti, Karlheinz Stockhausen und vielen anderen) hat in Hall ein Zentrum der Auseinandersetzung mit dem heutigen Musikschaffen entstehen lassen. Ensembles wie Hesperion XX, Il Giardino Armonico oder Collegium Vocale Gent sind in Hall ebenso zu Gast wie die Solisten und Dirigenten Jordi Savall, Philippe Herreweghe oder Arthur Schoonderwoerd. Bis heute (auch unter der Führung der jungen Generation der Familie Crepaz) wird dieser Weg beschritten. Mit musik+ wurde vor vier Jahren eine Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen, deren Besonderheit in der Qualität, Vielfalt und Einzigartigkeit der künstlerischen Ausdrucksformen sowie in der Verbindung mehrerer Genres liegt. Im Programm des Osterfestivals Tirol, das seit über 15 Jahren ebenso von der Galerie St. Barbara veranstaltet wird, werden immer wieder wegweisende Werke der Musikgeschichte (wie etwa Krzysztof Pendereckis ‚Lukaspassion‘ oder Johannes Brahms ‚Ein Deutsches Requiem‘ ) vorgestellt. Dazu kommen Länderschwerpunkte (Asien, Afrika, Südamerika), die auch mit ihrer traditionellen Kultur präsentiert werden. KLANGSPUREN SCHWAZ Bereits seit ihrer Gründung im Jahr 1994 durch den Tiroler Pianisten und Komponisten Thomas Larcher drückten die Klangspuren Schwaz die Überzeugung aus, dass Neue Musik ein Bedürfnis, ein menschliches Verlangen einlöst, zu dessen Erfüllung kein anderes Medium, also weder andere Kunst, Philosophie oder Wissenschaft (und auch nicht die traditionelle Musik) in der Lage ist. Neue Musik wird also nicht präsentiert, weil man sich im Sinne eines verordneten Bildungsauftrags mit ihr auseinandersetzen sollte, sondern weil sie ganz einfach lustvoll erlebbar ist. So verstehen sich die Klangspuren Schwaz stets als Herausforderung und als Angebot für „Gegenwärtige“, wie sie sich selbst gerne bezeichnen. Sie wollen den Hörern eine Zumutung sein, denn nur der, der dem Gegenüber etwas zumutet, bekundet Vertrauen in dessen Energien. Thematische Konzentrationen wie im Jahr 2007 das Land Zypern oder die Besetzung „Streichquartett“ setzen Schwerpunkte, die dem Publikum überblicksartige Informationen über wesentliche Elemente zeitgenössischen Musikschaffens ermöglichen. Größen des Musiklebens wie etwa Helmut Lachenmann, Philip Glass oder Wolfgang Rihm waren und sind bei den Klangspuren in Schwaz ebenso vertreten wie bekannte Orchester, Ensembles und Solisten (u.a. RSO Wien, Arditti Quartet, Pierre Laurent Aimard). Künstlerischer Leiter der Klangspuren ist zur Zeit Peter Paul Kainrath. 82 AVANTGARDE TIROL IGNM Internationale Gesellschaft für neue Musik Vor 85 Jahren, am 11. August 1922 gründeten im Salzburger Café Bazar 24 anwesende Komponisten, unter ihnen Anton v. Webern, Bela Bartok, Paul Hindemith, Alban Berg, Maurice, Arnold Schönberg und Igor Strawinsky, damals größtenteils ‚Avantgarde’, heute alle weltberühmt - eine »Internationale Gesellschaft für Neue Musik«. Richard Strauss übernahm das Präsidium des Gründungskomitees. Die Statuten bestimmten die Förderung zeitgenössischer Musik, ohne Rücksicht auf ästhetische Anschauungen, Nationalität, Rasse, Religion, politische Einstellung – sie gelten auch heute in allen Mitgliedsländern. Somit entstand die erste internationale musikkulturelle Gesellschaft der Welt. Ende August 2004 wurde in Tirol die Internationale Gesellschaft für Neue Musik Landessektion Tirol mit den Zielen der Förderung und Verbreitung der Kunstmusik des 20. und 21. Jahrhunderts gegründet (Obmann der IGNM-Tirol ist derzeit Günther Zechberger). Angeboten werden Konzertveranstaltungen, Informationsangebote an, von und für Komponisten, Interpreten und Veranstalter. Contemporary Music Internationale Akademie für Neue Komposition und Audio-Art Diese Veranstaltungsreihe bietet eine konzentrierte Ausbildung in Komposition und Performance an. Als führende Künstlerpersönlichkeiten stehen dieser Akademie Boguslaw Schaeffer und Edwin van der Heide zur Verfügung. Die Auffassung von Kompositionsunterricht geht bei avantgarde tirol weit über das übliche hinaus, womit eine wertvolle Ergänzung zu einem regulären Studium ermöglicht wird. 1993 wurde avantgarde tirol von Marianne Penz-van Stappershoef in Schwaz gegründet, seit 2005 logiert die Veranstaltung in Seefeld, wo für ihre künstlerischen Aktivitäten inspirierende Bedingungen herrschen. Seit ihrer Gründung haben bei der avantgarde tirol an die 70 junge Komponistinnen und Komponisten aus fünf Kontinenten teilgenommen, bei den zahlreichen Konzerten wurden dutzende neuer Werke von hervorragenden Solisten und Ensembles uraufgeführt. C MUSIK IM STUDIO Im Jahr 1972 wurde von Othmar Costa die Konzert- und Veranstaltungsreihe „Musik im Studio“ begründet. Mit der Zielsetzung, über den reinen Programmauftrag des ORF hinaus, im Haus am Rennweg ein Podium für junge Tiroler Komponistinnen und Komponisten sowie Solisten und Ensembles zu bieten. Bis heute präsentiert diese Veranstaltung im nunmehrigen ORF-TirolKulturhaus neue Musik, aktuelle Werke werden hier erarbeitet, geprobt, einer interessierten Hörerschaft präsentiert und schließlich in Form von Sendungen dem Radiopublikum näher gebracht. Über 400 Konzerte wurden bisher bei der Musik im Studio veranstaltet, mehr als 140 Werke haben dort ihre Uraufführung erfahren. Wolfgang Praxmarer 83 D Denkmäler und Kulturarbeit 84 Denkmäler und Kulturarbeit Alte Stätten – neue Kulturen Rockkonzerte in alten Kinos, Programmkino in einer alten Gerberei, zeitgenössische Musik in einer Rinderversteigerungshalle, Lesungen in Straßenbahnen, elektronische Musik in der aufgelassenen Talstation der Hungerburgbahn oder Kunstaktionen im ehemaligen Stellwerk der Eisenbahn. Egal ob es sich um fixe Einrichtungen oder temporäre Aktionen handelt, KulturveranstalterInnen im zeitgenössischen Bereich tragen sehr oft neue Inhalte in alte Gebäude oder in Räume, deren eigentliche Funktion eine ganz andere ist. Diesen räumlichen Umfunktionierungen liegen nicht nur finanzielle und praktische Überlegungen zu Grunde, sondern vielmehr stellen die ehemals oder immer noch mit anderen Inhalten besetzten Räume einen ganz besonderen Reiz dar. Einen Reiz gleichermaßen für Kulturschaffende, Raumplaner und Architekten, welche mit sehr viel Sensibilität und Engagement an Adaptierungen und Umgestaltungen heran gehen. Im Gegensatz zu protzigen Veranstaltungstempeln mit allen technischen Spielereien oder seelenlosen Mehrzweckhallen strahlen Kultureinrichtungen, die in alten umgebauten Räumlichkeiten untergebracht sind, einen ganz besonderen Charme aus, der bei jeder einzelnen Veranstaltung wahrnehmbar ist. Anders als es vielleicht von zeitgenössischen und nicht im Traditionellen verankerten Initiativen erwartet wird, wird die alte Substanz und die Vorgeschichte nicht nur respektiert, sondern als spielerisches Gestaltungsmoment sowohl in der räumlichen als auch in der inhaltlichen Dimension mitgedacht. Alt und Neu gehen eine Symbiose ein, die nicht nur die Atmosphäre, sondern auch die Programmgestaltung und den Charakter der ganzen Kulturinitiative prägt. Alt und Neu treffen aber auch in den Gemeinden, in denen Kulturschaffende agieren aufeinander. Brauchtum und Tradition sind in Tirol sehr hoch geschätzte Werte, die oft den lokalen und regionalen Kontext von Kulturszenen dominieren. Das Kulturlabor Stromboli beschäftigte sich 2005 in dem TKI-Open Projekt „Leben in einem Denkmal...“ anhand der eigenen Situation mit dem Spannungsfeld zwischen alter Architektur und einer lebendigen jungen Szene. Denkmalpflege hat in der historischen Kleinstadt Hall, in der die Initiative seit 1989 aktiv ist, einen hohen Stellenwert. Die Fassaden, die gepflasterten Straßen, die Stiegenhäuser, die frei gelegten Decken und Gewölbe der Altbauwohnungen konservieren heute die Vergangenheit der mittelalterlichen Stadt. Hall ist gepflegt, sauber und authentisch in allen Richtungen. Keine Satellitenschüssel darf das Luftbild verändern, kein Bauwerk den Blick von der Autobahnabfahrt auf den Münzerturm und den idyllischen Stadtkern stören. Ebenso gepflegt wird die Tradition und die Geschichte Halls, das 2003 sein 700-jähriges Jubiläum feierte. Hall ist ein Denkmal. Aber dieses Denkmal ist belebt und in eine moderne gesellschaftliche Struktur eingebunden. Direkt an der Einfahrt zur Altstadt und in gewisser Weise immer an der Grenze zwischen Hall und dem „Rest der Welt“ befindet sich das Kulturlabor Stromboli. Selbst Teil der ensemblegeschützten Haller Innenstadt, hat das Gebäude vom Spritzenhaus, über Postlager und Metzgerei bis hin zum heutigen Kulturzentrum D Denkmäler und Kulturarbeit seine eigene Geschichte zu erzählen. In dem Projekt „Leben in einem Denkmal...“ beschäftigte sich das Stromboli zunächst mit seinen eigenen vier Wänden. Anhand des mit den Architekturstudenten Andreas Erber und Daniel Brecher sowie dem Sozialwissenschaftler Johannes Bechtold entworfenen Computerspiels „Relationen – auf Daten folgen Taten“ wurden BesucherInnen zu den verschiedenen Bereichen wie Programm, Finanzen, Gastronomie usw. befragt. Für das Projekt besonders interessant waren die Ergebnisse des Themas Architektur. Die meistern befragten SpielerInnen bevorzugten eindeutig „ein haus, das sich verändern kann“ mit einer gemütlichen, improvisierten und wandelbaren Innenraumatmosphäre. Bar jeder Logik Foto: Stromboli Der zweite Teil des Projektes fand im öffentlichen Raum in Hall statt, der von verschiedenen KünstlerInnen und ArchitektInnen bespielt wurde. So stellte etwa das Institut für Entwerfen/studio 3 der Architekturfakultät Innsbruck am barocken Haller Stiftsplatz eine futuristische „Bar_jeder Logik“ auf, Cornelius Knapp konservierte ein baufälliges Haus mittels Frischhaltefolie, die ArchitektInnengruppe YEAN machte Damostus Foto: Stromboli aus der Haller Altstadt ein Shoppingcenter und ein „Irrlicht“ von Markus Ortner ragte mehrere Wochen als Balkon über den Langen Graben. Die Schweizer Tanzgruppe DA MOTUS sorgte mit einer Performance in gelben Anzügen und Gasmasken für Aufsehen, Thomas Feuerstein machte aus dem Stromboli eine „Parallel GmbH“, die Architektinnengruppe „con.voi“ stellte ihre eigenen Gebäude unter Denkmalschutz und Werner Moebius komponierte einen Damostus Foto: Stromboli akustischen Parcours durch Hall, während Christian Martinek ein Platzkonzert der Weltreligionen am Oberen Stadtplatz ertönen ließ. Aber schon 1989 als die Initiative mit dem Stadtfest „Raus aus der Konserve“ ihre erste öffentliche Aktion setzte, wurde auf die Diskrepanz zwischen einem konservierenden Architektur- und Gesellschaftskonzept und der vorhandenen Jugendkultur aufmerksam gemacht. Noch deutlicher thematisierte dies das darauf folgende Projekt „Fassadenrausch“. Heute haben im Kulturlabor Stromboli zeitgenössische Inhalte und Veranstaltungsformate Platz, die mit jeder Kulturinitiative ähnlicher Struktur in größeren Städten vergleichbar sind. Trotzdem stößt das Kulturlabor immer wieder an die Grenzen der Kleinstadt. Julia Mumelter 85 E Einmal querbeet durch den Parcours feministischer Kulturarbeit in Tirol 86 Einmal querbeet durch den Parcours feministischer Kulturarbeit in Tirol Einen kurzen „Überblickstext“ zu feministischer Kulturarbeit in Tirol zu schreiben, ist gleichzusetzen mit dem Unterfangen, in einer Milli-Sekunde einen riesigen Parcours zu durchqueren, indem Start und Ziel, Strecke und Verlauf nicht vorgegeben sind und der obendrein nicht nur unüberschaubar dicht, sondern auch Fallen und Hindernisse beinhaltet, über welche sich feministische Kulturarbeiterinnen immer wieder erfolgreich oder weniger erfolgreich – zum Teil mittels verrenkender Akrobatik – hinweg schwingen. Dies meint auch: Feministische Kulturarbeit in Tirol zeigt sich seit Beginn der Neuen Frauenbewegung in den 1970ern derartig ausdifferenziert, dass ich hier nur äußerst minimalistisch einige grundlegende Kritikansprüche, einige Initiativen und Projekte sowie Gedanken zu deren Existenzbedingungen be/verhandeln kann. Radschlag durch die Falle der Begrifflichkeiten Versucht man feministische Kulturarbeit zu fassen, läuft man Gefahr in eine Falle zu tappen. Die Falle besteht vornehmlich darin, dass sich feministische Kulturarbeit bereits definitorisch einer klaren Eingrenzung entzieht: Nicht nur der Begriff „Kultur“ wird darin kritisch befragt und zugleich weiter gefasst als die sprichwörtliche (weiße/westliche) „Hochkultur“ (von Männern) meint, sondern auch Prozesse der (herkömmlichen) Kulturproduktion werden als durch patriarchale/(hetero)sexistische gesellschaftliche Machtverhältnisse durchsetzt begriffen, welche ungleiche Geschlechterverhältnisse voraussetzen und damit wiederum reproduzieren. Insofern impliziert feministische Kulturarbeit das Erkennen dieser Strukturen sowie den Versuch, durch unterschiedliche Mittel, Stile und Formen ungleiche (Geschlechter-) Verhältnisse sichtbar zu machen, zu thematisieren und/oder zu subvertieren u.a. auch durch die Schaffung alternativer Kulturformen/diskurse. Orientierungslauf durch die Vielfältigkeit feministischer Interventionsakrobatik in der Kulturarbeit Neben den Werken und der Kulturproduktion feministischer Künstlerinnen im engeren Sinn, müssen Frauenbewegungen selbst in ihrer Vielfältigkeit und gleichzeitig Diversität als kulturell produktiv begriffen werden. Im Rahmen frauenbewegter Kontexte wurde und wird in eine Vielzahl kultureller Kontexte interveniert und der maskulinistische Imperativ und Universalisierung des „männlichen Blicks“ westlicher Kulturkontexte verhandelt. Insbesondere die Schaffung von (Frauen/Lesben-)Öffentlichkeiten durch Frauen/Lesben(kultur)zentren, Frauenverlage, Bildungsprojekte und Medienproduktionen, in welchen feministische und Frauenkunst/Kultur Raum und Vermittlung erlangt(e), sind hier von zentraler Bedeutung. Unter anderem waren/sind die „Verobjektivierung“ von Frauen/des Frauenkörpers und seine kulturellen Zurichtungen hier ebenso Thema wie die Unterrepräsentanz von Frauen im Kunst- und Kulturbetrieb bzw. insgesamt die Ignoranz der westlichen Kunst/Kulturgeschichtsschreibung gegenüber künstlerischen Positionen von Frauen. Seilschwingen mit kurzen Stopps bei einigen feministischen Kulturprojekten • An der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Frauenbewegung(en) entstand 1993 der Verein „ArchFem-Interdisziplinäres Archiv für feministische Dokumentation“, welcher sich durch die Archivierung feministische Kulturarbeit nicht nur als widerständiges, zeitgeschichtliches Gedächtnis erweist, sondern durch seine Veranstaltungen selbst in den herrschenden Kulturbetrieb interveniert. • Vor dem Hintergrund feministischer Auseinandersetzungen um eigene Ausschlussmechanismen entstand 1997 die Ateliergemeinschaft „Kunst+Drüber“, die sich als integrative Kooperative zwischen Künstlerinnen mit und ohne Behinderung versteht und damit Bilder von (künstlerischer) Normalität und Abnormalität verschieben will. • Eines der jüngsten Frauen(kultur)zentren ist das 2002 gegründete „Frauen aus allen Ländern“, das sich u.a. als Ausgangspunkt für migrantische Selbstorganisierung und trans- bzw. interkulturelle feministische Arbeit sieht. Gesplitterte Sprossen auf der Leiter der Existenz: Bedingungen feministischer Kulturarbeit Das konservative politische Klima, sowie die damit verbundene enge Definition des Kultur- bzw. Kunstbegriffes in der Subventionslandschaft, behindern (auch) maßgeblich feministische Kulturarbeit. Feministische Kulturprojekte lassen sich oftmals nicht einer eindeutigen Kunstform zuordnen, verorten sich dezidiert in einem politischen Kontext und greifen unbequeme gesellschaftliche Themen auf, die gerne als „natürlich“ („Frauen sind eben so“) oder „privat“ verstanden werden möchten. Projekte werden in „Frauentöpfe“ abgeschoben bzw. Kulturgelder selbst nicht auf ihre geschlechtergerechte Verteilung hin überprüft. Durch mangelnde Subventionierung ist feministische Kulturarbeit daher noch immer prekär, zum Teil unbezahlt oder durch atypische Beschäftigung gekennzeichnet. Es gilt daher die gesellschaftlich bedeutende, demokratisierende Strahlkraft feministischer Kulturarbeit anzuerkennen und als zentralen Teil des Kulturbetriebes in Tirol mit entsprechen Ressourcen auszustatten. Christine Klapeer Einmal querbeet durch den Parcours feministischer Kulturarbeit in Tirol Auch in Tirol gab und gibt es zahlreiche solcher Projekte, die feministische Kulturarbeit leiste(te)n, Produzentinnen, Trägerinnen, Vermittlerinnen oder Raum/Öffentlichkeit feministischer Kulturarbeit waren/sind. Neben einer Vielzahl von temporären Initiativen, inhaltlich spezialisierten Kulturprojekten sowie einzelnen Künstlerinnen, die ihre Werke in einem feministischen Kontext produzieren, möchte ich hier fünf Projekte kurz erwähnen, weil sie als wichtige konstante Trägerinnen feministischer Kulturarbeit gesehen werden können: • Seit 1974 werden die „AEP-Informationen. Zeitschrift für feministische Politik und Gesellschaft“ vierteljährlich von einem Frauenkollektiv herausgegeben. Die Zeitschrift versteht sich nicht nur als feministischer Beitrag zur Medienlandschaft, sondern bietet feministischen Kulturprojekten auch Raum sich vorzustellen und präsentiert immer wieder Werke von Künstlerinnen mittels Fotoserien oder Porträts. • Bis heute existiert das 1983 gegründete „Autonome FrauenLesbenzentrum“, das im Laufe seines Bestehens Ort und zugleich (Erschaffungs)Kontext für zahlreiche Kunstausstellungen, von Theater- und Performancekunst, Musikproduktionen, und literarischen Arbeiten wurde. E 87 F Free & Jazz Free & Jazz Tiroler Brennpunkte der internationalen Jazzszene Veranstaltungen wie Outreach in Schwaz und die Artacts in St. Johann/ Tirol genießen einen ausgezeichneten Ruf in der Welt des Jazz. Während die Eremitage auf beiden Seiten des Atlantiks als herausragendes ClubWohnzimmer gilt. Eine Nahaufnahme der Tiroler Nahversorger in Sachen improvisierte Musik. Wer sich mitten in der Ski-Saison ins ausgebuchte St. Johann in Tirol verfügt, um dort nicht dem Ruf der Pisten, sondern dem der Klänge zu folgen, der kann mitunter noch immer verwunderte Blicke ernten. Doch auch in dieser Ecke des Landes spricht sich zunehmend herum, dass hier ein Gravitationspunkt für improvisierte Klänge entstanden ist, der auch auf eingeschworene Wintersport-Abstinenzler aus dem gesamten österreichischen und süddeutschen Raum Anziehungskraft ausübt. In der Alten Gerberei, die sich am Rande des Marktfleckens hinter einem riesigen Hotelkasten duckt, und in der einst Tierhäute zur weiteren Verarbeitung präpariert wurden, um ihre finale Daseinsform wohl auch in Gestalt einer berühmten alpenländischen Textilie zu finden, wird heute Kreativem „abseits der Lederhosenkultur“ Raum gegeben, wie es Hans Oberlechner, Obmann des 1992 gegründeten Vereins „Musik Kultur St. Johann“, gerne ausdrückt. Oberlechner sieht seine Arbeit als Erweiterung des Angebots, vor allem in Sachen Kino und zeitgenössischer improvisierter und elektronischer Musik. Im Jahr 2002 konnte der Verein die Alte Gerberei dank Unterstützung von Land und Bund als ständiges Domizil erwerben und in einem kräfteraubenden Bravourakt umbauen. Seit 2001 bündelt man die Musik-Veranstaltungen zweimal jährlich in den Festivals „Kulturschutzgebiet“ und „Artacts“, ersteres themenzentriert und auf mehrere (Mai-)Wochen verteilt, zweiteres auf ein Februar- oder MärzWochenende fokussiert. Hier trifft sich die amerikanische und die europäische Improvisationsprominenz, Saxofonisten-Legende Peter Brötzmann, das Schweizer Trio Koch/Schütz/Studer oder die Chicagoer Szene-Zentralgestalt Ken Vandermark seien exemplarisch genannt. Auch die österreichische Szene und regionale Talente finden Berücksichtigung. In kurzer Zeit hat sich St. Johann in der Liga international angesehener österreichischer Festival-Institutionen, vergleichbar mit den Nickelsdorfer „Konfrontationen“, dem Ulrichsberger „Kaleidophon“ oder dem Welser Festival „Unlimited“, etabliert. 88 Musik afroamerikanischer Herkunft ist im Nordosten Tirols freilich so neu nicht. Schließlich beherbergt das Inntal einen der ältesten und wichtigsten Jazzclubs (nicht nur) Österreichs: Die Eremitage in Schwaz. Dass dem Etablissement der Ruf als eines der behaglichsten Jazzwohnzimmer weltweit vorauseilt, begreift, wer den intimen Raum betritt. „Mit 70 ZuhörerInnen ist das Lokal schon so voll, dass man für den Posaunisten mitunter den Kopf auf den Seite legen muss, damit er spielen kann“, so pflegt Leo Schendl zu sagen, der den 1974 vom Afrika-Kunstexperten Gerd Chesi gegründeten Club ab 1977 als künstlerischer Leiter und ab 1981 auch als Gastronom lange Jahre „beseelte“. „Der hautnahe, schrankenlose Kontakt zwischen Zuhörenden und Aufführenden, das schafft eine einzigartige, äußerst konzentrierte Atmosphäre. Weshalb die Musiker auch so gerne kommen – und, wenn sie auf Tour sind, hier gleichsam ein paar Urlaubstage einlegen.“ Free & Jazz Es erstaunt tatsächlich, wie viele Berühmtheiten in der „Eremitage“ gegen geringfügige Gagen immer wieder zu Gast waren: Chick Corea fungierte hier gleichsam als Barpianist, Gilberto Gil, mittlerweile Brasiliens Kulturminister, gab sich mehrmals ein Stelldichein, und Pat Metheny zahlte sich mitunter selbst den Flug, um praktisch unentgeltlich aufzutreten. Dem Etablissement gewidmete Stücke des blond gelockten Gitarristen („Eremitage“ auf der LP „New Chautauqua“, 1979) wie auch von Posaunist Ray Anderson („Leo’s Place“ auf „Big Band Record“, 1994) spiegeln diese Wertschätzung wieder. Erst 2004 nannte Bill Frisell in einer Umfrage des „New Yorker“ den in massiven mittelalterlichen Gemäuern residierenden Club als seinen favorisierten Auftrittsort. Ein Umstand, der neben dem vielbeschworenen Genius Loci auch auf die günstige geografische Lage im Unterinntal zurückzuführen ist. Und auf das Faktum, dass im benachbarten Rotholz mit „Saudades Tourneen“ eine der europaweit wichtigsten Agenturen für zeitgenössischen Jazz residiert, die tourende MusikerInnen an terminfreien Tagen gerne in die Eremitage lotst. „Ich sehe mich nicht als Institution innerhalb der Eremitage, ich sehe mich als temporärer Verwalter dieses Juwels“, pflegte Leo Schendl zu sagen. Am 31. Jänner 2007 legte er nach 30 Jahren die Leitung zurück, ein Quartett von jungen Schwazern führt den Club in seinem Sinne weiter. F Die nachhaltige Wirkung des „Juwels“ lässt sich auch daraus erahnen, dass sich mit Franz Hackl einer der namhaftesten Tiroler Jazzmusiker explizit auf die Eremitage als prägenden Faktor seiner musikalischen Sozialisation beruft. „Man hatte dort den Luxus, den man sonst nur in New York hat: berühmte Leute in einem kleinen, intimen Club zu hören“, so der Trompeter. Hackl weiß, wovon er spricht, lebt er doch selbst seit Anfang der 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts im „Big Apple“. Seine Heimat Schwaz hat ihn freilich nie losgelassen. Schon früh reifte die Idee, die in New York gewonnenen Erfahrungen und Kontakte ins Inntal zurückstrahlen zu lassen. 1993 als „Summer Workshop“ gestartet, wurden 1999 erstmals eine Kursreihe namens „Outreach Academy“ und ein bemerkenswertes, mit Premieren gespicktes „Outreach Festival“ abgehalten. Dafür lotst der 41-Jährige Jahr für Jahr Prominenz über den großen Teich: DJ Spooky war da, ebenso die Ex-LennyKravitz-Drummerin Cindy Blackman und der einst bei Miles Davis beschäftigte Keyboarder Adam Holzman. Die MusikerInnen präsentieren dabei – so die Vorgabe! – keine fertigen Programme, sondern sind angehalten, in der Beschaulichkeit der Silberstadt Schwaz neue Partnerschaften oder Projekte zu erproben. Und wenn doch auf bestehende Werke zurück gegriffen wird, dann zumindest auf außergewöhnliche: Zur Eröffnung des Outreach-Festivals 2007 etwa erfuhr im Sportzentrum die „Multimedia-Kammeroper“ „Money One“ von Gene Pritsker ihre europäische Erstaufführung. Im Rahmen der „Academy“ geben viele der am Festival beteiligten MusikerInnen ihr Know-how an jüngere KollegInnen weiter. Auch Kurse zu Musikproduktion, VJing, Ensemblearbeit, Tanz und Medienarbeit werden angeboten, ein ausgeklügeltes Modulsystem soll Anreiz zu stil- und fächerübergreifender, breiter Wissensaneignung bieten. Jeweils einem heimischen Talent wird über die Verleihung eines Stipendiums für die New School University, New York, der Weg zu einem möglichen Karrieresprung 89 F Free & Jazz 90 geebnet. Und allergrößter Wert wird auf Spielpraxis gelegt. „Weil es im Leben auch so ist“, so Hackl. „Aus dem Stegreif bereit zu sein, das ist wichtig. Alle Schritte in meiner Karriere habe ich gemacht, wenn ich kurzfristig eingesprungen bin. Chancen kann man nur nützen, wenn man selbst etwas anzubieten hat.“ Andreas Felber G Großer Wert, kleiner Preis ... Im kulturellen Feld leitet sich aus der Förderung von Kunst und Kultur durch öffentliche Mittel der Anspruch ab, kulturelle Inhalte auch möglichst vielen Menschen durch unterschiedliche Vermittlungsangebote zugänglich zu machen. Bildungsarbeit wird somit zum Teil von Kulturarbeit. Kultureinrichtungen kommen diesem „Bildungsauftrag“ auf unterschiedliche Weise nach. Größere Institutionen wie Museen oder Theater haben in den letzten Jahren Kunst- und Kulturvermittlung als fixen Bestandteil in ihre Kulturarbeit integriert. Auch in der Arbeit und im Selbstverständnis vieler freier Kulturinitiativen spielt Bildungsarbeit in Form von Workshops, Seminaren und anderen Bildungsformaten eine wichtige Rolle. Ein zentrales gesellschaftspolitisches Anliegen vieler Kulturinitiativen ist es, niederschwellige Zugänge zu vor allem zeitgenössischer Kunst und Kultur zu schaffen, Partizipation und Empowerment von kulturinteressierten aber auch kulturfernen Menschen zu ermöglichen. Dies geschieht neben einem ausdifferenzierten kulturellen Angebot eben vielfach auch über Bildungsarbeit. „Die Vermittlung von zeitgenössischer Kunst erfolgt über Workshops und nicht über Frontalveranstaltungen“, sagt Hans Oberlechner, Leiter der Kulturinitiative Musik Kultur St. Johann, „ohne Workshops würden wir ewig auf der Stelle treten.“ Die Idee, das kulturelle Veranstaltungsangebot durch Workshops zu ergänzen, war bereits im Gründungskonzept des Kulturvereins verankert und hat sich seither bewährt. Aufführung nach Workshop mit Hans Koch Foto: Musik Kultur St. Johann Großer Wert, kleiner Preis ... Kulturinitiativen als Orte des Knowhow-Transfers Graffiti-Workshop für Jugendliche Foto: NLK Kultur Kräuterwanderung Foto: Kultur am Land Trommelbauworkshop Foto: Kultur am Land Worin das Potenzial dieser Verknüpfung liegt, soll folgendes Beispiel verdeutlichen: Im Rahmen der artacts_07, dem Festival für Jazz und improvisierte Musik der Musik Kultur St. Johann, wurde ein Workshop unter der Leitung des Schweizer Musikers Hans Koch angeboten. Zehn Amateurund ProfimusikerInnen haben an dem Workshop teilgenommen, darunter MusikschullehrerInnen, Mitglieder von Blasmusikkapellen sowie junge 91 G Großer Wert, kleiner Preis ... MusikerInnen aus dem elektronischen Musikbereich. Zwei Tage lang wurde in dieser recht inhomogenen Gruppe gearbeitet und schließlich das Erarbeitete in einer öffentlichen Veranstaltung gemeinsam zur Aufführung gebracht. Durch den Workshop konnte bei den Teilnehmenden, die sich bis dahin wenig bis gar nicht mit zeitgenössischer Musik auseinandergesetzt hatten, das Verständnis und Interesse für neue Musik – aber auch für einander – geweckt werden. Als MultiplikatorInnen werden sie diese Begeisterung möglicherweise in andere Bereiche hineintragen (Musikschule, Blasmusik etc.) und künftig Veranstaltungen für zeitgenössische Musik verstärkt wahrnehmen. Ohne kontinuierliche und begleitende Vermittlungsangebote wäre es langfristig nicht möglich gewesen, neue Besucherschichten für das Kulturprogramm zu interessieren, ist sich Oberlechner sicher. Strukturelle Unabhängigkeit und daraus resultierend die inhaltliche Selbstbestimmung von autonomen Kulturinitiativen sind die Voraussetzung für die Ausdifferenzierung von verschiedenen kulturellen Inhalten. Bezogen auf die Bildungsarbeit von Kulturinitiativen eröffnet diese Vielfalt die Möglichkeit, das in jeder Kulturinitiative vorhandene, spezifische Know how auch in die Konzeption von Bildungsangeboten einfließen zu lassen. Um am Beispiel des Workshops in St. Johann zu bleiben: die jahrelange intensive Arbeit im Bereich der zeitgenössischen Musik versetzt die Projektverantwortlichen in die Lage, ihr Fachwissen und ihre internationalen Kontakte zu renommierten KünstlerInnen auch für erstklassige Bildungsangebote in der Region zu nutzen. Kulturinitiativen bieten aufgrund ihrer inhaltlichen Ausrichtung auf zeitgenössische, experimentelle Kunst und Kultur ein komplementäres Angebot zu den bestehenden Bildungseinrichtungen. Diese verfügen einerseits meist nicht über entsprechende Kompetenzen im Bereich der Zeitkultur und berücksichtigen darüber hinaus in ihrer Programmierung viel stärker wirtschaftliche Aspekte wie etwa die zu erwartende Auslastung. Im Gegensatz zu großen Bildungseinrichtungen sind Kulturinitiativen flexibel und können unmittelbar auf die Bedürfnisse der Menschen reagieren. Das führt je nach inhaltlicher Ausrichtung und regionaler Verortung von Kulturinitiativen zu einer breiten Palette an Workshops, Seminaren und dergleichen für unterschiedliche Zielgruppen. Die Bandbreite der Bildungsangebote von Kulturinitiativen ist kaum zu überblicken und kann hier nur ausschnitthaft skizziert werden: sie reicht von Workshops mit KünstlerInnen aller Sparten, in denen künstlerische Techniken erlernt werden können, über Bildungsangebote, die in der Alltagskultur ansetzen, Kreativworkshops für Kinder, Workshops von jungen Menschen für junge Menschen (z.B. Graffiti), Wissensvermittlung in Form von Einführungen zu Kulturveranstaltungen, Workshops von und für MigrantInnen (z.B. mit dem Schwerpunkt Sprache), Workshops als Plattform zur Reflexion von Kulturarbeit und zur gemeinsamen Bearbeitung von Themen (z.B. Antirassismus und Kulturarbeit), Fortbildungsangebote zur Professionalisierung von Kulturarbeit (z.B. Projektmanagement mit Fokus Kultur), Workshops als künstlerische Methode in Kunstprojekten und, und, und... 92 Bildungsarbeit ist immer als ein integraler Bestandteil der gesamten Tätigkeit einer Kulturinitiative zu sehen. Es macht nämlich durchaus Sinn, ergänzend zum Kulturprogramm Bildungsangebote zu schaffen, die in der Alltagskultur, am Vertrauten ansetzen und damit einen niederschwelligen In der Kulturförderung ist es daher besonders wichtig, diesem Aspekt Rechnung zu tragen und Vermittlungsangebote als unentbehrlichen Teil der Kulturarbeit zu unterstützen, auch wenn der Sparzwang der öffentlichen Haushalte in den letzten Jahren zu einer Beschränkung der Fördermittel geführt hat. Wenn in der Kulturförderung die Mittelknappheit als Argumentation für eine Einschränkung des Kulturbegriffs herangezogen und verstärkt Kunst im engeren Sinn gefördert wird, dann fallen Kunst- und Kulturvermittlungsangebote von Kulturinitiativen aus dem Förderrahmen. Es wäre schade, wenn für sie die Bildungsarbeit nicht mehr finanzierbar wäre und sich diese wichtige kulturelle Ressource nicht weiter entwickeln könnte. Helene Schnitzer G Großer Wert, kleiner Preis ... Zugang zur Kultureinrichtung und letztlich zu anderen künstlerischen und kulturellen Inhalten eröffnen. So mag z.B. ein Trommelbaukurs oder eine Kräuterwanderung im Programm einer Kulturinitiative auf den ersten Blick überraschen, dennoch erfüllen diese Kommunikationsangebote im gesamten Kontext eine wichtige Funktion: sie helfen Berührungsängste abzubauen, ermöglichen Partizipation, fördern die Kreativität, schaffen Zugänge. 93 H Heimat – „andernWOrts“ 94 Heimat – „andernWOrts“ Meinen Beobachtungen zufolge erfreut sich der Begriff „Heimat“ in der zeitgenössischen Kulturarbeit keiner großen Beliebtheit. Er wird vielmehr dem traditionellen Kulturfeld überlassen und vor allem vielfach von den KonsumentInnen damit assoziiert, auch wenn es in letzter Zeit stärker werdende Tendenzen in der Zeitkultur gibt, sich kritisch mit dem Thema zu befassen. Der Verein für Kultur Inzing nimmt die Materie mit dem Projekt „andernWOrts“ nunmehr zum zweiten Mal auf. Den Beginn der Auseinandersetzung machte die Sammelausstellung „Kunst – straßenseitig. Im Flügelschlag des Schmetterlings“, die im Oktober 2004 in Inzing stattfand. Inhaltlich ging es dabei um das Spannungsfeld zwischen Globalisierung und dörflicher Idylle. 15 KünstlerInnen bzw. KünstlerInnengruppen (aus den unterschiedlichsten Kunstgattungen) präsentierten ihre Stellungnahmen dazu in Schaufenstern, Schaukästen und rund um das Gemeindeamt im öffentlichen Raum. Ausgangspunkt für das aktuelle Projekt, das im Rahmen von TKIopen zur Förderung durch das Land Tirol ausgewählt wurde, war die Selbstbeobachtung, wie eingeschränkt die eigene Sicht auf das unmittelbare Umfeld ist. Dabei ist der Alltag, der vieles zuschüttet und unsichtbar macht, einer der Kernpunkte dieser Beobachtung. Was ist das Selbstverständnis des Dorfs, das von seinen BewohnerInnen vollkommen unterschiedlich genützt wird? Einerseits ist es urbane Schlafstätte und andererseits verfügt es über einen aktiven und umtriebigen Kern, der sich hauptsächlich um Sport und traditionelle Vereine dreht. Einerseits ist es Heimat für MigrantInnen aus vielen verschiedenen Ländern, andererseits partizipieren diese kaum am öffentlichen Leben. Was ist das für ein Raum, dieses Inzing? Aus Fragen wie diesen folgte eine lang währende Diskussion, wie wir diese zugeschütteten Räume durch ein Kulturprojekt zumindest teilweise freilegen könnten. Im Folgenden erarbeiteten wir ein Konzept. Drei SchriftstellerInnen sollten zu einem dreiwöchigen Aufenthalt hier eingeladen werden, sich mit Inzing vertraut machen und hier einen Text verfassen, dessen Ursprung in dem hier Erlebten zu finden sei. Das Projekt „andernWOrts“ wurde entwickelt, um einerseits den InzingerInnen eine literarische Aussichtsplattform aufs eigene Dorf zu bieten und andererseits auswärtigen AutorInnen die Möglichkeit zu geben, in konzentrierter Atmosphäre an einem Auftragswerk zu arbeiten und sich so neu auszuprobieren. Abgesehen vom politischen Signal erhofften wir uns durch die Bevorzugung von Menschen mit migrantischem Hintergrund auch eine Öffnung des kommunikativen Raums mit den MigrantInnen, die sich in Inzing niedergelassen haben. Nach der Ausschreibung, die aus oben genannten Grund österreichweit v.a. über migrantische Kulturvereine bzw. Netzwerke geschah, wurden dann im April 2007 durch eine Jury drei SchriftstellerInnen aus den neun Bewerbungen ausgewählt. Dazu muss bemerkt werden, dass es uns offensichtlich gelungen ist zielgruppenorientiert auszuschreiben, da alle BewerberInnen (bis auf eine) SchriftstellerInnen mit migrantischem Hintergrund waren. Die drei AutorInnen, Seher Cakir, in der Türkei geboren, Sarita Jenamani, aus Indien stammend und Sina Tahayori, mit iranischen Wurzeln, kamen Anfang September 2007 nach Inzing und begannen ihre Arbeit. Neben der Aufgabe einen Text zu produzieren, sollten H Heimat – „andernWOrts“ die AutorInnen mithilfe von Einwegkameras ihre Eindrücke visuell darstellen, außerdem baten wir sie Tagesprotokolle zu verfassen, aus denen wir ihre Begegnungen und Erlebnisse ablesen wollen. Zum Redaktionsschluss der vorliegenden Ausgabe der Kulturberichte befand sich „andernWOrts“ in der vorläufigen Schlussphase. Die SchriftstellerInnen verbrachten gerade die dritte Woche im Dorf und bereiteten sich auf die Lesungen vor. Insofern kann man in Bezug auf die Resonanz in der Bevölkerung noch wenig über Gelingen oder Scheitern des Projekts sagen, wobei ich den Eindruck habe, dass sich zumindest ein kleiner kommunikativer Raum zwischen AutorInnen und InzingerInnen geöffnet hat. So wurden die SchriftstellerInnen mehrmals zum Essen eingeladen bzw. waren sie häufig in Gesellschaft in den Inzinger Gasthäusern zu sehen, Sarita Jenamani Foto: Kulturverein Inzing sie machten Ausflüge mit Leuten, die sie kennengelernt hatten oder organisierten sich selbst (mit kleiner Starthilfe) einen Internetzugang. Jedenfalls kann man gespannt sein, was wir in den Texten zu lesen bekommen. Eine Publikation mit den in Inzing entstandenen Texten, sowie einer theoretischen Abhandlung, die um das Thema Migration kreisen wird, soll demnächst Seher Cakir Foto: Kulturverein Inzing erscheinen. Informationen dazu finden Sie auf unserer Homepage www.kulturverein-inzing.com. Dort wird es außerdem die Möglichkeit geben, ein Subskriptionsexemplar zu bestellen, das von den AutorInnen signiert wird und eine besondere Aufmachung erhält. Zweck dieser Exemplare ist es, durch einen höheren Kaufpreis das Projekt finanziell zu unterstützen. Michael Haupt 95 I Impulsgebend Impulsgebend Eine kleine (Entstehungs)Geschichte der TKI - Tiroler Kulturinitiativen „Wir haben uns Anfang Februar (Anm.: 1989) in einer freien Aktionsgemeinschaft zusammengeschlossen, um der außerhalb Innsbrucks vorhandenen, vielfältigen Kulturarbeit auf höchstem Niveau entsprechende Beachtung zu sichern. Es geht darum, in der Diskussion um neue Wege eines ,sanften Tourismus‘ Projekte durch- und umzusetzen, die nicht ausschließlich den Gesetzen der Geldvermehrung gehorchen, sondern den Bedürfnissen geistiger und sozialkritischer Anstrengung, die entwickelt werden müssen, damit Tirol innerhalb des kommenden Europa seine Identität bewahrt“. Mit dieser Einleitung umriss Gerhard Crepaz im ersten gemeinsamen Programmbuch aus dem Jahr 1989 die Zielsetzung der neun Kulturinitiativen, die sich knapp vorher als „Tiroler Kulturinitiative“ begründet hatten. Maria und Gerhard Crepaz von der Galerie St Barbara in Hall und Martin Marberger vom Kulturboden Umhausen ergriffen im Dezember 1988 die Initiative, KulturaktivistInnen aus verschiedenen Regionen Tirols ins Gasthaus Andreas Hofer in Umhausen im Ötztal einzuladen, um den Status Quo der Kulturinitiativen am Land zu analysieren und Strategien für die Suche nach Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Vertreter/innen von neun Initiativen folgten dieser Einladung: Galerie St. Barbara, Kulturinitiative Feuerwerk Längenfeld, Kulturboden Umhausen, Gegenlicht Imst, Art Club Imst, Pro Vita Alpina Österreich, Aufwind Oetz, Drauf Los Huben und Kulturinitiative Stubai. Dabei wurden vor allem die zentralen Fragen diskutiert: • Sollen Kulturinitiativen in erster Linie Impulsgeber und Basisarbeiter im Kulturbereich oder schwerpunktmäßig Veranstalter sein? • Wie kann die Nachhaltigkeit von anspruchsvollen kulturellen Aktivitäten im ländlichen Raum abseits von Kommerz und Beliebigkeit gewährleistet und der Bevölkerung bewusst gemacht werden? • Welche Instrumente oder welche Instanz kann man installieren, um die Qualität von Veranstaltungen zu bemessen und gegebenenfalls zu verbessern? • Ist es tatsächlich realistisch, die zahlreichen ländlichen Kulturinitiativen von St. Anton bis St. Johann in der Mehrheit unter einen Hut zu bringen? • Welche Rahmenbedingungen zur Vernetzung und Bündelung aller kreativen Kräfte können genutzt werden oder welche muss man entwickeln? 96 Als erster Schritt wurde, als Ergänzung zum jährlichen Veranstaltungsprogramm der Initiativen, die Entwicklung von konzeptionellen und in der Folge kontinuierlich stattfindenden Projekten, als notwendig erachtet. Einige der Initiativen sahen sich tatsächlich in der Lage, bereits für das Jahr 1989 ausgereifte Kulturprojekte zu konzipieren. Es waren dies: die Galerie St. Barbara mit „Musik der Religionen“ und „Rein ins Mittelalter“, Gegenlicht Imst in Zusammenarbeit mit Art Club Imst „DADA Sommerfrische“, Feuerwerk mit „Mut zur Phantasie – Kinder & Clowns“, Kulturboden Umhausen mit „Der verlorene Gaumen“. Die vorhandene positive Aufbruchstimmung nutzend, wurde zu Beginn des Jahres 1989 nach weiteren Diskussionsrunden beschlossen, die „Tiroler I Impulsgebend Kulturinitiative“ ins Leben zu rufen und Gerhard Crepaz als deren ersten Sprecher einzusetzen. Ebenfalls Anfang 1989 schrieb der damalige Landeskulturreferent Dr. Fritz Prior als Vorwort im Eingangs zitierten Programmbuch: „Als am 21. Februar die Vertreter der Tiroler Kulturinitiative, derzeit neun Kulturvermittler aus dem ganzen Land, mich um Unterstützung für ihre Projekte von Mai bis Oktober baten, konnte ich freudig entscheidende finanzielle Zusagen geben. ... Die Veranstaltungen der Tiroler Kulturinitiativen bieten ein reizvolles Miteinander von Regionalem (Tiroler Künstler, Musiker, Literaten) und Europäischem (Musik der Religionen, Mittelalter Projekt aber auch das Gastrosophische Symposium, Meredith Monk und Teile des DADA Spektakels in Imst/Tarrenz). Aktivitäten in Richtung Plakatfoto zum Projekt „Begegnung TirolAnimation (Kinder & Clowns) bereichern Wien“ Foto: Florentine Prantl das Programm auch in Richtung Familienkultur. Besonders erfreulich ist es, dass auch Tiroler Interpreten in großem Umfang zu hören sind und es dabei auch einige Uraufführungen (auch Tiroler Komponisten) geben wird.“ Die Anerkennung von Seiten der Politik war eine ausgezeichnete Starthilfe für das Projekt „Tiroler Kulturinitiative“ und neben dem vorhandenen Enthusiasmus Foto aus den Manifesten des Freistaate Burgstein Foto: Antje Messerschmidt ein zusätzlicher Motivationsschub für die Initiativen. Zudem wurden den initiierten und durchgeführten Projekten überwiegend großes Interesse von Seiten der Bevölkerung und positive Reaktionen von den Medien zuteil. Die erste Generation der Kulturinitiativen - Interessensvertretung übernahm eine wichtige Vorreiter- und Amtsblatt 35 Foto: Andrea Impulsgeberaufgabe. Sie setzte sich mit viel Einsatz für bestmögliche Rahmenbedingungen für die freie Kulturarbeit in Tirol ein und leistete zahlreichen neuen Initiativen solidarische Hilfestellung. Bereits in den darauffolgenden Jahren wagten weitere Gruppen den Schritt, sich mit konzeptionellen Kulturprojekten im Rahmen der „Tiroler Kulturinitiative“ zu beteiligen: Pro Vita Alpina mit „Widerständigkeiten“ (im Rahmen der Tiroler Volksschauspiele Telfs), „Alpentöne“ (gemeinsam mit Kultourismus Gurgl) und „Kultur Tourismus Themenschwerpunkt „Heimat“ Foto: Josef Öfner Vision 2009“, Huanza Reutte/Außerfern 97 I Impulsgebend mit „Kultur Zeit“, der Aufwind Oetz mit „Lebensfreude Tanz“ und „DENKart“, auch Drauf Los Huben mit dem „Internationalen Strassenmusikantentreffen“, Arlberger Kulturtage mit „Kein schöner Land“, MuKu St. Johann mit innovativen Musik- und Filmprojekten, die Kulturinitiative Stubai mit „Uraufführungen“ und „Familienfestwochen“ sowie die Villgrater Kulturwiese als „Kulturwallfahrtsort“. In diesen Zeitraum fielen auch die ersten Vorgespräche zum Kauf des Gasthauses „Bierstindl“ in Innsbruck durch Bund, Land und Stadt. Es war der letztendlich gelungene Versuch, zentral in Tirol eine Ansprechstelle für verschiedene Kulturvereine zu schaffen. Bei den diesbezüglichen Gesprächen mit dem damals amtierenden Kulturlandesrat Dr. Fritz Astl und den früheren BM Dr. Rudolf Scholten spielte auch die „Tiroler Kulturinitiative“ eine engagierte Rolle. Die Szenerie der Kulturinitiativen war und ist – ihrer Struktur, ihren Interessensbereichen und Zielsetzungen entsprechend – einem steten Wandel unterworfen. (Kulturarbeit machen immer auch einzelne Köpfe. Zitat: Reinhold Messner). Einige frühere Gruppen arbeiten nach wie vor kontinuierlich, andere haben aus unterschiedlichen Gründen ihre Arbeit eingestellt, neue Initiativen sind entstanden. Auch die Intentionen der neuen Generation innerhalb der Führungsriege der „TKI – Tiroler Kulturinitiativen“ haben sich im Laufe der Jahre zum Teil verändert. Doch kann man mit Selbstverständnis behaupten, dass es den Kulturinitiativen am Land gelungen ist, sich durch kontinuierliche Arbeit stark zu positionieren und Impulsgeber für interessante Entwicklungen zu sein – sie sind einfach nicht mehr wegzudenken aus der kulturellen Landschaft Tirols! Gerhard Prantl 98 Jugendkulturprogramme: „Kultur ist ein Wort, das man im Alltag nicht braucht“, sagt Sonja (Name von der Redaktion geändert). Sonja ist Teilnehmerin eines Forschungsworkshops, den das „Institut für Jugendkulturforschung – jugendkultur.at“ 2006 im Auftrag „TKI“ durchführte, um im Dialog mit Jugendlichen und VertreterInnen von Tiroler Kulturinitiativen Grundlagen für eine an den kulturellen Interessen und Bedürfnissen Jugendlicher ausgerichteten Angebotspolitik zu erarbeiten. Und Sonjas „Sager“ bringt ein Kernproblem der Kulturarbeit für die Zielgruppe „Jugend“ auf den Punkt: Wenn Jugendliche „Kultur“ hören, denken sie in aller erster Linie an hochkulturelle Angebote: Museen, Ausstellungen, Theater etc. Und diese sind – zumindest aus Sicht der Jugend – „etwas für Erwachsene“. Jugendliche haben das Gefühl, dass sich der Sinn und Wert kultureller Angebote nur kulturell gebildeten, erwachsenen KulturkonsumentInnen, die einen kontemplativen Zugang zu Kulturangeboten suchen, erschließt. Kulturarbeit wird von den Jugendlichen als nicht anschlussfähig an ihre persönlichen Alltagserfahrungen erlebt. Angebote des etablierten Kulturbetriebs, aber auch viele Angebote der so genannten „Neuen Kulturszenen“ bleiben für sie damit oft ohne Relevanz. Jugendkulturprogramme Was sich Jugendliche von der Tiroler Kulturarbeit wünschen J Interessanter Weise sind es, wie die Jugendlichen aus dem TKIForschungsworkshop „St. Johann“ betonen, dabei nicht so sehr die Themen, die im etablierten Kulturbetrieb aufgegriffen werden, die Kulturangebote für Jugendliche uninteressant machen, sondern es ist vor allem die Art und Weise, wie diese Themen angepackt werden und wie und in welchem Rahmen sie präsentiert werden. „Die Aufmachung ist meistens langweilig, obwohl die Thematik interessant wäre ...“, so lautet der Grundtenor. „Und die Jugend braucht immer etwas, das auf sie ausgerichtet ist“, tönt die Forderung an die Kulturarbeit, die daran anschließt. Wie ist das zu verstehen? Nun, zum einen heißt das, dass Jugendliche Kulturangebote wünschen und brauchen, die sich mit ihrem alltäglichen Leben in Beziehung setzen lassen, aber auch, dass es innovativer Vermittlungsangebote bedarf, die scheinbar Alltagsfernes alltagsnah präsentieren und ausreichend Hintergrundinformationen bieten, die es den Jugendlichen ermöglichen, das Gezeigte bzw. Gesehene zu begreifen und verorten. Zum anderen wünschen sich Jugendliche Kulturangebote mit hohem Erlebnisfaktor: Intellektuelle Distanz gegenüber den Kulturangeboten ist ihnen ebenso fremd wie ein betont reflexiver Zugang, der für die klassische Hochkultur-Rezeption als typisch gilt und auch in Teilen der „Neuen Kulturszene“ vorherrschend ist. Jugendliche setzen auf Kultur als Erlebnisraum und auf Kultur als „Live-Event“. Kulturgenießen geht bei ihnen immer einher mit emotionalem Involviert-Sein. Und hier schließt auch gleich eine dritte Forderung der Jugendlichen an: Mehr niederschwellige, gering institutionalisierte Angebote, die zum Mitgestalten einladen oder zumindest zum Ausprobieren, fänden sie gut und wichtig. Während die Jugendlichen zum etablierten Kulturbetrieb aus den genannten Gründen also eher auf Distanz gehen, klingt „Jugendkulturarbeit“, wie 99 J Jugendkulturprogramme der Forschungsworkshop mit Tiroler Jugendlichen zeigt, für sie interessant. Jugendkulturarbeit, so wie Jugendliche sie verstehen, setzt bei einem radikal erweiterten Kulturbegriff an, der an der Schnittstelle von jugendlichem Alltag und medien-vermittelter Populärkultur verortet ist. Schlüsselthemen der Jugendkulturarbeit sind demzufolge jene Themen, die die zeitgenössischen Jugendkulturen und Jugendszenen prägen. Allem voran geht es dabei um jugendkulturspezifische „Skills“, also bestimmte kulturelle Kompetenzen, und jugendkulturelle „Styles“ im Sinne von bestimmten ästhetischen bzw. kreativen Praxen, die die Jugendkulturen und Szenen prägen. Wenn es nach der Zielgruppe geht, sollten sich Jugendkulturprogramme an jugendkulturellen Schwerpunktinteressen orientieren: an Musik, Film und „Neue Medien“, aber auch Funsports, Competitions. Und sie sollten allerlei informelle Kommunikations- und Interaktionsangebote bieten, die eine gemeinsame Auseinandersetzung bzw. ein gemeinsames Erleben von (Jugend-)Kultur möglich machen. Ergänzend dazu sind auch Angebote, die eher im Bereich der etablierten Kultur zu verorten wären, sowie Angebote, die gesellschaftspolitische Fragen zum Thema machen, denkbar – allerdings unter der Voraussetzung, dass sie das Gesamtprogramm nicht dominieren und dass sie über innovative Vermittlungskanäle (z.B. „open stage“) angeboten werden. Die Frage nach dem kulturellen Wert einzelner Angebote eines Jugendkulturprogramms stellt sich für die Jugendlichen übrigens kaum. Konkret heißt das: Rockkonzerte und Karaoke können in Jugendkulturprogrammen prinzipiell ebenso nebeneinander stehen wie hohe Bühnenliteratur und Volkstheater. Projektbeispiel – TKI-Forschungsworkshop St. Johann: Tiroler Jugendliche entwickeln ein Programm für eine Schwerpunktwoche zum Thema „Jugendkultur“ • Montag: „Themenabend“ mit Diskussionen zu verschiedensten Themen aus den Bereichen Politik, Musik, Kultur, ferne Länder. Der Abend wird nicht als klassische „Runde-Tisch-Diskussion“ anlegt, sondern im Zugang (und Abgang) möglichst offen gestaltet: „wenn einem ein Thema reicht, geht man einfach zum nächsten“. Dieser Themen-Montag ist aus Sicht der Jugendlichen im engeren Sinne „ein Kulturabend, den wir aber nicht Kulturabend nennen dürfen – sonst kommt ja wieder keiner hin.“ • Dienstag: Karaoke und Theater, wobei Theater sowohl hohe Bühnenliteratur als auch Volksbühne bedeuten kann • Mittwoch: Sport-Turniertag mit Siegerehrung und einem Grillabend mit Open End; mit diesem Angebot sollen auch eher kulturferne Jugendliche angesprochen werden • Donnerstag: „Chill-Tag mit orientalischem Touch“ • Freitag: Live-Konzert-Tag – es spielen zwei bis drei Bands • Samstag: „DJ-Disco“ – Samstag ist also Party angesagt • Sonntag: „Filmtag“ – den ganzen Tag werden verschiedenste Filme gezeigt; abends gibt es ein aktuelles Film-Highlight 100 Wenn es nach den Jugendlichen geht, müssen Jugendkulturprogramme auf das Prinzip Vielfalt setzen – frei nach dem Motto: Für jede und jeden sollte etwas Passendes dabei sein. Ihr Ziel wäre, möglichst breite Schichten und insbesondere auch eher kulturferne Jugendliche mit jugendkulturellen Thematiken anzusprechen und für eine erlebnisorientierte Auseinandersetzung Beate Großegger J Jugendkulturprogramme mit unterschiedlichen (Jugend-)Kulturen zu gewinnen, um dann weitergehend vielleicht auch eine reflexive Beschäftigung mit den in den Jugendkulturprogrammen aufgeworfenen Themen und Stilen anzuregen. Kurz gesagt: Sie wünschen sich ein abwechslungsreiches Programm, das auf verschiedene Kulturbedürfnisse reagiert und dabei möglichst niemanden außen vor lässt. Was das für die Tiroler Kulturarbeit bedeutet, scheint klar: nämlich einerseits Mut und Bereitschaft, sich in der Angebotspolitik mit dem Populären und scheinbar Trivialen, das im Alltag der Jugendlichen eine bedeutende Rolle spielt, stärker auseinander zu setzen, und andererseits eine intensive Beschäftigung mit kulturpädagogischen Konzepten, die jugendkulturelle Themen in einer für Jugendliche spannenden Art und Weise für kulturelle Bildung und kulturelle Partizipation erschließen. 101 K Kabarett und Kleinkunst 102 Kabarett und Kleinkunst Die große, vielleicht sogar größte Kunst an der Kleinkunst besteht darin, mit wenig Geld, idealerweise geringem technischen, räumlichen und personellen Aufwand und viel Idealismus, Kultur zu schaffen. Wenig subventioniert und in seiner Wertigkeit manchmal unterschätzt, stellt der Bereich Kleinkunst ein wichtiges Pendant zu „mainstream“, „eventkultur“ und ausgewählten Großprojekten dar und ist aus dem breiten Feld der darstellenden Künste nicht wegzudenken. Wo künstlerischer Anspruch, innere Passion, Ideenreichtum, Lust und Können miteinander verschmelzen, entsteht Kleinkunst auf hohem Niveau. Professionalität und Qualität zeichnen zahlreiche Projekte, Produkte und Ergebnisse der „Tiroler Szene“ aus. Das Spektrum der freien Theater-, Musik- Tanzgruppen und Formationen ist breit, wobei die Grenzen der einzelnen Genres zum Teil fließend und spartenübergreifend verschwimmen. Sehr wohl unterschiedlich sind Akzeptanz, Bekanntheitsgrad, Zuschauerzustrom und Publikumsreaktion. Als Mitglied von „tris“, einem Clownfrauen-Trio aus Tirol, möchte ich diese Feststellung beschreiben. Nachhaltig beeindruckt von der florierenden Kleinkunstszene und den großartigen Clowns, die in den 80´ger und 90´ger Jahren des 20. Jahrhunderts von Norbert Pleifer ins Innsbrucker Treibhaus und von Klaus Bucher ins Utopia geholt wurden, bin ich mittlerweile selber zur Clownin geworden und feierte 2003 die Premiere unseres ersten Bühnenprogramms in Innsbruck. Sehr unterstützend ließ sich das KulturGastHaus Bierstindl auf das Wagnis ein, der Clownerie eine Chance zu geben. Robert Renk, der damalige Geschäftsführer legte uns aber sehr nahe, unser Programm unter dem Namen Musikkabarett oder Comedy zu verkaufen, da diese Sparten der Kleinkunst publikumswirksamer schienen und sich unter Clownerie kaum jemand etwas vorstellen konnte. Da wir Clowns sind und sich in der Clownerie unser Herz mit und unserem Können verbindet, gingen wir das Wagnis ein – und sind nach wie vor erstaunt und dankbar für den Erfolg unseres Tuns. Immer öfter erreichen uns Rückmeldungen, immer mehr wird uns bewusst: das Bedürfnis und die Sehnsucht der Menschen nach niveauvoller Unterhaltung ist groß und gewinnt zunehmend an Bedeutung. Der Wunsch, unbeschwerte Momente zu erleben, einzutauchen in eine andere Welt, den Alltag für kurze Zeit hinter sich zu lassen, wieder einmal so richtig lachen zu können und zu genießen, wird immer wieder geäußert und ich sehe es als wunderschöne Bestätigung unserer Arbeit, dass wir dem sehr oft gerecht werden können. Die Clownfigur mit all ihrer offen gelebten menschlichen Verletzlichkeit, mit all ihren Stärken und Schwächen, ihrer Fähigkeit zum Scheitern an Situationen, Dingen, Menschen, - und nicht zuletzt an sich selbst, lässt das Publikum sehr nahe an sich heran und bietet die Möglichkeit, jedes Scheitern als Neubeginn zu erleben und sich gespiegelt in Facetten der Figur wiederzufinden. Clownerie ist wieder bekannter geworden und hat Freunde gefunden. Dennoch machen wir immer wieder die Erfahrung, dass unser Programm als Kabarett angekündigt wird. Das Genre „Kabarett“ boomt, ist etabliert und hat im Bereich Kleinkunst vielleicht den größten Bekanntheitsgrad und Stellenwert. Ich habe den Tiroler Kabarettisten Alex Kröll gefragt, was seiner Meinung nach das Kabarett auszeichnet und wie es sich von Comedy und Clownerie unterscheidet. Dabei kristallisierte sich heraus, dass sich Anspruch und Auftrag im Laufe der letzten hundert Jahre stark verändert haben und die K Kabarett und Kleinkunst Grenzen zu artverwandten Genres aus dem Bereich Kleinkunst nicht mehr eindeutig feststellbar sind. Vom launig leichten Humor über politische und gesellschaftskritische Präsenz stand das Kabarett lange Zeit im Spannungsfeld zwischen Unterhaltung und politischem Auftrag. Der Haller Otto Grünmandl, ein Meister des höheren Blödsinns und der alltäglichen Skurrilitäten, machte in den 80´ger Jahren des 20. Jahrhunderts den Auftakt zur Solo-Kabarettwelle. Seither rücken die aktuellen Tiroler Kabarettisten, wie Gerhard Sexl, die Schienentröster, Lachgas, Alex Kröll, der in Tirol lebende Vorarlberger Markus Linder,... u.a. in unterschiedlichster Präsentationsweise immer mehr sich selbst und den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Mit der „Bierstindl Röhre“ versuchen Claudia Moser und ihr Team einen Tiroler Kleinkunst3 hohe … Foto: Stefan Dietrich preis zu etablieren, der NachwuchskünstlerInnen eine geeignete Plattform bietet, sich und ihr Tun zu zeigen. Offen für alle Facetten der Kleinkunst ist dieser Bewerb Motivation und Sprungbrett für talentierte „newcomer“. Die ersten vielversprechenden Programme der Fetthennen, von Berndt Steidl, Petra Alexandra Pipan,... u.a. hatten bereits Premiere oder sind im Entstehen. Gemeinsam ist allen KleinkünstlerInnen die durchTris „orchideen im sarg“ Foto: Ekkehard Schönwiese wegs geringe, oft sogar solistische Besetzung ihrer Programme, der meist unkomplizierte Einsatz von Licht und Ton, vergleichsweise minimale Anforderungen an Bühnengröße und Technik, im Fall transportable Kulissenteile und die Mitnahme möglichst weniger Requisiten. Das alles ist Voraussetzung und Notwendigkeit, um an wechselnden Spielorten aufzutreten. Die intime Atmosphäre kleinerer Bühnen schafft oft eine große Nähe zwischen Bestpressfoto Foto: Christof Dornauer den DarstellerInnen und dem Publikum und zählt für mich zu den schönsten Momenten jedes Auftrittes. Zum Glück gibt es auch in der Sport- und Kulturhauptstadt Innsbruck sowie in den Bezirken Tirols Auftrittsorte mit guter alter Tradition, Reiz und Flair, sowie idealistische neue Spielstätten, die an Kleinkunst glauben und den vielen aktiven Kleinkunsttreibenden die Möglichkeit geben, Flaschen Chrissi Foto: Ekkehard Schönwiese ihre künstlerische Arbeit zu präsentieren. Es lebe die Vielfalt! Toi!Toi!Toi! Christina Matuella 103 L Lokale Kulturarbeit an der Peripherie 104 Lokale Kulturarbeit an der Peripherie „Schaut man dorthin wo Kultur passiert scheint es auf den ersten Blick einen Magnetismus zu geben, der die Kunst im Großraum von Metropolen konzentriert.“ Diese Feststellung formulierte der österreichische in Berlin lebende Autor Peter Glaser anlässlich eines Literatur- und Medienprojektes in einer Kleinstadt im Tiroler Unterland, um weiter zu erkennen, dass es aber gerade Städte mittlerer Größe sind, „ in denen sich die Kunst wie Laserlicht zu ganzer Schärfe und Dichte versammelt.“ Es sind also Orte an der Peripherie, Kommunen am Land wo Kunst und Kultur blüht. Das liegt nicht nur an der gesunden Luft, wenngleich auch eine harmonische Umgebung individuelle Kulturleistungen mitgefördert hat. Gustav Mahler schuf in seinem Komponierhäuschen im Pustertal großartige Musik und Martin Kippenbergers Arbeitsaufenthalt in Tirol war so produktiv, um in einem viel beachteten Buch zusammengefasst zu werden. Gerade bei Kippenberger mag ein Umstand mitgeholfen haben eine so dichte Werkgruppe entstehen zu lassen, der für das Entstehen von Kultur am Land allgemeine Gültigkeit hat. Nämlich, dass man sich hier noch an Inhalten und formalen Erscheinungen reiben kann, weil niemand Angst hat etwas Falsches zu sagen. Das dörfliche Milieu erleichtert eine tiefer greifende Diskussion und fordert Produzenten, Vermittler und Rezipienten gleichermaßen auf, aus der Reserve zu kommen. Kulturarbeit am Lande formuliert immer wieder aufs Neue Fragen, die in der Stadt keiner mehr stellt. Zuhören und reden ist die Voraussetzung für jede nachhaltige Kulturarbeit, das ist vielleicht im ländlichen Raum leichter, weil die Strukturen einfacher sind, und gleichzeitig die Chance von den Rändern her lokale wie globale Fragen immer wieder zu formulieren und so den Boden für Neues und Ungeprobtes zu bereiten. Damit ein urbanes Publikum anzusprechen, und das soll nicht verschwiegen werden, ist auch Motivation und Ehrgeiz regionaler Kulturarbeiter. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Kulturarbeit im ländlichen Raum und auch ihre augenscheinlichste Qualität ist das Verhältnis zwischen der Kultur und ihrem Ort. Schon lange haben in den diversen ländlichen Festzelten Coverbands mit zumeist schlecht gespielten popmusikalischem Programmen (bevorzugt aus den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts), die volkstümlichen Tanzkapellen abgelöst. Das ist falsch verstandenes Weltbürgertum, weil nicht gleichzeitig lokal argumentiert wird, was in den Tanzmusiken wenigstens ansatzweise noch geschehen ist. Kultur am Lande muss selbstbewusst lokale Besonderheiten in den globalen kulturellen Diskurs werfen. Eine nachhaltige Kulturarbeit hat die Aufgabe gerade diese Besonderheiten aufzuspüren und sie im globalen Zusammenhang auf ihre zeitgenössische gesellschaftliche Relevanz zu prüfen. Damit ist die ländliche Kultur immer auch eine soziale. Kulturarbeit am Lande heißt zunächst das nötige Selbstbewusstsein zu entwickeln, um dann jene kreativen, strukturellen und finanziellen Rahmenbedingungen zu schaffen, die notwendig sind eine vorort entwickelte Produktion, Präsentation und Vermittlungsstrategie über die Region hinaus zutragen. Gelungene Beispiele dafür gibt es. Zuerst jenes 2001 vom Kulturverein L Lokale Kulturarbeit an der Peripherie Musikkultur St. Johann realisierte Musikprojekt zu Christian Blattl.1 Christian Blattl, Bauer und Musikant in St. Johann starb 1865 und hinterließ mit seinen Liedern ein unschätzbares Bildnis der sozialen Zustände seiner Zeit. Musikkultur St. Johann hat dazu den österreichischen Jazz- und Avantgardemusiker Max Nagl beauftragt die Lieder Blattls neu zu arrangieren. Mit Jazzquartett und einem gemischen Chor aus St. Johann ist eine neue Musik entstanden, ein gelungenes Beispiel der Verbindung von Tradition und Gegenwart und ein Zeichen gelebter Kultur in einer ländlichen Region. Ähnlich ausgerichtet war ein Projekt von SPUR.im Sommer 2006. Hier wurde unter dem Titel „Zigeunerisch gespielt“2 eine volksmusikalische Besonderheit des Gitarrespiels, nämlich jene mit offener Stimmung, wie es heute noch vor allem in Zigeunerisch g’spielt; Toni Silberberger mit der Wildschönau gepflegt wird, den ähnlich Partner; Wörgl 2006 Foto: SPUR gelagerten open tunings amerikanischer Blues- und Ragtimespielweise gegenübergestellt. Ergebnis war ein gegenseitig anregendes Gipfeltreffen Unterländer Gitarristen mit dem Wiener Bluesgitarristen Michael Langer. Und zuletzt darf ich noch auf ein Projekt hinweisen, das SPUR im Sommer 2007 mit der Künstlergruppe WochenKlausur realisiert hat3. Wörgler Warkenpaket Foto: WochenKlausur Auf Einladung von Kunstinstitutionen entwickelt die Künstlergruppe WochenKlausur seit 1993 kleine, aber sehr konkrete Vorschläge zur Verringerung gesellschaftspolitischer Defizite und setzt diese Vorschläge auch um. Künstlerische Gestaltung wird dabei nicht mehr als formaler Akt sondern als Eingriff in unsere Gesellschaft gesehen. Wörgl haben WochenKlausur zum Zentrum eines Diskurses rund um die Themen alternativer Geldverkehr und soziale Wirtschaft gemacht. Anknüpfend an das Wörgler Experiment von 1932 werden Texte renommierter Wirtschaftswissenschaftler zum sozialen Wirtschaften im Internet und in den Online Redaktionen der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ als auch der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ veröffentlicht. Der Diskurs verläuft in Form einer Kettenreaktion, wobei Autorinnen und Autoren in systematischer Reihenfolge auf den jeweils zuvor veröffentlichten Text reagieren. Als Tauschleistung erhalten alle an dieser Kette Beteiligten einen exklusiven Geschenkkorb mit Waren aus Wörgl, gesponsert von regionalen Wirtschaftsunternehmen. Ausgehend von einem lokalen Ereignis wird hier für jedermann via Internet nachlesbar international darüber diskutiert ob Regiowährungen auch heute in den Dienst eines weitsichtigen und sozialen Wirtschaftens gestellt werden könnten. Eine weitreichende Debatte mit einem Open End ist eröffnet. 1 Max Nagl und Seinehonsinger, Blattl Lieder, erschienen 2001 auf idyllic/ex 2 Dazu sei verwiesen auf die Feldforschungen von Stefan Hackl und die CD „In oaner Dur…“, 2003 3 http://weitsichtig-wirtschaften.woergl.at Günther Moschig 105 M Migration und interkulturelle Programme Migration und interkulturelle Programme Die Initiative Minderheiten Die Initiative Minderheiten tritt ein für eine minderheitengerechte Gesellschaft, in der individuelle Lebensentwürfe unabhängig von Merkmalen wie ethnischer, sozialer oder religiöser Zugehörigkeit, sexueller Orientierung und Behinderung als gleichberechtigt und gleichwertig anerkannt sind. Eine Gesellschaft ist nur dann minderheitengerecht, wenn sie die verschiedenen Lebensentwürfe gleichmäßig und gerecht ermöglicht und fördert. Romagruppe Die sechs anerkannten Volksgruppen in Österreich 1. Slowenen: in Kärnten und der Steiermark 2. Burgenländische Kroaten: im Burgenland als Volksgruppe anerkannt 3. Ungarn: in Wien seit 1992 und im Burgenland seit 1976 als Volksgruppe anerkannt 4. Roma und Sinti: in ganz Österreich seit 1993 als Volksgruppe anerkannt 5. Tschechen: in Wien seit 1976 als Volksgruppe anerkannt 6. Slowaken: in Wien seit 1976 als Volksgruppe anerkannt 7. Ethnische Minderheit in Tirol: Jenische, auch Karrner genannt. Sie sind keine eigene Volksgruppe und entwickelten zum Schutz eine eigene Sprache. Romed Mungenast, der 2006 verstarb, war ein wichtiger Vertreter der Jenischen Literatur in Tirol. Der Artikel 7 des österreichischen Staatsvertrages von 1955 garantiert die formale Anerkennung der Rechte, jedoch sind diese Minderheitenschutzbestimmungen nur teilweise umgesetzt. Zu den neuen ethnischen Minderheiten in Österreich zählen MigrantInnen (vorwiegend aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien u.a.) und AsylwerberInnen und Flüchtlinge (Iraker, Iraner, Bosnier, Kosovo-Albaner etc). Ausgewählte Aktivitäten der Initiative Minderheiten seit 2004 106 Im Jänner 2004 trat ich meine Funktion als Geschäftsführerin der Initiative Minderheiten (IM) in Innsbruck an. Unsere Zielsetzung ist es, Veranstaltungen – schwerpunktmäßig mit kulturellem Charakter, aber auch mit anderen Inhalten – integrativ umzusetzen und Möglichkeiten der Begegnung und des Austausches von „Mehrheiten und Minderheiten“ zu schaffen. Durch die Mitarbeit in Plattformen und politischen Gremien ist unsere Präsenz in der Integrationsarbeit gewährleistet. Die Aktivitäten der IM umfassen eine große Bandbreite. Eine Tradition der IM sind Lesungen mit Autoren der diversen Minderheiten in Österreich: Romaliteratur mit Ilija Jovanovič (Obmann des Romano Centro in Wien), Ahmet Cetin Terzioglu (türkischer Dichter in Vorarlberg), Arin Sharif-Nassab (Buchpräsentation „Über-Lebensgeschichten, Der Holocaust in Krakau“), Carina Schenkenfelder/Nadja Mösinger/Karin Doblander (Buchpräsentation „What is scho normal?“, Kurzgeschichten über Selbstbestimmtheit und Freundschaft zum Thema Menschen mit Behinderung). Foto: Yeliz Dağdevir Das Thema MuslimInnen in Tirol hat sich als Jahresschwerpunkt seit 2004 durchgesetzt. „Muslimische Stimmen für den Frieden und gegen Terrorismus“ lautete das Motto einer Friedensveranstaltung, die als Reaktion auf die politische Instrumentalisierung der Religionen initiiert wurde. November 2004 organisierten wir eine Podiumsdiskussion zu „Schlachten oder Schächten? – Tierethos fernab von Klischees“ mit muslimischen und jüdischen VertreterInnen. Feber 2006 fand eine Friedenskundgebung anlässlich des Karikaturenstreits über den Propheten Muhammed mit dem Motto „ChristInnen und MuslimInnen laden ein - für Frieden und gegen Gewalt und Provokation“statt. Mentoring für Imame stellt ein weiteres Projekt der IM dar, welche in Kooperation mit dem Land Tirol, dem Friede-Institut für Dialog und der ATIB Moscheegemeinde durchgeführt wird. In diesem Pilotprojekt sollen Imame zu Themenbereichen des interreligiösen Dialoges geschult werden. Dadurch soll der Zugang zu den MuslimInnen in Tirol langfristig gewährleistet und deren Partizipation und soziale Integration besser gefördert werden. Diese Themen fanden regelmäßig ihren Niederschlag im Integrationskalender des Landes Tirol. M Migration und interkulturelle Programme Im Rahmen der Buchreihe „Neue österreichische Lyrik“ publizierte Gerald Kurdoğlu Nitsche gemeinsam mit meiner Wenigkeit „heim.at – Anthologie türkischer Migration“. Die Autorinnen und Autoren, deren Gedichte in sechs Sprachen versammelt sind, schreiben über das Leben in der Fremde. Die Vielfalt der Sprachen (Türkisch, Kurdisch, Aramäisch, Armenisch, Romanes und Deutsch) ist ein Spiegelbild der Pluralität in der Türkei wie auch in Österreich. Es fanden mehrere Lesungen in Tirol sowie in Wien statt. Der EU-Beitritt der Türkei bleibt ein hochaktuelles Thema, dem wir uns mit einem Schwerpunkt im Juni 2007 im Zuge einer Kultur- und Politikveranstaltung angenähert haben. Über die Literatur wurden Werte und Schätze der türkischen Kultur vermittelt und neue Sichtweisen durch KünstlerInnen gewonnen. Es lasen Nedim Gürsel und Yüksel Pazarkaya. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion wurden Vor- und Nachteile eines möglichen Beitritts diskutiert. Die Musik ist ein grundlegendes und verbindendes Element in jeder Kultur. Im Rahmen der interkulturellen Konzertabende „Echos der Vielfalt“ wurden MusikerInnen und Musikgruppen aus der Türkei, Bosnien, Afrika, Ägypten, Griechenland, Peru etc. vorgestellt. Afrikanerinnen in Tirol Unser afrikanischer Mitarbeiter Daniel Ndundua-Dratele hat Ende 2005 den Themenbereich Afrika übernommen. Das Ziel ist es, Möglichkeiten der Begegnung zwischen AfrikanerInnen und TirolerInnen zu schaffen und beide Seiten zu sensibilisieren bzw. zu mobilisieren. Der Afrika-Tag im April 2007 war ein großer Erfolg. Aus dem Afrika-Tag ist ein neuer Verein, die „Initiative zur gelebten Integration“ (IzgI) ins Leben gerufen worden, der die umfassenden Zielsetzungen des Afrika-Projekts integriert und weiter konzeptuell entwickeln bzw. verfolgen wird. Roma Kultur – Woche in Innsbruck Die Initiative Minderheiten in Innsbruck, das Caritas Integrationshaus und das Haus der Begegnung organisierten vom 17.-24. Juni 2006 eine Romawoche 107 M Migration und interkulturelle Programme 108 in Innsbruck. Die Geschichte der Roma ist eine Geschichte der Verfolgung. Ruža Nikolić-Lakatos gab als Auftaktveranstaltung ein Konzert in Innsbruck. Die Roma Ausstellung, welche eine Woche dauerte, ermöglichte einen Einblick in die Geschichte und Kultur der Roma in Österreich. Eine Podiumsdiskussion mit Roma VertreterInnen, das internationale Roma Kultur-Festival im Integrationshaus sowie eine Romalesung von Gitta Martl und Nicole Sevik aus dem Buch „UNS HAT ES NICHT GEBEN SOLLEN“ waren weitere Höhepunkte dieser Woche. Zuletzt hat die IM einen Kulturen- und Anerkennungspreis der Stadt Innsbruck ins Leben gerufen. Die Stadt Innsbruck bekennt sich mit diesem PREIS DER KULTUREN zu einem Selbstbild der Vielfalt. Die Erstverleihung soll voraussichtlich 2008 erfolgen. Christlich-Muslimische Dialoggruppe in Innsbruck (CMD) Entstehung Die Dialoggruppe entstand im Dezember 1997. Grundstein war eine Initiative von Seiten muslimischer Studierender, die an die Fachschaft Theologie herantraten und diese zu einem Essen im Fastenmonat Ramadan einluden. Die damals ca. vierköpfige Gruppe beschloss, eine öffentliche Veranstaltung zum Thema „Die Bibel und der Koran“ an der Theologie zu organisieren. Diese Veranstaltung, welche auf großen Anklang stieß und die damaligen Mitglieder in ihrem Vorhaben bestätigte und ermutigte, wurde zur eigentlichen Geburtsstunde der Dialoggruppe. Die CMD ist der Fachschaft Theologie angegliedert. Ziel der Initiative war es stets, prioritär den Dialog auf der Basisebene zu fördern, auch wenn Gespräche und Veranstaltungen mit FunktionärInnen auf höheren Ebenen erfolgten. Ziele des interreligiösen Dialogs Der interkulturelle Austausch stellt die Basis für ein friedliches Zusammenleben in einer multikulturellen Gesellschaft und auch für den Weltfrieden dar. Er ist so wichtig wie das tägliche Brot und vermeidet die Bildung von Subkulturen. Ich bin der Überzeugung, dass jede Kultur von anderen Kulturen lernen kann. Als Österreicherin, Türkin und Muslimin möchte ich betonen, dass die Internalisierung der verschiedenen Kulturen sehr wohl möglich und zudem notwendig ist. Andernfalls werden die zugewanderten Menschen ihre neue Heimat wohl kaum als solche wahrnehmen können. Um diese Bereicherung im Leben zu erfahren, müssen in jeder Kultur eigene Wurzeln gepflegt werden. Denn nur gut verwurzelte Menschen sind im Stande, sich im eigentlichen Sinne für den interkulturellen und interreligiösen Dialog zu öffnen. Alle Religionen betonen die Grundwerte wie Nächstenliebe, Toleranz und Frieden. Die Pluralität in der Welt ist gottgewollt. Die Mitglieder der CMD gewinnen ihre Motivation zum Dialog aus dem eigenen Glauben und sind bemüht, der Forderung Gottes gerecht zu werden. Das Ziel ist es, sich als gleichwertige BürgerInnen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen zu begegnen und den Anderen in seinem Selbstverständnis wahr zu nehmen. Dialog bedeutet, stets beidseitig Vorurteile abzubauen und Bewusstseinsbildung zu fördern. Wenn es um Religionen geht, besteht stets die Gefahr, dass diese politisch instrumentalisiert werden. Die Folge ist die pauschale Verurteilung einer ganzen Gemeinschaft. Daher besteht unsere Aufgabe darin, Möglichkeiten der Begegnung zu schaffen, um Vorurteile und Berührungsängste ab zu bauen. Schwerpunkt ist das sogenannte Schulprojekt. Je ein christliches und muslimisches Mitglied gestalten eine Doppelstunde in einer Oberstufenklasse. Das Programm ist sehr vielfältig: Bilder, Musik, Psychologie der Wahrnehmung des Fremden, Einführung in den Islam bzw. Christentum, praktische Vorführung von Gebeten und Ritualen mit abschließender Diskussion brennender Fragen. In diesem Zusammenhang erarbeiteten die muslimischen Mitglieder auch einen „Islamkoffer“, der vielschichtige Materialien für das praktische Kennenlernen im Unterricht enthält. ReligionslehrerInnen haben die Möglichkeit, diesen Materialienkoffer am RPI auszuleihen. Erwähnenswert sind auch die Dialogreisen, die regelmäßig organisiert werden. Das Ziel dieser Reisen besteht darin, das Zusammenleben von ChristInnen und MuslimInnen in anderen Ländern zu erleben und neue Erkenntnisse und Erfahrungen zu sammeln. Die Dialoggruppe unternahm Reisen nach Istanbul zur österreichischen St. Georgsgemeinde, wo die Gruppe an der Ostermesse teilnahm, nach London, Paris und Kairo. Im Rahmen von Moschee-, Kirchenund Klosterführungen erleben Interessierte im konkreten Austausch und der Teilnahme an religiösen Feiern das Teilen von Gemeinsamkeiten. In Schulungen von diversen Berufsgruppen wie dem Gesundheitspersonal, LehrerInnen, KindergärtnerInnen und der Exekutive geben wir Hilfestellungen und Anregungen im Umgang mit MuslimInnen. Die Präsenz in der Öffentlichkeit und in den Medien gewährleistet das Erreichen einer breiteren Zielgruppe. In Tirol existieren mehrere Initiativen und Einrichtungen, die sich dem interreligiösen Dialog widmen, so u.a. die interreligiöse Plattform in Hall, das Caritas Integrationshaus, das Friede – Institut für Dialog, die Friedensglocke in Telfs, die Ökumenische Kontaktstelle für den interreligiösen Dialog der Diözese. Die Dialoggruppe hat zuletzt einen Stadtplan von Innsbruck erarbeitet, der alle religiösen Gemeinschaften und Initiativen sichtbar macht. Zwischen den Gemeinden in den einzelnen Stadtteilen sollen Brücken der Freundschaft gebaut und das Miteinander gefördert werden. Der Stadtplan wird Anfang 2008 im Rahmen einer Veranstaltung präsentiert. Migration und interkulturelle Programme Aktivitäten der CMD M Yeliz Dağdevir 109 N Neue Kulturinitiativen in Tirol 110 Neue Kulturinitiativen in Tirol Mit Kreativität und Idealismus In Tirol, vor allem in Innsbruck, haben sich in den letzten Jahren immer mehr Gruppierungen formiert, die in der freien Szene als Veranstalter zeitgenössischer Kultur bzw. als Kulturschaffende tätig werden. Diese jungen Initiativen zeichnen sich häufig durch die Arbeitsweise im Kollektiv und einen spartenübergreifenden Ansatz aus. Am Anfang kultureller Tätigkeiten in der freien Szene stehen seit je vor allem die Begeisterung für das jeweils aktuelle Kulturgeschehen und ein enormer Idealismus, sich dieses nicht nur als Konsument, sondern auch aktiv – als KulturProduzentIn oder VeranstalterIn – zu erschließen. In diesem Punkt sind sich alle unabhängigen Kulturinitiativen ähnlich – ganz gleich, ob sie vor 20 Jahren gegründet wurden oder erst vor wenigen Monaten. Kultur-Arbeit wurde und wird in solchen Phasen oft als erweitertes persönliches Interesse verstanden, dem unentgeltlich gefrönt wird. Erst mit zunehmender Professionalisierung, dichter werdenden Programmen und damit einhergehendem wachsenden Aufwand entsteht auch der Gedanke, aus der (bis dahin ehrenamtlich ausgelebten) Berufung einen Beruf zu machen – eine Entwicklung, die sich anhand des Werdegangs jener Initiativen, die seit mehreren Jahren in der freien Kulturszene arbeiten, gut nachvollziehen lässt. Als praktikables Konstrukt erweist sich dabei die Organisation als Verein. Vor allem junge Initiativen unterscheiden sich aber von anderen Vereinen dadurch, dass sie traditionelle Strukturen aufbrechen und ihre Zusammenarbeit und Kommunikation anders gestalten, als es in „klassischen“ Vereinen üblich ist. Die Arbeit wird häufig im Kollektiv durchgeführt, viel interner Austausch funktioniert über neue Medien, beispielsweise über Social-Network-Seiten. Ankündigungen nach außen werden ebenfalls oft unabhängig organisiert: über eigene Email-Verteiler, Flyer, Folder, Mundpropaganda und andere Netzwerke. Dies hängt eng damit zusammen, dass viele der neu gegründeten Gruppierungen in der freien Szene lieber miteinander als nebeneinander her oder gar gegeneinander arbeiten. Kommunikation und Vernetzung werden in diesem Zusammenhang als Werte wahrgenommen, die die Qualität der eigenen Arbeit noch steigern. Gut vernetzte Initiativen wie NLK-Kultur, die mit vielen anderen Gruppierungen in Kontakt stehen, nehmen deshalb im Innsbrucker bzw. Tiroler Kulturleben eine zentrale Rolle ein. Sie sind an die Stelle der – im Übrigen ebenfalls sehr erfolgreichen – IndividualistInnen der 80er- und 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts getreten und versuchen ihre Ziele mit gegenseitiger Unterstützung zu erreichen. Für diese Haltung steht auch und vor allem die Plattform mobile Kulturinitiativen – p.m.k, in der rund 30 Vereine gemeinsam dieselben Infrastrukturen nützen. Unter ihrem Dach hat sehr viel Verschiedenes Platz – wenngleich hier auch angemerkt werden muss, dass dieses Viele auf sehr engem Raum geschieht. Der breitere Ansatz, der diese Gruppen strukturell auszeichnet, geht auch mit einem erweiterten Kulturbegriff einher: Viele der neuen Kulturinitiativen sind nicht auf eine Kultursparte spezialisiert, sondern setzen sich mit den unterschiedlichsten Genres auseinander bzw. verknüpfen diese miteinander. Der Kulturverein Wozu Grenzen?!, der sich u.a. mit Theateraufführungen N Neue Kulturinitiativen in Tirol einen Namen gemacht hat, arbeitet beispielsweise mit der MenschenrechtsZeitschrift „Politischer Heftling“ und der Band Nepomuk zusammen. NLKKultur veranstaltet Konzerte, befasst sich mit Medienkunst und organisiert Ausstellungen (u.a. im öffentlichen Raum). Die Gruppe arbeitet auch mit einem Vinylschneider, mit dem Schallplatten – die ja nicht mehr nur „einfache“ Tonträger, sondern auch Kunstwerke, Arbeitsgeräte für DJs u.a.m. sind – in kleinen Auflagen hergestellt werden können. Beim Radikalen Nähkränzchen erweitert sich der Kulturbegriff in Richtung feministische Arbeit und geht damit einher, traditionelles, der (Haus)frauenarbeit zugeordnetes Handwerk umzudeuten: An die Stelle gestickter, gehäkelter, genähter Trautes-Heim-Glück-allein-Romantik treten hier – in denselben Handarbeitstechniken ausgeführt – zeitgemäße Parolen mit Witz und (gesellschafts)politischer Relevanz. Die Vielfalt, der idealistische Einsatz und der Einfallsreichtum bei der Umsetzung von Miss handelt – Arbeit des Radikalen Ideen, durch den sich die jungen Kollektive Nähkränzchens Foto: Christine Pavlic auszeichnen, tragen viel zur Lebendigkeit der Tiroler Kulturlandschaft bei. Diese Qualitäten ambitionierter Kulturarbeit dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie fast durchwegs unter prekären Bedingungen stattfindet. Die Aussichten, als (relativ) junge Kulturinitiative finanzielle Unterstützung nicht nur für einzelne Projekte, sondern Jahresförderungen zu bekommen, sind, auch wenn eine Initiative schon auf eine ganze Reihe geglückter Veranstaltungen verweisen kann, gering. Oft werden auch bürokratische Hürden beklagt, die die Kulturarbeit erschweren oder zumindest einen zusätzlichen Arbeitsaufwand bedeuten. Dazu kommt, dass viele Kulturschaffende bzw. -interessierte spezifische Ausbildungen nur außerhalb Tirols absolvieren können. All das trägt viel dazu bei, dass die in der freien Kulturszene tätigen Gruppen oft einer großen Fluktuation ihrer Mitglieder ausgesetzt sind bzw. ihre Kulturarbeit nicht kontinuierlich fortführen können. Für ein auch weiterhin inspiriertes Kulturleben in Tirol scheint es deshalb unumgänglich, gute Rahmenbedingungen auch für die Arbeit der jungen, innovativen, zeitkulturell orientierten Kollektive zu schaffen. Esther Pirchner 111 O Online Online Kulturinitiativen und Neue Medien Kulturinitiativen und „Neue Medien“ spannt einen weiten Bogen auf. Zwischen Medienkunst auf der einen und Verwendung von Internet, Video und anderer digitaler Spielereien auf der anderen Seite. Medienkunst, die Medien wohl als Verkürzung gesehen für die in Wirtschaftsblasen pulsierenden „Neuen Medien“ die ich beibehalte, ist die Kunst, die sich der Medien bedient. Zumindest des Medienkünstlers alter „Neuer Freund“ Wikipedia erzählt uns dies. Auch als „Medienkünstler“ tätig in diesem Lande, wollte ich erst den Cyberspace erkunden, um meine eigenen Eindrücke nicht frei im Raum hängen zu lassen, sie vielmehr mit ehemals HTML-formatierten Fakten aufbessern. Begonnen bei www.baettle.net, einer Initiative, die sich zum Ziel gesetzt hat die Kulturinitiativen in ihren Schaffensbereichen und Vernetzungen darzustellen. Doch Inhalt und Sparten präsentiert uns zwar 26 Einträge zu Musik, die Sparte Medienkunst existiert nicht. Einen einsamen Eintrag unter „Andere“, „Blick im Winkel“ mit Haupttätigkeit „Videofilmkunst“ dürfte man guten Gewissens zu Medienkunst kategorisieren. Also höchste Zeit für Kulturpessimismus, der Herbst ist ja meiner Meinung nach die beste Zeit dafür. Es bleibt exemplarisch zu erwähnen, dass unsere frisch ausgebildeten Informatiker ein Fach namens „Informatik in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft“ absolvieren müssen, das einzige Fach, das den Einzug der Medienkunst in technische Ausbildungen als Mittel der Auseinandersetzung anbieten würde. Doch unterrichtet wird hier von Theologen, die sich sonst mit gesellschaftsbewegenden Themen wie Pfarrgemeinderäten auseinandersetzen. Viele weitere Ansätze für den Pessimismus gäbe es, als kleine Hausaufgabe für kommende Herbstmonate möge jeder daran selbst weiterarbeiten. Blicken wir einfach auf eine andere Seite: Auf www.mkt.at (medien.kunst.tirol) finden wir ein Verzeichnis einer zweistelligen Anzahl von Medienkünstlern aus Tirol. Wie gesagt aus Tirol, nicht in Tirol. Bei den meisten findet man den Beisatz „lebt und arbeitet in Wien“. Ich will nicht unterstellen in Tirol wären keine Medienkünstler übriggeblieben, vor allem sind auch die Wirtschaftsflüchtlinge nach Wien nicht selten noch immer Bestandteil der Tiroler Szene. Ich kenne allerdings kaum einen Künstler, der seine Tätigkeit strikt auf eine Stadt beschränkt. Und hier gibt‘s noch ein bisschen Kulturoptimismus. Weltweit erfolgreiche Medienkünstler kommen aus Tirol und es gibt sowohl Wege aus Tirol heraus als auch Wege nach Tirol hinein. Innsbruck ist keine Weltstadt der Medienkunst, Tirol ist kein Kernland der Medienkunst, das wird sich wahrscheinlich nicht so schnell ändern. Aber dank bemühter Kuratoren, Veranstalter und Künstler halte ich es immer noch hier aus. 112 Blickt man auf der www.baettle.net Seite tiefer, stolpert man plötzlich ständig über das Wort Medienkunst. Es gibt eine Beschäftigung/ Interessesbeurteilungsskala, die von 0 bis 5 reicht, wobei das Maximum O Online bei 5 angelegt ist. Meine Stichprobenumfrage mit einem Sample von 3 (per Zufallsclick auf den Bildschirm), gab einen Durchschnitt von 4 für Medienkunst. In den Kategorien Literatur und Musik. Durch eine gewisse Demokratisierungsbewegung initialisiert durch verfügbarere Technik und generell erhöhte Medienkompetenz wird die Medienkunst aufgesogen in die verschiedenen Sparten. Und auch unabhängig vom künstlerisch, kulturellen Ansatz werden die „Neuen Medien“ zum wichtigen Werkzeug in der Kulturarbeit. Kaum eine Kulturinitiative ist nicht innerhalb des Internet zu finden, sei es als Homepage oder eingebunden in ein soziales Onlinenetzwerk. Die beiden vorher erwähnten Seiten (www.mkt.at / www.baettle.net) sind nur zwei aus einer Vielzahl an Internetplattformen alleine für den Tiroler Raum. Die Werkzeuge und Angebote zur Vernetzung sind unzählige, nur Vernetzung kam noch selten vom Werkzeug alleine. Neue Medien können die Kulturarbeit sicherlich sowohl inhaltlich um interessante Facetten bereichern und organisatorisch so manches billiger oder schneller machen. Michael Hackl 113 P P wie Prekarisierung 114 P wie Prekarisierung Prekäre Arbeitsverhältnisse sind seit dem Pflichtversicherungsgesetz 1998 für Freiberufler ein Schlagwort in den Medien – weniger ein Stichwort für politische Parteien. Vorerst bleibt man unter sich. „Unter sich“, das sind die „Neuen Selbständigen“, wie der Pool der Freiberufler bei der zuständigen SVA heißt, unabhängig von Berufszugehörigkeiten und Einkommenshöhe. Etwas mehr als 30.000 Neue Selbstständige sind derzeit offiziell erfaßt, man vermutet eine Dunkelziffer aus jenen, welche absichtlich die Grenze von 6000 Euro / Jahr unterschreiten, um nicht abgabenpflichtig zu werden. Von prekären Arbeitsverhältnissen sind auch Freie Dienstnehmer betroffen, die ebenfalls zu den so genannten Atypisch-Beschäftigten gehören, allerdings bei der Gebietskrankenkasse gemeldet sind. Durch die Einführung der Pflichtversicherungen und die Erfindung der „Neuen Selbständigen“ sind viele freiberuflich tätigen ÖsterreicherInnen keine U-Boote mehr, das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist, dass diese Menschen eine Selbstverantwortung tragen, die im Vergleich zum traditionellen Modell der als Arbeiter und Angestelle definierten Bevölkerung gar nicht zu übernehmen ist. Aus der Liste der existenzgefährdenden Bedingungen für Neue Selbstständige (und Freie Dienstnehmer) sind ausschließlich alle besonders alarmierend und stehen in Widerspruch zum Wesen des Sozialstaates: kein Kündigungsschutz, keine Entgeltfortzahlung bei Krankheit, keine Arbeitslosenversicherung, keine Abfertigung bei Kündigung, geringe Wochengeldpauschale bei Mutterschaft, kein Mutterschutz, keine Entgeltabsicherung bei Insolvenz des Auftraggebers, kein Urlaubsanspruch, keinen Arbeitszeitschutz, kein Kollektivvertrag, keine Standesvertretung. Der 13. und 14. Gehalt sowie die Fortzahlung während des Urlaubs rücken angesichts dieser Rahmenbedingungen in die Gefilde des verlorenen Paradieses. Der 20%ige Selbstbehalt, den Neue Selbstständige bei Inanspruchnahme von medizinischer Versorgung leisten müssen, kann rasch einen Abstieg in tiefe Armut und Isolierung bedeuten, wenn eine ernstere, langwierige Krankheit eintritt. Hinzu kommt das Bangen um den nicht gesicherten „Arbeitsplatz“ und das „standing“. – Dasselbe gilt für Freie Dienstnehmer, die aber bei der Gebietskrankenkasse keinen Selbstbehalt leisten müssen. So weit, so schlecht. Gibt es in dieser Konstellation Besonderheiten die Kulturarbeit betreffend? Ich meine, ja. Zum einen ist die Kulturarbeit neben der Sozialarbeit und dem Journalismus ein Segment der Arbeitswelt, in dem prekäre Arbeitsverhältnisse „normal“ sind. - „Kulturarbeit“ meint hier nicht den kreativen Anteil der KünstlerInnen, für die andere, nicht weniger prekäre Umstände gelten, sondern die Vermittlungsarbeit von Initiativen und Einrichtungen als Bindeglied zwischen den Kreativen und dem Publikum. – Von dieser Tatsache abgesehen, eröffnet aber auch ein differenzierter Blick auf den österreichischen Kulturbetrieb interessante Einblicke und Rückschlüsse: Bis in die 1970er Jahre wurde der Kulturbetrieb fast zur Gänze von öffentlich-rechtlichen Einrichtungen getragen und bestimmt. Ab den 1970er Jahren bereicherten alternativen Einrichtungen privater Initiatoren zunehmend das kulturelle Angebot, eine Entwicklung, der kulturpolitisch erstmals 1982 Rechnung getragen wurde, indem das Kulturförderungsgesetz den privatrechtlich-gemeinnützig organisierten P P wie Prekarisierung Initiativen ein eigenes Budget zustand. Länderstellen zogen nach und förderten die lokale Veranstaltungsstruktur, überarbeitete Vereinsgesetze begleiteten den formalen Aspekt. Heute, ein Vierteljahrhundert später, sind die privatrechtlich-gemeinnützigen Betriebe nicht mehr aus dem kulturellen Leben der Städte und Länder wegzudenken, sie sind selbstverständlicher Teil des österreichischen Kulturbetriebes, machen das Angebot lebendig, bieten zahlreiche Alternativen, die von öffentlichen und touristischen Einrichtungen dankbar angenommen und als der gesellschaftlichen Dynamik förderlich empfunden werden. Die Pioniere dieser Entwicklung arbeiteten bereits unter höchst prekären Umständen, lebten vom Geld des Partners oder vom Erbe oder anderweitigen Tätigkeiten. Man darf sie heute ruhig ein bisschen als Heroen und Rebellen glorifizieren. Der Unterschied zu heute besteht im Wesentlichen aus zwei Aspekten: 1) Was einst neu und innovativ war, ist heute etabliert und darf mit Recht als Arbeitsstelle gesehen werden, von der man leben könnte bzw. sollte. 2) Die Sozialromantik eines rebellischen Lebens funktioniert spätestens dann nicht mehr, wenn atypische Beschäftigungsverhältnisse eine Gesellschaft auf allen Ebenen und in allen Berufen ereilt und zu einem Gesamtproblem wird. Dann tritt ein Wettbewerb zu Tage, in dem jeder um sein eigenes Überleben kämpft, kämpfen muß, und dies unter den Regeln der freien Marktwirtschaft. – Tatsächlich und paradoxerweise wird Neue Selbständigkeit an den Maßstäben des wirtschaftsorientierten Unternehmertums gemessen, während es sich in vielen Fällen um schlecht verdienende Individuen handelt, die sich mit viel Findigkeit und Engagement Arbeiten dort suchen und erfinden, wo nicht immer eine ist, oder eben nur schlecht bezahlte. In Österreich wurde das Verständnis der „Kulturnation“ bedingt durch seine Territorialgeschichte, denn besonders von der Kultur versprach man sich jene Identitätsstiftung, die der Staat als geopolitisches Gefüge mit wenig eigenen Merkmalen gegenüber den Nachbarstaaten nicht zu bieten vermochte. Mit dem Aufkommen des Massentourismus rückte die Imagebildung in den Mittelpunkt der Kulturpolitik, gleichwohl blieb Kultur ein Anliegen des Staates – wenn Fördergesetze auch mit dem Zusatz der Förderung „nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel“ nicht tatsächlich einforderbar sind. Die Praxis kennt verschiedenste Verteilerwege, von der Gießkanne über Gremien, und summa sumarum erhalten viele Einrichtungen zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig. Wer auf der staatlichen Verantwortung für den Kulturbetrieb in seiner Vielfalt besteht, wird sich früher oder später mit einem Phänomen konfrontieren müssen: Kulturarbeit wird gerade bei den privatrechtlich-gemeinnützigen Einrichtungen mit einem äußerst geringen finanziellen Niveau bewertet, Entlohnung kann z.B. nicht mit allen Förderstellen abgerechnet werden. Professionalität wird hier schnell mit Spaß verwechselt oder einfach in einem prekären Ausmaß gering geschätzt, was ein nicht zu unterschätzender Grund für die Prekarisierung ist. Darf Kultur Hobby für die KonsumentInnen sein, so doch nicht für jene, die sie anbieten. Die derzeit boomenden Studiengänge für Kulturmanagement finden ihre Legitimation in den schwindenden staatlichen Geldern für Kultur, denen man alternative Finanzierungsmodelle entgegen setzen muß, um die Kultur lebendig zu halten. Diese Studiengänge bieten zugleich die Möglichkeit 115 P P wie Prekarisierung einer Bewußtsseinbildung, zu der es auch gehört, nicht nur den ideellen, sondern auch den finanziellen Wert von Kulturarbeit zu verteidigen, von dessen Schwinden inzwischen auch die öffentlich-rechtlichen Betriebe betroffen sind. Jede Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse führt eine Prekarisierung der Betriebe und in der Folge der Kulturvermittlung selbst mit sich. Zu den Schlagworten „Neue Selbstständige“ und „atypische Beschäftigungsverhältnisse“ reihen sich jene von U-Kultur (Unterhaltungskultur, wirtschaftlich orientiert) und E-Kultur, welche größtmögliche Handlungsund Entscheidungsfreiheit für sich beanspruchen darf, um das, was Kunst und Kultur bedeutet sein zu können, nämlich auch und gerade in ihrem unbequemen Sein als Säule einer Gesellschaft zu fungieren. Nicht alles, was kein Produkt für die Massen ist, muß deshalb gleich elitär sein, nicht alles, das keinen finanziellen Erfolg mit sich bringt, ist ein Mißerfolg. Man wird nicht müde, das zu betonen. – Ebenso wie die Tatsache, dass der geforderten Professionalisierung von kleinen und mittleren Kulturbetrieben eine Professionalisierung der staatlichen Förderstrukturen und -vergabe gegenüberstehen muß. Hand in Hand mit einer Aufwertung der Kulturarbeit, wie sie ihr auf allen Ebenen gebührt. – Prädikatisierung statt Prekarisierung! Verena Teissl 116 Im 20. Jahrhundert verlässt die Kunst die für sie vorgesehenen Räume wie Museen und Galerien ebenso wie das Feld des Privaten und begibt sich in den öffentlichen Raum. Kunst, deren Aktionsfeld in öffentlichen Räumen liegt, bedingt eine geänderte Kunstpraxis. Das Ideal der Autonomie der Kunst wird – zumindest teilweise – aufgegeben. Kunst ist hier nicht Atelierkunst, sondern (meist Kunst im öffentlichen Raum kuratierte) Auftragskunst für ein bestimmtes Foto: plattform Kunst im öffentlichen Raum Projekt. Diese Kunstpraxis hat ihren Beginn am Anfang des vorigen Jahrhunderts. Die russischen Konstruktivisten stellten 1917 eine Kunst vor, die direkten Einfluss auf die Lebensumstände der Bevölkerung nehmen wollte. Futuristen, Dadaisten und Surrealisten drangen mit ihren Aktionen in den Stadtraum vor. Nach dem 2. Weltkrieg Transfair waren es vor allem die Situationisten, Foto: plattform Kunst im öffentlichen Raum Aktionisten und FluxuskünstlerInnen, die im öffentlichen Raum agierten. In den 70iger und 80iger Jahren des 20. Jahrhunderts verband sich das aus dem Minimalismus kommende Ortsverständnis mit einem konzeptuellen Vorgehen. Nicht nur die materiellen und räumlichen Gegebenheiten eines Ortes wurden reflektiert, sondern auch die gesellschaftspolitischen Bedingungen. Ab den 90iger Jahren des 20. Jahrhunderts verstärkt sich dieser Ansatz bei vielen KünstlerInnen, die Themen wie Sexismus, AIDS, Rassismus, Nationalismus, Globalisierung... im öffentlichen Raum zur Diskussion stellen. Kunst im öffentlichen (?) Raum Die plattform kunst~öffentlichkeit (= Andrea Baumann, Christopher Grüner, Michaela Niederkircher, Robert Pfurtscheller, Christine S. Prantauer, Jeannot Schwartz) verweist schon im Namen auf ihr Programm. Kunst. Öffentlichkeit. Kunst im öffentlichen Raum. Unter öffentlichem Raum versteht man Orte, die der Öffentlichkeit frei zugänglich sind wie beispielsweise Straßen, Plätze, Parks, Teile der Natur.... Viele als öffentlich wahrgenommene Räume sind nur scheinbar öffentlich. Dies gilt auch für den medialen öffentlichen Raum, der heute entscheidend Öffentlichkeit mitbestimmt. Einkaufszentren, Tiefgaragen, Plätze, Grünanlagen... stehen in privatem Eigentum und ihre Besitzer bestimmen über deren Nutzung. Der Rückzug des Staates aus vielen ökonomischen und gesellschaftlichen Bereichen geht einher mit einer zunehmenden Privatisierung und Kommerzialisierung öffentlicher Räume. Soziale Heterogenität, Konflikte und Dissenz sind im Allgemeinen in halböffentlichen und zunehmend auch in öffentlichen Q Quergedacht – Kunst im öffentlichen Raum …? Quergedacht Kunst im öffentlichen Raum …? 117 Q Quergedacht – Kunst im öffentlichen Raum …? 118 Räumen unerwünscht. Parallel mit Überwachung und sozialer Ausgrenzung und diese unterstützend läuft ein Prozess der Ästhetisierung von kommerziell wichtigen Stadträumen. (Als eine extreme Form dieser Ausgrenzung seien die sogenannten „Schutzzonen“ – die es auch in Innsbruck gibt - erwähnt, die bestimmten Personengruppen den Zugang zu Bereichen des öffentlichen Raumes verwehren.) Kunst (?) im öffentlichen Raum Im Wettbewerb der Städte und Regionen untereinander wird Kunst häufig als eine Möglichkeit gesehen das Image aufzupolieren. Kunst als Stadtbehübschung und Landschaftsmöblierung ohne subversiven Unterton ist vielerorts gefragt. Schwieriger hat es eine Kunst, die versucht zu intervenieren, die gängige ästhetische und politische Konventionen in Frage stellt und die versucht, darüber in einen Dialog mit der Öffentlichkeit zu treten. Diese Kunst kann temporär, medial, soziologisch, prozesshaft...sein und entzieht sich weitgehend typischer Repräsentationsfunktion und Selbstreferenz. Öffentliche Kunst kann ein Instrument sein gesellschaftspolitische relevante Themen zuhinterfragen. Sie kann eine wichtige Funktion einnehmen bei der Herstellung von Identitäten – neuer und bestehender Stadtteile bzw. Wohngebiete sowie von unterschiedlichen sozialen Gemeinschaften. Wesentlich erscheint mir, dass vor politischen Entscheidungen über Kunst im öffentlichen Raum ein Diskussionsprozess über die beschriebenen Möglichkeiten und Funktionen von Kunst geführt wird. plattform kunst~öffentlichkeit ~ geschenkt Den erwähnten Diskussionsprozess in Innsbruck anzuregen war zunächst der Impuls für die Gründung der plattform kunst~öffentlichkeit 2001. Im Jahr 2002 erarbeitete die plattform ein Konzept zur Initiierung, Vergabe und Finanzierung von Kunstprojekten im öffentlichen Raum. Das Papier, das sich am „Niederösterreichmodell“ orientiert, wurde von der plattform der Stadt Innsbruck vorgestellt und blieb ohne Konsequenzen. Daraufhin begann die plattform das Fehlen jeglicher Strukturen für Kunst im öffentlichen Raum mir öffentlichen Fragestellungen zu thematisieren. 2003 fanden Frage-Lesungen am Vorplatz der sozial- und geisteswissenschaftlichen Universität, im Rahmen des Symposiums „vor lauter berge ...“ auf der Seegrube und bei den Premieretagen statt. Außerdem stellten wir Fragen zu Kunst und Öffentlichkeit auf Plakatflächen im Stadtraum Innsbruck zur Diskussion. Gemäß unserem Ansatz Räume zu erforschen, zu thematisieren, zu diskutieren und damit zu öffnen und zu öffentlichen Räumen zu machen, realisierte die plattform 2004/05 ein Recherchekunstprojekt zu Thema Kunst im öffentlichen Raum am Beispiel eines öffentlichen Bauvorhabens (Neubau Landhaus 2). Um den Kommunikationsprozess weiterzuführen, organisierte die plattform 2006 gemeinsam mit der Tiroler Künstlerschaft eine Diskussions- und Veranstaltungsreihe zum Thema Kunst im öffentlichen Raum mit ReferentInnen aus dem Theoriebereich und VertreterInnen von Künstlergruppen aus verschiedenen Ländern. 2007 wurde unser Projekt trans~fair beim Wettbewerb Kunst im öffentlichen Raum des Landes Tirol zur Realisierung ausgewählt. Das Projekt wurde Anfang Oktober 2007 verwirklicht: eine Schindel des Goldenen Dachls wird ersetzt durch eine Schindel eines Stadels der Wipptaler Gemeinde Vals und im Gegenzug ersetzt die Schindel des Goldenen Dachls die Christine S. Prantauer Q Quergedacht – Kunst im öffentlichen Raum …? fehlende Holzschindel am Valser Stadel. Durch dieses transformatorische Vorgehen werden Themen wie Stadt und Land, Zentrum und Peripherie, (touristische) Öffentlichkeit und (touristische) Abgeschiedenheit, Macht und Repräsentation, Wert und Wertlosigkeit, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, Tausch und Symbol…. usw. beleuchtet. Der oben erwähnte, von der Landesregierung ausgeschriebene Wettbewerb hat einmal mehr die bestehenden strukturellen Mängel in Bezug auf Kunst im öffentlichen Raum aufgezeigt. Es fehlt eine Diskussion über aktuelle Formen von Kunst im öffentlichen Raum, über in- und ausländische Modelle, über inhaltliche und zeitliche Zielsetzungen, über Finanzierungsmöglichkeiten genauso wie über Zuständigkeiten und AnsprechpartnerInnen. Einen Kommunikationsprozess zwischen Kunst und Öffentlichkeit auf künstlerischer und theoretischer Ebene zu initiieren bleibt Ziel der plattform. 119 R Rein in den Äther 120 Rein in den Äther Das Freie Radio Innsbruck FREIRAD 105.9 als Plattform für Freie Meinungsäußerung und Meinungsvielfalt Das Freie Radio Innsbruck FREIRAD 105.9 sendet seit fünf Jahren im Großraum Innsbruck und bietet etwas Einzigartiges, den Offenen Zugang zum Medium Radio. FREIRAD 105.9 unterstützt die aktive Meinungsäußerungsfreiheit und ist somit Garant für Meinungsvielfalt. FREIRAD 105.9 erfüllt so als einziges Medium in Tirol den Auftrag von Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die Idee all jene zu Wort kommen zu lassen, Piratinnen die medial unterrepräsentiert sind, also eine Plattform zu schaffen, die verschiedensten Gruppen und Einzelpersonen Sendeflächen für ihre Themen, Inhalte und Anliegen zur Verfügung stellt, stieß und stößt in der inzwischen fast 20-jährigen Geschichte von FREIRAD 105.9 immer wieder auf Widerstand. Radio ist auch heute nach wie vor das Medium, das die meisten Menschen erreicht. Über 80% der ÖsterreicherInnen geben an, täglich Radio zu hören. Doch Radio im klassischen Sinn passiert nur in eine Richtung. Die HörerInnen verharren in einer passiven Rolle. Sie sind Freies Medium lediglich KosumentInnen des ihnen Dargebotenen. Auf diesen Mangel machte Bertolt Brecht schon 1932 in seiner Radiotheorie aufmerksam als er vorschlug, dass es gelingen müsse die ZuhörerInnen nicht nur Hören sondern auch Sprechen zu machen, sie nicht zu isolieren sondern auch in Beziehung zu setzen. Das ist die Idee eines Freien Radios: seinen HörerInnen einen Offen Zugang zu Sendeflächen anzubieten und ihnen damit zu ermöglichen, sich von KonsumentInnen zu ProduzentInnen zu wandeln. Ein besonderer Schwerpunkt besteht dabei vor allem auf jenen, Studio Freirad deren Themen in herkömmlichen Medien – öffentlich rechtlich oder privat – kein Gehör finden. Daher versteht sich FREIRAD 105.9 auch als der Sender mit der größten Meinungsvielfalt in Tirol. Die Geschichte von FREIRAD 105.9 ist eine lange und nicht immer leichte. Da 1991 in Österreich (im Gegensatz zu allen anderen europäischen Ländern) noch immer keine gesetzlichen Möglichkeiten für nichtstaatliche Radios geschaffen worden waren, bildeten sich im gesamten Bundesgebiet PiratInnenradios. Zu diesem Zeitpunkt war in Innsbruck der PiratInnensender „Radio Radiator“ unregelmäßig zu hören. Da das ORF Monopol eine Einschränkung der Meinungsfreiheit und der Meinungsvielfalt bedeutete, galt es dem etwas entgegenzusetzen. Bald schon begannen die AktivistInnen mit dem Versuch, ihr Recht auf freie Meinungsäußerung im Äther auf eine sinnvolle gesetzliche Basis zu stellen. Mitglieder von Radio Radiator schlossen sich mit den AktivistInnen der anderen „PiratInnensender“ in Österreich zusammen und gründeten die „Pressure Group Freies Radio“. 1993 suchten die Radiator AktivistInnen organisiert als „Verein FREIRAD“ um eine Regionalradiolizenz an. Als diese abgelehnt wurde, reichte FREIRAD (ebenso wie andere Freie Radios Foto: Freirad Foto: Freirad Foto: Gerhard Berger R Rein in den Äther in Österreich) eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein, der Recht gegeben wurde. 1997 erfolgte eine Novellierung des Regionalradiogesetzes und FREIRAD reichte ein weiteres Ansuchen um eine Radiolizenz (diesmal eine Lokalradiolizenz für den Großraum Innsbruck) ein. Anders als in allen anderen Bundesländern wurden in Tirol sämtliche Lizenzen an rein kommerzielle Radios vergeben. Nach der Ablehnung des Lizenzantrages auf eine Lokalradiolizenz für den Raum Innsbruck hat FREIRAD bei der Privatrundfunkbehörde dringenden Bedarf an einer zusätzlichen Lizenz in Innsbruck angemeldet. Im Oktober 1999 sendete FREIRAD dann zum ersten Mal. Damals allerdings nur im Rahmen einer auf zwei Wochen befristeten „Ereignisradiolizenz“. Das Interesse der ProgrammmacherInnen an diesem Radio war so groß, dass bereits nach wenigen Tagen fast rund um die Uhr mit Eigenproduktionen gesendet werden konnte. Etwa 150 Personen gestalteten ein buntes, ansprechendes und interessantes Programm. Im Jahr 2000 kam die von FREIRAD im Rahmen der Ereignisradiolizenz „gefundene“ Frequenz 105.9 MHz als weitere Lokalradiolizenz für Innsbruck zur Ausschreibung. Das Auswahlverfahren endete im Dezember 2001 mit der Erteilung der Lizenz für zehn Jahre an FREIRAD. Seit dem hat sich viel getan. Von Jahr zu Jahr nutzen mehr Personen und Initiativen die Möglichkeiten von FREIRAD 105.9. Im Jahr 2006 liefen auf FREIRAD 105.9 97 verschiedene regelmäßige Sendungen, viele davon wöchentlich. In den unterschiedlichsten Redaktionen arbeiten an die 400 RadiomacherInnen ehrenamtlich mit, machen so von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch und partizipieren am politischen, gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben. Da Freie Radios die ersten Kulturinitiativen waren, die MigrantInnen aktiv als ProduzentInnen eingebunden haben wird heute etwa ein Drittel des Programms mehr- oder fremdsprachig gestaltet. Auf FREIRAD 105.9 sind zehn Sprachen von türkisch über chinesisch bis spanisch, vertreten. Österreichweit sind zur Zeit 12 Freie Radios auf Sendung bei denen über 2500 Personen die Möglichkeit nutzen auf diesem Weg ihre Themen, Inhalte und Meinungen zu transportieren. Freie Radios sind besondere Projekte. Die wichtigste Aufgabe ist die Gewährleistung des „Offenen Zugangs“, d.h. die Aufrechterhaltung eines 24 Stunden 365 Tage im Jahr funktionierenden Betriebs und die ständige Zusammenarbeit mit den RadiomacherInnen. Das bedeutet eigentlich, dass einige tausend Kulturveranstaltungen im Jahr abgewickelt werden. Die Bedingungen unter denen das geschehen muss sind nach wie vor prekär. Was fehlt ist eine gesicherte Finanzierung, vor allem durch das Land Tirol und die Stadt Innsbruck, die der demokratiepolitischen Notwendigkeit und Bedeutung eines Freien Radios gerecht wird. Markus Schennach 121 S Sprachboten für LiteraturliebhaberInnen 122 Sprachboten für LiteraturliebhaberInnen Professionelle Literaturveranstalter in Tirol Am Beginn engagierter und kontinuierlicher Literaturveranstaltungstätigkeit in Tirol steht ein Name: Robert Renk. Seit 1994 etablierte er mit Enthusiasmus das Kulturgasthaus Bierstindl zum Literaturzentrum Tirols. Stand am Beginn die Präsentation erfolgreicher, österreichischer AutorInnen mit ihren Novitäten, so erweiterte sich der literarische Horizont sehr rasch: Literaten der Schweiz, Deutschlands und Polens fanden hier eine Bühne, literarische Texte traten ins Spannungsfeld der Musik, neue literarische Events wie Poetry Slam, Literarisches Quartett oder die legendären Entenlesungen wurden erprobt. Der Erfolg ermutigte wohl auch zwei Veranstalter, die heuer ihr 10-jähriges Jubiläum feiern, zu ihrem Start: Literaturhaus am Inn und Cognac & Biskotten. Neben der Präsentation von deutschsprachigen AutorInnen steht das Literaturhaus in der Tradition wissenschaftlicher Literaturvermittlung. Ausgewählte LiteraturwissenschaftlerInnen oder AutorInnen stellen die lesenden AutorInnen vor, Verlagslektoren und Übersetzer präsentieren ihre Arbeit, Forschungsergebnisse aus dem Brenner-Archiv werden der Öffentlichkeit präsentiert, in Zusammenarbeit mit den philologischen Instituten der Universität werden wichtige Vertreter der europäischen Literatur eingeladen. Frech, unkonventionell und überraschend präsentiert sich das Literaturmagazin Cognac & Biskotten auch im 10. Jahr: Nach Schallplatte, Zettelbox, Tischdecke oder Plastiksackerl ist das Trägermedium der Jubiläumsnummer die Straßenbahn der Stubaitalbahn-Garnitur mit der Nr. 88, beklebt mit 33 literarischen Textpassagen. Das heuer zum 5. mal stattgefundene Internationale Literaturfestival Sprachsalz, das wieder 20 AutorInnen an drei Tagen in einzigartiger Umgebung allen Literaturliebhabern präsentierte, zeigte eindrucksvoll, dass eine konzentrierte Begegnung von Autoren und Lesern begeistert. Das Festival hat sich hiermit endgültig in Europa etabliert. Ein Jahr der Jubiläen: Die Innsbrucker Wochenendgespräche fanden heuer zum 30. mal statt. Seit fünf Jahren und unter neuer Führung öffnete sich diese Literaturveranstaltung, die als reine AutorInnen-Begegnung konzipiert war, dem Publikum. Neben den zwei öffentlichen Lesungen im ORF, interessieren sich immer mehr Leser für die Diskussionen zum jeweiligen Motto der Begegnung, die mit ihrem neuen innerstädtischen Veranstaltungsort auch spontan erreichbar ist. Die erfolgreichen neuen Literaturveranstalter und die Neupositionierung der bestehenden führte zu einer Aufbruchstimmung innerhalb des literarischen Lebens in Tirol am Ende der 1990er Jahre. Die Gründung der ersten rein literarischen Buchhandlung Tirols im Jahre 2000, die sich als Kommunikations- und Informationsort der Literatur und ihrer vielfältigen Proponenten versteht, ermöglichte sowohl alteingesessenen Kulturvereinen (z.B. dem PEN-CLUB Tirol unter neuer Führung oder dem Turmbund) als auch Vereinen, Galerien und Kulturveranstaltern Kooperationsmöglichkeiten, die zu verstärkter öffentlicher Rezeption führte. Auch öffentliche Institutionen nahmen sich in enger Zusammenarbeit mit S Sprachboten für LiteraturliebhaberInnen Literaturveranstaltern und regionalen literarischen Verlagen der Literatur an. Die Stadt Innsbruck initiierte „Innsbruck liest“ – ein ausgewähltes literarisches Werk wird an die Bevölkerung verteilt -, die Fachgruppe Buch und Medienwirtschaft der Wirtschaftskammer veranstaltete heuer anlässlich des Welttag des Buches zum 5. mal die Tiroler Buchmeile – 19 AutorInnen lesen in diversen Kaffeehäusern aus ihren Büchern-, die Stadtbücherei lädt in den neuen Räumlichkeiten regelmäßig zu Lesungen und Kinderveranstaltungen, das Stadtarchiv profiliert sich als Veranstaltungsort für eigene und fremde Publikationen. Wichtige literarische Impulse werden auch von vielen ehrenamtlichen BucharbeiterInnen durch punktuelle Veranstaltungen am Land und in den Bezirksstädten gesetzt. Beispielhaft ist das Literaturforum Schwaz, das in Zusammenarbeit mit den Klangspuren jedes Jahr renomierte europäische AutorInnen einlädt. Waren die ersten Jahre nach 2000 noch von einem unausgesprochenen Konkurrenzverhalten innerhalb der literarischen Branche geprägt, so zeigen die Vernetzungen der letzten Jahre ein erfreuliches Miteinander. Neue Kooperationen und Vernetzungen ermöglichen Veranstaltungen, die noch vor fünf Jahren undenkbar schienen. Der PEN-Club präsentiert in Zusammenarbeit mit der Israelitischen Kultusgemeinde Altbischof Reinhold Stecher bei bücher wiederin, die Tyrolia lädt in Kooperation mit dem Literaturhaus zu erotischen Textproben aus dem neuen Roman von Robert Menasse, Antonio Skarmeta verzaubert die Zuhörer im Landesmusem Ferdinandeum, eingeladen durch das Internationale Film Festival Innsbruck. An dieser Stelle soll auch der größte private Literaturveranstalter gewürdigt werden. Der Innsbrucker Buchhandel veranstaltete in enger Kommunikation mit Literaturverlagen ca. 60 Lesungen pro Jahr. Entscheidend für den Erfolg von Literaturveranstaltungen sind die kostengünstigen, schnellen und tagesaktuellen Kommunikationsformen mit allen LiteraturliebhaberInnen und redaktionellen Medien. Professionell gestaltete und gewartete Homepages und E-Mail-Aussendungen gehören heute zum Standard. Neue Literaturinszenierungen stehen kurz vor der Präsentation: „Text ohne Reiter“ stellt sich im Exlkeller des Löwenhauses dem Publikum. Koordinator und Organisator dieser Veranstaltungsreihe: Robert Renk. Der Doyen unter den Literaturveranstaltern Tirols kehrt aus Vorarlberg mit neuen Ideen zurück. Wie dürfen alle gespannt sein. Thomas Wiederin 123 T Tanz und Theater in Tirol Tanz und Theater in Tirol Die freie Szene – Eine Befindlichkeitsanalyse Wenn man österreichweit die junge freie zeitgenössische Tanzszene betrachtend sich von Ost nach West bewegt, ist es wie beim Dame-Brettspiel: weiße und schwarze Flächen wechseln einander in regelmässigen Abständen ab, wobei die weißen Flächen tatsächlich dafür stehen, womit man sie spontan und intuitiv verbindet: für das Unbeschriebene, das Unentdeckte, die Leere. Von Wien nach Vorarlberg hüpfend (um im Brettspiel-Jargon zu bleiben) ergibt sich somit folgendes Muster: Wien = schwarz, Niederösterreich = weiß, OÖ/Salzburg = schwarz, Tirol = weiß, Vorarlberg = schwarz. Soweit das Ganze auf einen einfachen Nenner gebracht. Was kann man sich vorstellen unter dem Begriff junge freie Tanzszene, was sind die möglichen Gründe dafür, dass diese Kunstform in Tirol so unterrepräsentiert ist und in welcher Form wird zeitgenössischer Tanz in Tirol überhaupt gezeigt? Tanz passiert in diesem Lande, ohne Frage. Aber er ist institutionalisiert und nicht wenig subventioniert. Und er ist dazu ausgerichtet, ein breites Publikum anzusprechen. Die Qualität der Aufführungen, der TänzerInnen, der ChoreografInnen ist hier überhaupt nicht in Frage zu stellen. Hier wird mit Profis gearbeitet, die international etabliert sind. Nur ist es eben Mainstream und dadurch an manchen Stellen etwas zu gefällig. An diesem Punkt wird meist mit Publikumswünschen argumentiert. Gezeigt wird, was das Publikum will. Man könnte den Spieß aber auch umdrehen und sagen: das Publikum nimmt das, was gezeigt wird. Wenn es nichts anderes gibt, kann auch nichts anderes gesehen werden. Und der vieldiskutierte Eventcharakter in der Kultur macht auch vor der Kunstform Tanz nicht Halt. Was zur Folge hat, dass die Kluft zwischen KünstlerInnen und Publikum immer größer wird. Die KünstlerInnen werden zu reinen PerformerInnen, das Publikum zu reinen KonsumentInnen. Wo bleibt da die Spannung, die zwischen KünstlerInnen und Publikum entstehen soll, nein MUSS, wo springt der Funke über, der letzten Endes zu einem befriedigenden Kunsterlebnis führt (und zwar für beide Seiten), wo Kunst und Kultur seine Wirkung tut: nämlich berühren, faszinieren, bannen, zum Denken anregen. 124 Es wäre vermessen zu behaupten, dass nur die junge freie Tanzszene dazu in der Lage ist, diesen Kulturanspruch zu befriedigen. Tendenziell aber ist es so, dass das Publikum bei Aufführungen der freien Szene mehr gefordert ist, auch mehr involviert ist und den ZuschauerInnen neue Seh- und Tanzerfahrungen zugemutet werden. Performances zum Beispiel funktionieren ohne BetrachterInnen nicht. Erst durch die Einbeziehung der ZuschauerInnen geht die Performance in ihrem Konzept auf. Tanzkultur fordert, vielleicht auch, weil hier mit dem ureigensten Medium des Menschen – seinem Körper – operiert wird. In unserer Kultur – die nun alles andere als körperfreundlich ist – ist der Anspruch an unseren Körper in erster Linie der, dass er möglichst lange „funktioniert“. Die Sprache des Körpers zu verstehen liegt uns fern. Über den Körper Kunst zu transformieren, Botschaften zu äußern, gesellschaftliche und Claudia Moser T Tanz und Theater in Tirol persönliche Prozesse zu übermitteln, ist möglicherweise für viele KulturkonsumentInnen befremdend, zu experimentell und liegt außerhalb ihrer Kulturerwartungen. Vielleicht, weil sie unmittelbarer als in anderen Kunstformen mit sich selbst konfrontiert werden. Möglicherweise sind das einzelne Gründe, dass sich diese Kunstform bis dato in Tirol nicht etabliert hat. Neben diesen inhaltlichen Hürden fehlt bis jetzt auch die strukturelle Basis: frei zugängliche Proberäume, eine auf Tanz ausgerichtete Infrastruktur und finanzielle Ressourcen. Aber es gibt Licht am Tanzhimmel: im vergangenen Jahr hat erstmals die Galerie St. Barbara mit 1,2,3 Tanz einen Schwerpunkt gesetzt und auch das Französische Kulturinstitut setzt mit ihrer Reihe „Kleine Formen“ auf die junge Tanzszene. Und das Kulturgasthaus Bewegungsmelder Foto: Lukas Dietrich Bierstindl möchte mit dem heuer erstmals stattfindenden Projekt „Tanzzone“ einen weiteren Schritt setzen, die experimentelle Tanz- und Performanceszene in Tirol zu etablieren. Weniger im Off als die freie Tanzszene ist die freie Theaterszene in Tirol. Neben den großen Häusern wie Landestheater, Kammerspiele, DolezalFoto: Kulturgasthaus Bierstindl/Michael Carli den etablierten Einrichtungen wie Kellertheater, Westbahntheater, Tiroler Dramatikerfestival, Theater an der Sill oder Bierstindl in Innsbruck oder den Tiroler Volksschauspielen Telfs, den Schlossspielen Rattenberg gibt es einige kleine, freie Theaterinitiativen, die ohne fixe Räumlichkeiten und ohne festes Ensemble arbeiten. Dazu gehören u.a. das Generationentheater, Theater präsent, DolezalFoto: Kulturgasthaus Bierstindl/Michael Carli Theater Melone, Theater ohne Bühne, um nur einige zu nennen. Das Spannende an diesen freien Theaterinitiativen ist vor allem, dass sie sich immer wieder Räume und Kooperationen suchen, die auf ihre Stücke und Inhalte zugeschnitten sind. So hat zum Beispiel Theater präsent das Stück „Kunst“ von Yasmina Reza in Kooperation mit dem Tiroler Landesmuseum produziert. Dank Anlage Foto: Kulturgasthaus Bierstindl dieser kleinen bis kleinsten Initiativen wird das Bild der Tiroler Theaterlandschaft sehr vielfältig, auch wenn der (wirtschaftliche) Erfolg, gemessen am Arbeitseinsatz oft in keiner Relation zueinander steht. Bedarf an zusätzlicher Infrastruktur und finanziellen Mitteln gibt es immer. Bleibt die Frage, wieviel (zeitgenössische) Kultur will/kann sich das moderne Mäzenentum (= Stadtund Landesregierung) leisten? 125 U Urbanität und Provinz Urbanität und Provinz Kulturarbeit im Zentrum der Peripherie Im Gegensatz zu Kulturinitiativen am Land, die meist einzeln verstreut in den Regionen agieren, ist in der Stadt eine hohe Dichte an - von öffentlichen Institutionen unabhängigem - kulturellem Engagement festzustellen, wobei die Erscheinungsformen der sogenannten freien Kulturinitiativen – abhängig von inhaltlichen Schwerpunkten und dem Zeitpunkt ihrer Entstehung – äußerst vielfältig sind: Unter diesem Begriff werden etablierte soziokulturelle Zentren (wie z.B. das Bierstindl) grössere Institutionen wie Architekturforum oder die p.m.k ebenso subsumiert wie kleine Kulturvereine, Arbeitsgemeinschaften, Kollektive aus der bildenden Kunst, temporäre Netzwerke und freie Medieninitiativen. Dementsprechend entziehen sich die unterschiedlichen Arbeitsweisen von Kulturinitiativen einer eindeutigen Definition. In Innsbruck gibt es eine überaus vielschichtige und lebendige freie Kulturszene, und bei näherer Betrachtung sind es genau diese Projekte und Initiativen, die entscheidend zur urbanen Lebensqualität beitragen, ja die Stadt lebenswert machen. Gemeinsam gesehen bilden sie das, was man gemeinhin mehr oder weniger unhinterfragt mit Szene bezeichnet und schaffen damit jenes städtische Ambiente, das die Stadt Innsbruck für die hier lebenden Menschen, für ihre Studierenden aber auch für ihre Touristen attraktiv macht. Fast scheint es so, als würde eine solche Szene für eine Stadt wie Innsbruck als selbstverständlich vorausgesetzt, weil sie einfach da ist. Dass sich dahinter aber jede Menge Engagement und professionelle Arbeit verbirgt, wird in der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen. Die Kulturschaffenden erbringen eine Reihe von gesellschaftlichen Leistungen die über das blosse vielfältige Angebot von Kulturveranstaltungen hinausgehen. Als Impulsgeber sind sie Garant für Nachdenkprozesse über gesellschaftliche Themen und Entwicklungen. Man denke hier z. B. an den entscheidenden Einfluss der Arbeit des Architekturforums zur Stadtentwicklung in Innsbruck. Nicht zu unterschätzen ist bei der Arbeit der freien Kulturschaffenden auch die soziale Interaktion, Förderung von Kommunikation und der Aspekt der gesellschaftlichen Integration generell. Wie unverzichtbar gerade jene Aspekte für das Klima einer Stadt sein können, zeigt sich dort, wo sie fehlen. Die ausufernden Jugendkrawalle jüngst in Frankreich mögen dafür ein abschreckendes Beispiel sein. Was sind darüber hinaus die Potenziale einer lebendigen städtischen Kulturszene? 126 In Kulturinitiativen ist sehr viel Know how gebündelt: spezifische organisatorische oder technische Kompetenzen, ein großes Wissen um aktuelle künstlerische Tendenzen, subkulture und jugendkulturelle Strömungen. Die Aktiven in den zeitgenössischen Kulturszenen verfügen vielfach über internationale Kontakte oder sind Teil von überregionalen Netzwerken. Kulturinitiativen leisten darüberhinaus einen unschätzbaren Beitrag zur künstlerischen Nachwuchsförderung. Viele der heute etablierten Künstler und Künstlerinnen fanden ihre ersten Proberäume, Auftritts- Wo liegen die Probleme? Was in grossen Städten wie Wien oder Berlin in zahlreichen Galerien, Institutionen, Clubs und Veranstaltungszentren eine Selbstverständlichkeit ist, bedarf in vergleichsweise kleineren Städten mit ländlicherem Umfeld ungleich grösseren Aufwands, Engagements und Professionalität. Aber gerade dort, wo Zeitgenössisches und die Information darüber nicht von vornherein leicht verfügbar ist, ist es notwendig, an einer Aktualisierung stetig zu arbeiten und Interessierten ein Programm mit Niveau auf der Höhe der Zeit zu garantieren bzw. die Rezeptionsgewohnheiten an dieses Niveau heranzuführen, um sich nicht dem Vorwurf der Provinzialität aussetzen zu müssen. Das ist in ländlicherem Umfeld aber umso schwieriger, als dass man zwar nach aussen hin vernetzt einer internationalen Szene verpflichtet ist, das Umfeld aber oft erst überzeugt werden muss. Das gilt für alle Bereiche von Architektur, Bildender- und Medienkunst über Theater bis hin zu den ausdifferenzierten Stilen sich ständig neu generierenden Musikrichtungen. Das Hauptproblem das ich sehe, ist, dass die freie Kulturarbeit, die durchwegs auf höchstem professionellen Niveau agiert im öffentlichen Bewusstsein noch immer nicht als wesentliche gesellschaftliche Leistung begriffen wird. Das mag an dem notorisch unterbewerteten Stellenwert des Zeitgenössischen insgesamt liegen. Kein Mensch würde je auf die Idee kommen in der Wirtschaft nicht die neuesten Technologien zu verwenden oder bei der medizinischen Versorgung auf veraltete Geräte zu setzen. Im Bereich der Kultur scheint es hingegen nach wie vor so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, unerschütterlich lieber auf Altes zurückzugreifen und dem Zeitgenössischen gar nicht, ablehnend oder zumindest skeptisch zu begegnen. Hier denke ich gilt es aktiv Bewusstsein zu schaffen, die entsprechenden infrastrukturellen und finanziellen Mittel bereitzustellen, die Kulturschaffenden aktiv in kulturpolitische Prozesse mit einzubeziehen und sich von der Vorstellung zu verabschieden, dass Kulturarbeit ein Hobby sei. U Urbanität und Provinz oder Ausstellungsmöglichkeiten in kleinen Kulturinitiativen oder sind dort erstmals mit bestimmten kulturellen Praxen in Berührung gekommen. Kulturinitiativen sind aber auch Ausbildungsstätten, wo junge Menschen professionell organisieren, betriebswirtschaftlich denken und insgesamt Eigenverantwortung übernehmen lernen. Ulrike Mair 127 V Visuelle Medien Visuelle Medien In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts, als das Fernsehen bei den Kinos zu einem massiven Einbruch der Besucherzahlen führte und viele Innsbrucker Kinos (Zentral, Nonstop, Koreth, Laurin, Forum) sukzessive schließen mussten, startete mit dem Otto Preminger Institut (OPI) in Innsbruck die wohl bedeutendste Tiroler Initiative in Sachen „Visuelle Medien“, aus der im Laufe der Jahrzehnte wichtige, spannende und renommierte Kino-kulturelle Projekte und Initiativen hervorgingen, wie etwa Cinematograph, Internationales Filmfestival (IFFI), Leokino und Open Air Kino im Zeughaus. Aber auch im ganzen Land entwickelten sich Initiativen, um abseits vom MainstreamKino ausgewählte Streifen aus aller Herren Länder zu zeigen, Kult- und Independent-Filme (sog. „Indies“, kleine Filme, die mit geringem Geldeinsatz und hohem kreativen Potential inhaltlich und formal eigenständig eine ambitionierte Idee umsetzen), oder in Retrospektiven und Personalen große Filmemacher näher zu bringen. Das Otto Preminger-Institut (OPI): Verein für audiovisuelle Mediengestaltung Im Jänner 1972 eröffnete das ÖH-Filmreferat in Innsbruck (Edvard Plankensteiner, Reinhard Peters) den „Cinematographischen Salon“, dessen Protagonisten kurz darauf das „Otto Preminger Institut“ (Verein für audiovisuelle Mediengestaltung) gründeten. Spielort für Filmklassiker, Kultfilme, cineastische Raritäten war damals das Olympia-Kino in der Höttinger Au. Wenig später errichtete das OPI im Tollingerhaus am Marktgraben das Cinecabinet, ein Clublokal für 16mm-Schmalfilm-Vorführungen und die (legendären) filmwissenschaftlichen Vorträge von Professor Vagn A. Börge. Als sich der Spielort Olympia Kino nicht aufrecht erhalten ließ, wurde 1973 am Innrain in Eigenregie ein neues Kleinkino mit 70 Sitzplätzen errichtet: Der Cinematograph, das erste Innsbrucker Programmkino mit eigenen Aussendungen zu den gezeigten Filmen. 1980 führte die Aufführung von „Im Reich der Sinne“ zum Entzug der Lichtspielbewilligung und zur Schließung des Cinematographs am Innrain (später Cine Royal bis 2001). Am 1. Mai 1981 eröffnete der „neue Cinematograph“ in der Schöpfstraße im Stöckelgebäude ein Hinterhofkino mit 48 Sitzplätzen, drei Jahre später übersiedelte er in die Museumstraße 31, wo seit 4. Juni 1984 (auf 85 Sitzplätzen) bis heute unabhängiges Kulturkino gezeigt wird. 1989 wurde der CinematographFilmverleih gegründet, 1992 das erste international ausgerichtete Filmfestival, das America Filmfestival, organisiert. 1996 in CineVision umbenannt, firmiert es ab 1999 unter dem Namen „Internationales Film Festival Innsbruck“ (IFFI). Kino unter Sternen 1995 veranstaltete das OPI erstmals in Zusammenarbeit mit dem Treibhaus und dem Zeughaus das „Open Air Kino“ im Innenhof des Zeughauses, das seither jährlich im Sommer mit ausgewählten Kinohighlights ein Fixpunkt für Cineasten ist. Leokino: Filmkulturzentrum in der Anichstraße 128 1997 löste die Betreiberin des Metropol-Multiplexx-Kinos, Ingrid Hueber, den Pachtvertrag des Leokinos auf und trat an das OPI (Dietmar Zingl) mit dem Internationales Filmfestival Innsbruck (IFFI) 1992, beim ersten „America Filmfestival“, gab es weder ein eigenes Büro noch einen Assistenten: Der damalige OPI-Vorsitzende Karl Zieger war Festivalleiter und Presseattaché, ein Teil der 40 Filme kam aus dem TVE-Fundus (span. Fernsehen) gratis nach Innsbruck, Otto Licha spielte mit seiner Band im Rahmenprogramm, die Empfänge fanden in Privatwohnungen statt, eine Fortsetzung schien unwahrscheinlich. 1995 war das Festival bereits Bestandteil des „Innsbrucker Sommers“; durch das Leokino und damit die Erweiterung auf drei Säle entwickelte sich das einstige Mini-Festival ab 1999 zu einem respektablen Internationalen Festival, das heute mit Viennale und Diagonale zu den wichtigsten Filmevents Österreichs gehört: „Ich kenne kaum eine Stadt in Europa von der Größenordnung Innsbrucks, die mit Cinematograph und Leokino zwei so hervorragend funktionierende Programmkinos beherbergt. Das Filmfestival ist dann natürlich ein besonderer Höhepunkt im Jahresprogramm“, würdigt Viennale-Direktor Hans Huch den IFFI-Einsatz. 1999 wurde auch erstmals der von LR Fritz Astl initiierte Preis des Landes Tirol (5000 Euro) gestiftet, der 2007 an den Kongolesen Balufu Bakupa-Kanyinda ging. Weitere Festival-Auszeichnungen sind der Preis des Französischen Kulturinstituts Innsbruck, der ray-Filmmagazin-Dokumentarfilmpreis, ein Publikumspreis und seit 1995 auch der Christian-Berger-Dokumentarfilmpreis. „Cine Tirol“, eine Initiative des Landes und der Tirol Werbung, die das Festival begleitet und fördert, zeichnete 2006 den Gründer und Festivaldirektor Helmut Groschup mit dem Cine Tirol Award aus. V Visuelle Medien Angebot heran, das Kino zu übernehmen. Mit den Mitteln von Stadt, Land und Bund entstanden ein Zwei-Saal-Kino mit jeweils 202 und 83 Sitzplätzen, ein geräumiges Foyer, ein Kommunikationsraum, Büroräume und ein Lagerraum. Am 2. Juni 1999 wurde das neue Leokino zeitgleich mit dem 8. (seitdem so benannten) „Internationalen Film Festival Innsbruck“ eröffnet und dient seither mit seinem „Programm der Vielfalt“ der filmkulturellen Erweiterung der Stadt Innsbruck und des Landes Tirol. Kulturverein Blick im Winkel Videodrom „film & lecture“ Zwei Künstler – rein künstlerisch – zu verkuppeln, ist die Idee des Videodroms „film & lecture“, einer Initiative des Kulturvereines „Blick im Winkel“, den Verena Teissl 2005 gründete. Die Mitarbeiterin der Viennale Wien bezeichnet die Innsbrucker Initiative, bei der sie das inzwischen etablierte Medium „Videofilm“ mit heimischer Literatur verbindet, als ihre Leidenschaft. Zweibis dreimal jährlich präsentiert sie in Zusammenarbeit mit dem ORF Tirol Kulturhaus und dem Otto Preminger Institut aktuelle Video-Filme, meist aus dem dokumentarischen Bereich, zu dessen Vertiefung und Erweiterung Tiroler SchriftstellerInnen einen Originaltext beitragen, der den Film literarisch reflektiert. Dabei haben die Autoren absolute Gestaltungsfreiheit: Von der ironisch-kabarettistischen Rede über ein Gedicht mit fiktiven Biographien bis zu gesellschaftspolitischen textlichen Ergänzungen des Filmes. Das künstlerische Experiment ging voll auf, „Videodrom film & lecture“ ist ein Fixtermin für Cineasten. Bergfilmfestival St. Anton 1995 vom international anerkannten Bergfilmexperten Stefan König ins Leben gerufen, standen „Berge, Menschen, Abenteuer“ im Jahr 2007 bereits zum 129 V Visuelle Medien 13. Mal im Mittelpunkt des Bergfilmfestivals St. Anton. Es entwickelte sich mit den besten Expeditions- und Spielfilmen und Extremsportdokumentationen, mit Sonderausstellungen und Live-Gesprächen längst zu einem Tiroler KulturHighlight – siehe auch www.kulturhighlights.tirol.at. Das Bergfilmfestival zeichnet alljährlich auch herausragende Filme aus: mit dem St. Antoner Spezialpreis, dem Publikumspreis und 2007 erstmals mit zwei „besonderen Anerkennungen“. Kino Monoplexx & MUKU In St. Johann gibt es seit 1997 das Kino Monoplexx, eine Initiative des Vereines „Musik Kultur St. Johann“ (MUKU). Monoplexx präsentiert im Begegnungsund Veranstaltungsraum „Alte Gerberei“ als Programmkino ein- bis zweimal im Monat Filme, die nicht unbedingt dem Mainstream entsprechen und mit Filmästhetiken bekannt machen, die weitab von Hollywood blühen. Dazu zählen neben Musikfilmen, Retrospektiven und Personalen großer Regisseure auch fremdsprachige Filme (mit Untertiteln), die in der Alten Gerberei nicht nur interessierten erwachsenen Cineasten, sondern auch SchülerInnen - über Schul-Kinogruppen (Cineclub) und teilweise auch in eigenen Schulveranstaltungen – gezeigt werden. ARGE Kino & Extra Filmklub Landeck Im Frühjahr 2003 konstituierte sich in Landeck der Verein ARGE Kino. Ziel und Aufgabe des Vereines ist die Durchführung kultureller Veranstaltungen jeglicher Art – Konzerte, Lesungen, Theater, Skurriles, Kabarett und Film im Alten Kino Landeck. Dazu wurde das in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts gebaute Kino in ein Veranstaltungszentrum umgewandelt. Der schräge Boden, die originalen Kinosessel und der tiefrote Filmvorhang hinter der (jetzigen) Bühne geben dem Alten Kino sein typisches Flair. Das nun denkmalgeschützte Gebäude ist seit der Renovierung im Sommer 2003 ein kulturelles Zentrum. Seit rund drei Jahren zeigt der Extra Filmklub Landeck dort in Zusammenarbeit mit der ARGE Kino einmal monatlich (1. Donnerstag im Monat) als Programmkino ausgewählte künstlerisch hochwertige Filme, Retrospektiven und Kultfilme. Zudem organisiert der Extra Filmklub Landeck in Kooperation mit „Südwind“ und „(Junge) Normale“ im Rahmen der „Global Education Weeks“ die Filmtage „Globales Lernen“ (mit Filmen über Rassismus, Kinderarbeit, Junk Food und Billiglohnländer). Jede Filmvorführung wird inhaltlich und durch Rollenspiele medienpädagogisch aufbereitet. FLIM - Neue Filmzeitschrift Im Frühjahr 2006 präsentierten Sabine Lorenz, Erwin Feyersinger und Andreas Schwitzer ihre erste Zeitschrift für Filmkultur „FLIM“, in der sie ihre Liebe zum Film „inhaltlich und grafisch“ umsetzen. „Intensiv und hintergründig“ beschäftigen sie sich halbjährlich mit dem bewegten Bild und richten sich an junge wie auch etablierte Cineasten, Filmschaffende und Interessierte. FLIM tritt auch als Veranstalter auf und präsentiert unter anderem regelmäßig im p.m.k. in Innsbruck am „Filmdienstag“ ausgewählte Filme. Silvia Albrich 130 Kultur für Kinder Pippi Langstrumpf hat es uns medial über viele Jahre hinweg als Einzige weit und breit vorgelebt: Wie aufregend und inspirierend ein Mädchenleben sein kann, das sich unabhängig von strengen Verhaltensregeln und Disziplinierungsmaßnahmen entwickeln darf. Außerhalb der Fiktion ist gesellschaftliche Anpassung für Kinder von Anfang an notwendig, mit jedem Lebensjahr wird sie größer – und die kreativen Freiräume kleiner. Einer der wenigen Bereiche, in denen Fantasie und Grenzüberschreitung nicht nur erlaubt, sondern durchaus gefragt sind, ist die Kunst. Insofern hat die Auseinandersetzung mit ihr etwas Belebendes, Tröstliches, vielleicht gar jung Erhaltendes; sie bietet Gestaltungsmöglichkeiten für eine (Gegen)Welt, „widde widde wie sie uns gefällt“, und sie hilft dem Menschen, sich in der Gesellschaft zu orientieren und einen konstruktiven Umgang mit Vielfalt zu erlernen. „Kunst bildet durch die Schärfung und Sensibilisierung der Sinne ein Differenzierungsvermögen aus, das vielfältige Blicke auf die Wirklichkeit zulässt (...); neue Zusammenhänge können hergestellt werden, die ‚versteinerten Verhältnisse werden zum Tanzen gebracht’ (Karl Marx).“1 Diese Einsicht fand in reformpädagogischen Ansätzen der 1970er Jahre ihren Niederschlag. Aus jener Zeit stammen auch erste kulturpädagogische Konzepte, die anfangs primär hochkulturell und im Schulkontext verankert waren, sich über die Jahre inhaltlich wie didaktisch stark veränderten und – insbesondere ab den 1990er Jahren – von spezialisierten, häufig auf das Bildungsbürgertum zugeschnittenen Angeboten zu breiten, schichtenübergreifenden Kinderprogrammen entwickelten. Maßgeblich dazu beigetragen haben nicht-kommerzielle, von den persönlichen Erfahrungen und dem Engagement der BetreiberInnen geprägte Einrichtungen der freien Kulturszene, was sich auch in Tirol deutlich zeigt. Seit den späten 1980er Jahren bieten Kulturinitiativen Kinderprogramme an, die mittlerweile von Musik, Theater, Film über bildende Kunst bis hin zu Architektur reichen.2 Die VeranstalterInnen sind sich weitgehend einig: Die Arbeit mit Kindern ist eine besonders schöne Herausforderung, da diese ohne Berührungsängste und Erwartungshaltungen an die verschiedenen Kunstformen herangehen und keine Hemmungen haben, sich bei den Veranstaltungen aktiv einzubringen. Sie konsumieren Kunst nicht einfach, sondern erleben sie – mit allen Sinnen und Emotionen, spontan und unverstellt. So ein Theater Das Haller Kulturlabor Stromboli bietet seit seiner Gründung 1989 Programmpunkte für Kinder an, wobei Theater, Konzerte und Workshops die Schwerpunkte bilden. Das 1997 gegründete Kindertheater Strombomboli inszeniert einmal pro Jahr ein Theaterstück, darunter Klassiker wie „Die dumme Augustine“ oder „Oh wie schön ist Panama“, das mit dem mobilen Tourneetheater auch außerhalb von Hall aufgeführt wird. Als fixe Reihe mit eigenem Halbjahresprogramm gibt es das Stromboli-Kinderprogramm nun seit mehr als fünf Jahren, und mittlerweile wird fast ein Drittel des Gesamtprogramms ausschließlich für Kinder konzipiert. Ähnlich wird bei dem Verein Musik Kultur St. Johann, der seit 1994 ein spezielles Programm für W Wir machen uns die Welt, widde widde wie sie uns gefällt ... Wir machen uns die Welt, widde widde wie sie uns gefällt... 131 W Wir machen uns die Welt, widde widde wie sie uns gefällt ... 132 Kinder anbietet, der Schwerpunkt neben Konzert- und Filmveranstaltungen auf Kindertheater gelegt. Darüber hinaus sind Workshops, in denen Kinder ab 4 Jahren die Möglichkeit erhalten, sich kreativ mit zeitgenössischer Kunst auseinanderzusetzen, ein wichtiger Bestandteil des Programms: Bei der dreiwöchigen Kinder-Sommerakademie 2007 „Trampolissimo“ standen beispielsweise das Basteln von Theaterfiguren, Malen sowie die Inszenierung eines Stückes auf dem Programm. Kindertheater ist auch dem Theater Verband Tirol ein wichtiges Anliegen. Bereits zum zweiten Mal veranstaltete er heuer im Innsbrucker Bierstindl ein zweitägiges Kindertheaterfestival, bei dem Kinder für Kinder auf der Bühne stehen. Das Festival richtet sich speziell an 6 bis 12-Jährige und wurde als Ergänzung zu den seit Jahren Klangspuren – Erdäpfel setzen Foto: Klangspuren/Sonja Fabian für junge Menschen ab 10 stattfindenden Schultheatertagen ins Leben gerufen. Für alle Sinne Auch bei dem Schwazer Festival für neue Musik Klangspuren, das seit 2004 mit Klangspuren barfuß ein eigenes Programm für Menschen ab 6 anbietet, standen bereits interaktives Kindertheater Klangspuren Foto: Klangspuren/Sonja Fabian und musikalisch umgesetzte Märchen auf dem Spielplan. Hellhörig zu bleiben, die Wachheit gegenüber den einfachen, dabei so unendlich komplexen Dingen zu entwickeln und zu erhalten, das ist ein erklärtes Ziel des Kinderprogramms. Neben Kinderkonzerten und einem im Rahmen des Musikfestivals angebotenen dreitägigen Kinderfestival finden das ganze Jahre über „immer wieder montags“ kostenlose Leokino (Tom Zabel) Foto: Leokino Veranstaltungen für Kinder statt. Dabei kann man Moosbeeren klauben, Wörter jagen und verketten oder Kräuter suchen und Tinkturen herstellen. Was das mit Musik zu tun hat? Viel! Denn zu beobachten und zu erleben, wie etwas wird, das ist eine musikalische Betrachtung, heißt es auf der Homepage der VeranstalterInnen. Und alle Sinne müssen dafür offen werden, ob beim Stromboli (Pinocchio) Foto: Stromboli Marmelade Einkochen oder beim Schlagzeug Spielen. Musik für alle Sinne bietet seit 2001 auch das in Pinswang im Außerfern beheimatete Kulturzentrum Die Villa an. Neben klassischen Konzerten und Musikferien für Kinder gibt es für die ganz Kleinen den Musikgarten: Kinder ab eineinhalb Jahren können spielerisch in die Welt der Musik eintauchen und Rasseln, Klanghölzer oder die eigene Stimme als Instrumente erproben. Fremde Welten 1 Monika Meister, Bildet Kunst? in: Der Standard/Album, 20./21.1.2007. 2 In vorliegendem Beitrag kann nur ein kleiner Ausschnitt daraus vorgestellt werden. Anita Moser Wir machen uns die Welt, widde widde wie sie uns gefällt ... Im Zentrum des seit über 20 Jahren in der Kulturarbeit engagierten Vereins Kultur am Land in Buch bei Jenbach steht die Auseinandersetzung mit fremden Lebenswelten und Kulturen. Das Kinderprogramm trägt diesem Anspruch ebenfalls Rechnung. Nicht leicht konsumierbare Veranstaltungen will man anbieten, sondern kreative Möglichkeiten, sich mit Neuem, nicht Alltäglichem auseinanderzusetzen. Kinder können aus Alltagsutensilien Instrumente bauen und diese spielen lernen, Bumerangs bauen, KräuterMärchen-Wanderungen oder musikalische Reisen nach Indien, Afrika und Südamerika unternehmen. Kindern fremde Länder, Kulturen und Architekturen – von Asien bis in die Antarktis – zugänglich zu machen, ist auch einer von mehreren Programmpunkten von aut: kids, dem Kinderprogramm von aut. architektur und tirol. Im Mittelpunkt des seit zwei Jahren angebotenen Programms steht die Auseinandersetzung mit Wahrnehmungs- und Raumerfahrungen. In Workshops und Exkursionen können Kinder verschiedenste Orte – seien es Baustellen, Hotels oder Luftschlösser – mit allen Sinnen erkunden, und sie werden ermutigt, eigene Ausdrucksformen für ihre inneren Bilder und Erfahrungen zu finden. Im Bereich Kinderfilm ist das 1973 gegründete Innsbrucker Programmkino Cinematograph/Leokino besonders engagiert. Von Anfang an standen mehrmals im Monat Kinderfilme auf dem Programm; seit 1999 sind diese regelmäßig jedes Wochenende, an Feiertagen sowie in den Schulferien zu sehen und häufig mit Malaktionen oder einem Blick hinter die Kulissen verbunden. Seit fünf Jahren wird außerdem jeweils am letzten Novemberwochenende eine Auswahl von Filmen des Internationalen Kinderfilmfestivals Wien gezeigt. Für ganz junges Publikum gibt es sporadisch das Bilderbuchkino: Auf die Leinwand projizierte Farbdia-Serien von Kinderbüchern wie „Hamster Heinz auf Schatzsuche“ werden von ErzählerIn und MusikerIn stimmungsvoll umgesetzt. Inhaltlich richtet das Leokino den Fokus auf Kinderfilmklassiker, die in kommerziellen Kinos kaum gezeigt werden. So ist es nicht verwunderlich, dass sich dort auch Pippi Langstrumpf regelmäßig sehen lässt – und alle Groß und Klein, tralla lalla lädt sie zu sich ein. W 133 X Xenophobie, was ist das? Xenophobie, was ist das? Fremdenfeindlichkeit oder FremdenangstICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH In Nr. 8, April 1991, von SALT, selbständiges Tiroler BlattICH für ICH Kultur ICHund ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICHVorteile, ICH ICH Gesellschaft, schrieb ich unter der Überschrift: Vorurteile, verurteile, ICH ICH ICH ICH ICH ICH verteile, teile über Xenophobie, und ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH „Sexuelle Wurzeln der Xenophobie“ von ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH Ernest Bornemann, in Nr. 10, 1993, über ICH ICH ICH ICH ICH ICH das Haider´sche Ausländervolksbegehren ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH „Wie der Rechtsstaat zum Rechts-Staat ICH ICH ICH ICH ICH ICH wird“. Rassimus und Sexualität …??? Doch ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH ICH zunächst etwas über SALT (wie: salt ICH ICH ICH ICH ICH ICH regiera = selbst regieren): Nachdem das ICH ICH ICH ICH ICH ACH Kalligrafie: Personalpronomen.1. Person „Landecker Gemeindeblatt“, äußerlich Singular Gerald Kurdoğlu Nitsche, 2004 bescheidenes Bezirks-Wochen-„Kasblattl“, im Innern jedoch unter der Redaktion von Oswald Perktold niveau-, zeit-, gegenwart-, kritik-, kulturbewusst eines Tages zu unserer großen Enttäuschung zu Tode verkauft, dh. bald danach sein Erscheinen eingestellt worden war, begingen wir den schweren Verlust wie ein Begräbnis. Dabei fand sich eine Gruppe um Oswald Perktold zusammen: Klaus, Max, Florian, Eva Tilzer, Kalligrafie: Rechtslage Gerald Kurdoğlu Nitsche, 2004 Anna Zimmermann, Marie Luise Habicher, Willi Pechtl, Anni Rieder, Stefan Dittrich, Hans Jäger, Dr. Eberhard Steinacker, Klaus Mathoy, Richard Triendl, Günther Zechberger, Angelika Zangerl, Helmuth Schönauer, Elsbeth BaumannMelmer, Gottfried Mair, Otto Hochreiter, Helmut Schiestl, Dietmar Füssel …, die wir entsprechend Ersatz schaffen wollten. „Erscheint unregelmäßig (von 1986 – 1993 zehnmal, dann nicht mehr), nach Reife des Materials, Bedarf und Dringlichkeit“, steht im Impressum von SALT. Wir arbeiteten bewusst ohne Subvention und Inserate, dennoch recht aufwändig mit Illustrationen, Grafik von Klaus Tilzer, Willi Pechtl, Siegbert Haas, Herbert Szusich, Gerhard Tiefenbrunn, Kassian Erhart, Gustl Schweighofer, Erich Horvath, Armin Zangerle, Rudi Heller, Hubert Patsch, Nil Ausländer, Peter Penz, Johannes Pfeil, Kathrin Androschin, Tatjana Tamanini …, Fotografie: Wulf Ligges, Josef Huber, Wolfgang Alscher, Gert Chesi, Christian Unterhuber, Eve Choung-Fux, Raimund Pöll, Jean Sauvaget …, sichtlich und sichtbar (Format A3, Seitenanzahl 12 – 24) eine starke Besetzung. Neben Sachtexten gab es hochkarätige Literatur, Prosa, Lyrik. Die Auflage war klein, bis etwa 400 Stk. und wir versandten in ganz Österreich. Die Beiträge nahmen sich kein Blatt vor den Mund, Zeitkritik, Antirassismus, Antiapartheid, Umweltfragen, Friede, Drogen, Suizid … Fragen der Vergangenheits-, Gegenwarts- und Zukunftsbewältigung hatten wir uns an die Druck-Fahnen geheftet, Gleichbehandlung gegenüber von Ausgrenzung und Benachteiligung Bedrohten, seien es Ausländer-, Asylant-, AfrikanerInnen, Angehörige von Wenigerheiten, Frauen, Behinderte, Sandler, Protestanten, Juden, Moslems …, Themen, in Massenmedien selten objektiv behandelt, dafür wird häufig bösartig gegen Muslime polemisiert. Die „Vorliebe“ der Medien für Bezeichnungen wie „islamistisch“, „Islamisten“, (mit Klang-, Kalligrafie: Personalpronomen, 1. Person Singular RECHTSLAGE SCHRÄGLAGE Kalligrafie: Rechtslage 134 Gerald Kurdolu Nitsche , 2004 Gerald Kurdolu Nitsche, 2004 X Xenophobie, was ist das? Reimanspielung und Bezugnahme auf Terroristen) oder radikal islamische XY…, beschimpft 1,3 Milliarden Muslime (20 % der Weltbevölkerung, 4,2% in Österreich) und setzt sie mit einer zahlenmäßig und prozentuell winzigen, aber leider nicht verschwindenden Zahl von Verbrechern gleich, wie jüngst und peinlichst auch ein gewisser oder gewissenloser Jörg von der Haide, auf der er besser geblieben wäre; das ist neukreuzzüglerisches Vokabular. Es diskriminiert auf der einen Seite und schürt andererseits Ängste, ist reichlich Wasser auf allzeit bereite Feindbild-Mühlen, negative Vorurteile. Im Gegenzug müsste angesichts des US-„Missionierungs“kriegs, Kreuzzugs im Irak und gegen andere „Schurkenstaaten“, von radikalen Christen, bzw. „Christisten“ in den dortigen Massenmedien die Rede sein. Negative Vorurteile aber, Verallgemeinerungen sind schwere Rechenfehler, dumm, schädlich für alle Beteiligten - auch für einen selbst, man verschließt, schließt aus -und schließlich sich selbst auch. Fremdenfeindlich, so und somit falsch wird xenophob in meinem 20bändigen dtv-Lexikon von 1968 und auch im neueren 24bändigen Brockhaus übersetzt und im Österreichischen Wörterbuch, im Wörterbuch der deutschen Sprache, Wahrig und Knaur, hingegen stimmt die Erklärung, Fremdes fürchtend, ablehnend, während es Xenophobie im 12bändigen Herder von 1907 noch gar nicht gab - oh, du glückliche Zeit!? Xenophobie, Fremdenangst, kann durch unreflektierte üble Erfahrungen und Pauschalierung zu „Antixenie“, Fremdenfeindlichkeit, führen; das ist zwar nur eine Wortschöpfung von mir, aber nicht so realitätsfern. Was mich wirklich irritiert, dass Lexika bei Phobie nicht zwischen Angst und Feindschaft zu unterscheiden vermögen - es möge kein Symptom für ein verlagsinternes Stereotyp sein. Anlass zur Hoffnung besteht aber, dass möglichst viele Menschen diese Nuancen unterscheiden können. Fremdenangst bei Mensch und Tier, reflexhaftes Schutzverhalten, ist naturgegeben. Ich habe mich teilweise bereits an ein paar jener LexikaVerlage gewandt, um auf den schweren Fehler hinzuweisen und eine dringende Korrektur zu verlangen. Es geht für den kleinen und den großen Frieden darum, Barrieren abzubauen, sich zu respektvoller Begegnung zu öffnen - sogar von Nächstenliebe könnte hier die Rede sein. Eine meiner Grundstimmungen ist Xenophilie (wie gern würde ich auch Xenien verfassen), Neugier, Forscherdrang, begierig etwas Neues, Ungekanntes, Fremdes kennen zu lernen, weiße Flecken auf irgendwelchen Landkarten suchen, entdecken, erforschen, mit Farbe und Inhalt füllen. Davon sind auch die meisten meiner Publikationen geprägt: Glücklich und zu meiner Freude fand ich u.a. auch durch die „Initiative Minderheiten“ Zugang zu Angehörigen und Sprachen von Minoritäten, dem Hauptforschungsbereich von EYE, der Jenischen mit Hilfe von Prof. Romed Mungenast, meiner größten Entdeckung, der Roma und Sinti, der Slowenen in Kärnten und der Steiermark, der Kroaten und Ungarn des Burgenlandes, Juden und MigrantInnen. 1990 erschienen bei Haymon „Österreichische Lyrik – und kein Wort Deutsch“, längst vergriffen. An einer erweiterten Neuauflage, „Neue österreichische Lyrik – und kein Wort Deutsch“, wieder bei Haymon, arbeite ich gerade, erweitert um MigrantInnen aus aller Welt. 1996 gab ich im ÖBV das erste interkulturelle Deutsch-Lesebuch mit 15 Sprachen für so genannte „bunten“ Klassen an Hauptschulen und Gymnasien heraus. 1993 nahm ich aus Protest gegen Fremdenfeindlichkeit einen türkischen Namen als „nom de guerre“ an und nenne mich seither Gerald Kurdoğlu Nitsche. Mein Verlag, EYE, Emirgan Yayınları Editions, Literatur der Wenigerheiten, hat aus nämlichem Grund (und Gründung 1996 in Istanbul) einen fast nur türkischen Namen: Damit setze ich den eingeschlagenen Weg fort. Mein Anliegen als Verleger, Herausgeber ist, mich mit Wenigerheiten, wie 135 X Xenophobie, was ist das? jetzt gerade mit den einst oder immer noch Fahrenden, den Jenischen, Roma und Sinti, „Zigeunern“, den travellers in Irland, den Sami in Nordskandinavien für die Reihe „Am Herzen Europas“ intensiv auseinanderzusetzen und diese gefährdeten Sprachen in ihrer Literatur, speziell Lyrik zu dokumentieren - festhalten wäre wohl zu viel versprochen, erwartet. Inzwischen gibt es, der Verlagslinie von EYE gemäß, zwei Bücher über Jenische (Romed Mungenast, Heidi Schleich als Herausgeber), zwei über Roma (Ceija Stojka, Ilija Jovanovic), zwei zur zeitgenössischen jüdischen Literatur (Armin Eidherr , Übersetzer, Herausgeber), „Dolomit“, Anthologie der Ladiner in Südtirol, „Von den Quellen/Da las funtanas“ der Rätoromanen in der Schweiz und - a propos Xenophobie in der Reihe „Neue österreichische Lyrik“ zwei MigrantInnen-Anthologien, „heim.at“ aus der Türkei und „Südostwind“ aus den Balkanländern. Diese vielsprachigen Gedichte-Sammlungen, natürlich mit deutscher Übersetzung sollen auf den Kulturtransfer, die Bereicherung hinweisen, die uns durch Multi- bzw. Interkulturalität gegeben ist. Viele der AutorInnen sind bereits so integriert, dass sie die Übertragung auf Deutsch selbst schaffen; für einige ist Deutsch sogar zur Sprache ihrer Literatur geworden, zB. Kundeyt Şurdum. Ein paar Dichter und Dichterinnen - außerhalb des interkulturellen EYE Programms: Armin Eidherr, Ruth Maria Schanovsky, Sophie Reyer, Marie Luise Habicher, Christian Partl haben mich mit ihren Gedichten so begeistert, dass ich sie in die Reihe „Neue österreichische Lyrik“ aufnahm und veröffentlichte, und Janko Messner 3-sprachig (slowenisch, deutsch, türkisch), auch zwei Romane, einen 2-sprachig, ladinisch, deutsch, „Briefe ins Nichts/Letres te n fol“ von Rut Bernardi und „Bibliomania“ von Armin Eidherr. Weiteres zu EYE: www.brg-landeck.tsn.at/~eye/ Seit fast fünf Jahren ist mein Atelier und Verlagssitz im Karrnerwaldele fallweise auch Galerie (über 20 Ausstellungen mit bedeutender einheimischer und internationaler Beteiligung, D, I, Ch. T) und Rahmen für musikalische und literarische Darbietungen. Ps.: Kürzlich war ich vom türkisch-islamischen Verein „Friede, Institut für Dialog“ in Innsbruck zur abrahamitischen Tafel in die alten Ursulinen-Säle zu einem Iftar-Abendmahl gemeinsam mit (und von ) Moslems, Juden und Christen eingeladen. Iftar ist das Fastenbrechen im Ramadan, also nach Sonnenuntergang eines Fasttages; das Tischgebet war aus dem Koran und aus der Bibel. Schön, fein und ergreifend war dieser Abend. Der interreligiöse Dialog ist ein wichtiges Anliegen dieses Vereins und beispielgebend, während etliche unserer lieben Landsleute Assimilation, die stark nach Rassimilation riecht, fordern und so gegen Integration intrigieren – Integrations-Intrigation nennt es mein Freund Hannes Weinberger! Gerald Kurdoğlu Nitsche 136 (S)Y nergien mit politischem Gehalt Das feministische Bildungs- und Archivprojekt ArchFem in Innsbruck war und ist in seiner 15-jährigen Geschichte Plattform, Ausgangspunkt und zeitgeschichtlicher Gedächtnisort für zahlreiche Veranstaltungen und Initiativen an der Schnittstelle feministischer Kultur/Politik/Aktivismus. Das ArchFem versteht sich selbst als Ort, der unterschiedlichen feministischen Stilmitteln, Ausdrucks-, Interventions- und Subversionsformen (Film, Wissenschaft, Literatur, Aktivismus u.a.) einen Raum der Sichtbarkeit geben und diese auch immer wieder neu miteinander in Verbindung bringen möchte. Nicht nur die Koordinatorinnen/Mitarbeiterinnen des ArchFem sind selbst in ganz unterschiedlichen Bereichen feministischer (Kultur/ Wissenschafts-)Szenen aktiv, auch die Projekte/Veranstaltungen des Vereins werden immer wieder als Kreativplattformen entworfen, in deren Rahmen eine Diversität an Beteiligung möglich ist. Kreativplattform für viele/s zu sein, versuchte das ArchFem auch im Rahmen eines Kulturprojekts zu Feminismus im öffentlichen Raum, welches bei der Ausschreibung von TKI open06 eingereicht wurde. Unter dem Titel „ausgetrickst und eingenommen. eine feministische raum-pflege in 2 arbeitsgängen“ sollte der öffentliche Raum mit unkonventionellen Mitteln temporär feministisch eingenommen und (geschlechtshierarchische) Zugangsbeschränkungen zu und die sexistische Prägung von öffentlichen Räumen ausgetrickst werden. Umgesetzt wurde die Idee der feministischen Präsenz im öffentlichen Raum einmal durch den Arbeitsgang „Hintergangen, Vorgehangen“, indem mit feministischen Forderungen bedruckte Vorhänge als politisches Medium zur öffentlichen Konfrontation mit feministischen Inhalten kreiert wurden. In einem „2. Arbeitsgang“ entwarfen feministische Künstlerinnen ironische, irritierende Sujets, welche dann im Frühjahr und Herbst 2006 jeweils zwei Wochen als Großplakate in Innsbruck zu sehen waren. (S)Y nergien mit politischem Gehalt Das ArchFem als Kreativplattform für feministische Kulturarbeit am Beispiel seines TKI open06 Projekts Y Die Produktion der Vorhänge als feministisches Partizipationsmoment Der Prozess der Vorhangproduktion und die vorausgehende Kreation prägnanter feministischer Botschaften war als partizipativer Prozess angelegt: Im Jänner 2006 lud das ArchFem zu einem Abend der „kreativen Textproduktion“, welcher eine interessante Mixtur von Frauen aus ganz unterschiedlichen Kontexten veranlasste, sich auf einer textuellen Ebene feministischer Politik zu widmen. Die Möglichkeit, Teil des Produktionsprozesses dieses „feministischen Kulturguts“ Vorhang zu sein, initiierte an diesem Abend und auch in weiterer Folge neue und sehr intensive Debatten zur Frage nach adäquaten, zeitgemäßen Forderungen der Frauenbewegung (in Tirol). Die Intensivierung dieser wichtigen Auseinandersetzung und der besondere politische Gehalt der Diskussionen war ein Synergieeffekt, den das ArchFem in dieser Weise nicht erwartet hatte – ausgelöst durch das gemeinsame Nachdenken über Vorhangslogans. Darüber hinaus bot das ArchFem an diesem Abend der „kreativen Textproduktion“ auch einem weiterten feministischen TKI open06 Projekt die Möglichkeit sich vorzustellen und unter dem Motto der „produktiven 137 Y (S)Y nergien mit politischem Gehalt gemeinsamen Ideenarbeit“ an der Textproduktion mitzuarbeiten und teilzuhaben: Die Künstlerinnen Angela Zwettler und Carla Knapp präsentierten ihr Konzept „hellwach“ und konnten sich für ihre kunstpolitischen Intervention von den Textideen inspirieren lassen. Möglichkeit der kreativen Beteiligung vieler Frauen bot dann auch das „kollektive Nähwochenende“ im Februar 2006, an dem sich geübte und nicht geübte Textilhandwerkerinnen und -künstlerinnen ihren eigenen feministischen Vorhang gestalten, nähen oder kleben konnten. Das Innsbrucker Frauencafé „Frauen aus allen Ländern“ wurde zu einer Werkstatt umfunktioniert und animierte eine Vielzahl von Frauen in einem partizipativen Kontext ein sichtbares feministisches „Kulturgut“ zu produzieren. Zu sehen waren die Vorhänge rund um den 8. März an den Fenstern zahlreicher Häuser in Innsbruck. Konsumentinnen/Aktivistinnen/Kulturarbeiterinnen Das Projekt „ausgetrickst und eingenommen“ verstand sich von Anfang an auch als Plattform, auf welcher ganz unterschiedliche Formen der feministischen Kulturproduktion stattfinden und Synergien aus der Kooperation von vornehmlich Konsumentinnen der Frauenprojektszene, Aktivistinnen, Kulturarbeiterinnen und Künstlerinnen ermöglicht werden sollte. Während die Vorhangaktion eher Konsumentinnen und Aktivistinnen zur Partizipation einlud, wurden bei der Produktion der Großplakate (insgesamt vier Sujets) für den 2. Arbeitsgang drei feministische Künstlerinnen beauftragt, jeweils ein Sujet zu gestalten. In einem gemeinsamen Treffen lernten sich die Künstlerinnen kennen und besprachen gemeinsam mit dem ArchFem Intention der Plakate und die politischen Themenbereiche, die abgedeckt werden sollten. Ein Sujet wurde vom ArchFem selbst entworfen und von der „vereinseigenen“ Künstlerin realisiert. Am Fest ist Platz für die Ausstellung von …. vielem! Auch mit dem Fest inklusive Projektpräsentation, das als Abschluss von „ausgetrickst und eingenommen“ im November 2006 stattfand, folgte das ArchFem seiner Intention, Ort für viele/s zu sein. Zum einen wurde das Fest gemeinsam mit dem Autonomen Tiroler Frauenhaus veranstaltet und zum anderen bot das Fest selbst wiederum Raum für die Präsentation unterschiedlicher feministischer Kulturprodukte und Interventionsstrategien: Das Tiroler Frauenhaus feierte seinen 25. Geburtstag und stellte seine Arbeit vor; das ArchFem präsentierte mittels eines Kurzfilms den Verlauf und die Ergebnisse von „ausgetrickst und eingenommen“ und die BesucherInnen konnten die Fotodokumentation der Projekts der Fotografin Monika Zanolin bewundern; Angela Zwettler und Carla Knapp von „hellwach“ warfen „Teile“ ihrer kunstpolitischen Intervention ins Publikum; ein weiteres feministisches TKI open06 Projekt – das „Radikale Nähkränzchen“ stellte Teile seiner Arbeit aus; und die AEP-Frauebibliothek garantierte mit einen Büchertisch literarisches Auskommen. Synergien und ihre demokratisierende Substanz 138 Viele Synergien, die im Rahmen des Projekts „ausgetrickst und eingenommen“ entstanden, waren/sind weniger konkret oder materiell greifbar, sondern vor allem in ihrer besonderen demokratisierenden und politischen Substanz zu sehen. Denn Austausch und Kooperationen zwischen Projekten, die an der Schnittstelle Kunst/feministischer Politik/aktivistischer Performance Christine Klapeer Y (S)Y nergien mit politischem Gehalt verortet sind, setzen nicht nur kreatives Potenzial frei und erhöhen deren Wirkungskreis und Sichtbarkeit, sondern können auch als Strategie gegen die Ökonomisierung der Kulturarbeit, Konkurrenz um knappe Ressourcen und mangelnde Subventionierung feministischer Kultur/Kunst-Projekte gesehen werden. Synergien, die im Rahmen von partizipativen Kulturinitiativen und informationsoffenen Netzwerken in der feministischen Kulturszene entstehen, sind daher auch als kulturpolitische Interventionen zu deuten, unterlaufen sie doch herkömmliche Verteilungsmechanismen und den Wettbewerb um Ressourcen. Gleichzeitig unterminieren solche synergetischen Netzwerke zwischen Frauen auch die gesellschaftliche und herrschaftsfunktionale Konstruktion von zickiger, zerstrittener „Weiblichkeit“. 139 Z Zukunft - kuh.zunft. Zukunft - kuh.zunft Sabine Wallner im Gespräch mit Hermine Span über Avantgarde-Mode mit Kuh und Edelweiß Die Autodidaktin Hermine Span, geb. 1960, betreibt seit 1986 Atelier und Showroom GARAGE SPAN in Innsbruck. Hermine Span ist Mitglied der Tiroler Künstlerschaft und Trägerin des Kunstpreises des LandesTirol 2000. Ausgerechnet die dem trendigen Zeitgeist unterworfene Mode firmiert unter Zukunft. Hermine, wie viel Zukunft darf denn deine Mode haben? „Goldmantel“ Ferdinandeum 2003 Foto: Günther Kresser Ich glaub‘, meine Sachen haben grundsätzlich eine längere Lebensdauer. Es steht keine Jahreszahl drauf, sie sind nicht der Mode unterworfen. Ich hab selber Sachen, die sind 15 Jahre alt. Sie sind sehr individuell und qualitativ verarbeitet. Und manche Teile wie zum Beispiel meine Lederhosen, Steppmantel & Tasche Foto: Wally Witsch werden zur zweiten Haut, wachsen am Körper mit. Man gewöhnt sich an diese Art, angezogen zu sein. Ich sprech da zwar gegen mein Geschäft aber ich repariere und flicke auch Lieblingsteile, in die man sich so ein“gewohnt“ hat, dass man sie nicht missen möchte. Hat deine Zunft denn ganz allgemein Zukunft? Da gibt es ein für und wider. Es müsste in der Konformität, jeder rennt gleich herum, eigentlich wieder der Trend zu mehr Individualität gehen. Wo immer du bist, auf der ganzen Welt kriegst du die gleichen Designerlabels. Das ist schon ziemlich unspannend. Andererseits ist das mit der Zukunft auch fragwürdig, weil Materialien und Zubehör schon soviel kosten wie ein fertiges Teil bei einer Modekette. Es gibt auch fast keine Leute mehr, die das handwerkliche Know How haben. Überschneiden sich da die Probleme der „Mode“Designerin mit denen anderer Designer? 140 Die Wertschätzung ist problematisch, da vieles am Markt so billig ist und der Trend in der Konsumgesellschaft das Wegwerfen ist. Die Leute wissen auch gar nicht mehr, was etwas wert ist. Dazu kommt, dass viele Menschen sich keine Zeit nehmen, etwas bewusst auszuwählen. Alles muss schnell gehen. Man lädt sich mit bekannten Designer-Namen auf, andererseits kannst du heute in BilligKetten Kollektionen von Top-Designern kaufen. Bei meinen Designs muss man sich Gedanken machen: Über die eigene Persönlichkeit, über das Teil, das ich entworfen habe. Meine Kundinnen brauchen auch Selbstbewusstsein, sie werden auf meine Kreationen auf der Straße angesprochen. Könntest du dir vorstellen, einmal in größeren Serien zu produzieren? Design und Kunst treten getrennt auf, ist das sinnvoll? Dem Design geht´s um Form und Funktionalität, der Kunst auch um den intellektuellen Anspruch. Ich bin so dazwischen. Künstlerin ist meine Legitimation. Wenn ich im Kunst-Kontext etwas mache, etwa in Galerien mit anderen KünstlerInnen zusammen oder bei meinen Mode-Performances, dann ist das etwas anderes als das, was ich für mein Geschäft mache. Dann wird da zum Beispiel eine eigene Gesamt- Choreografie mit Licht, Sound – eben eine Performance mit Menschen, die keine perfekten Models sind komponiert. Zukunft - kuh.zunft Es wäre schon reizvoll meine Sachen so zu sehen. Andererseits, ich bin wegen meines Edelweiß schon darauf angesprochen worden: Ein T-Shirt mit Edelweiß wo drauf steht - Innsbruck, Austria - das mache ich nicht. Mir geht´s nicht um Werbung, mit geht es um das plakative Symbol. Nur für ein schnelles Geschäft verheize ich meine Idee nicht. Z Diese Doppel-Existenz der Künstlerin und der Designerin kann auch zur Quelle von Missverständnissen werden! Für eine Ausstellung in der Stadtturmgalerie hab ich das Innsbrucker Stadtwappen aus Langhaar-Plüsch gemacht, in dem Jahr, in dem ich auch eine Kollektion aus diesem Material gestaltet hab’. Das Stadtwappen war Teil einer Installation. Und das hat dann, weil es vom Bund angekauft wurde, für politische Turbulenzen auf höchster Ebene gesorgt, weil die keine „Stickerei“ aus Steuergeldern finanzieren wollten. Als Designerin hast du eine stark konzeptive Ausrichtung im Spiel mit urbaner Ausstrahlung und regional konnotierten Elementen wie der Kuh, dem Tiroler Adler oder dem Edelweiß. Nehmen die Kundinnen das auch so wahr? Ja, schon. Natürlich kommen manchmal auch welche, die meinen, sie brauchen es zu ihrem Trachten-Outfit. Die meisten sehen es aber als witziges Statement. Für mich hat´s biografisch auch mit „back to the roots“ zu tun. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen. Ich hab das aber weiter getrieben: Es sind Einzelstücke, die mit mir in Verbindung gebracht werden. Wenn du eine neue Kollektion präsentierst, wo wirst du rezipiert: Auf der Adabeiseite, der Kultur- oder der Design/Lifestyle-Seite? Man wird immer mehr in die Adabei-Schiene gedrängt. Darüber ärgere ich mich oft und frag’ mich, wieso ich mir das überhaupt antue. Andererseits kann ich das auch nicht ablehnen, weil ich ja sonst keine Werbung mache. Ich bin auch enttäuscht, wir machen das sehr professionell mit guten Fotos. Ich möchte in der Zeitung eigentlich lieber meine Models als mich sehen. Aber heute ist das sehr boulevardisiert, früher war mehr Platz für Kultur. Zurück zur Zukunft: Du spielst mit traditionellen Stoffen, traditionellen Motiven, in der Tradition der Manufaktur. In welcher Tradition siehst du dich selber? 141 Z In der der 80er (des 20. Jahrhunderts), wie ich begonnen hab: Punkig, neu, experimentell. Zukunft - kuh.zunft Lässt sich das weiter drehen? Ich weiß nicht genau, wo es hin geht, Ich mach das fast 22 Jahre. Mir geht es da nicht anders als vielleicht einem Architekten – ein Design, das ich mache, muss in erster Linie mir gefallen. Da ist eine potenzielle Kundin auch in einer schwierigen Position. Die kommt in die GARAGE SPAN in den Showroom und sieht meine Kreationen so ungefähr nach dem Motto „entweder es gefällt oder es gefällt nicht“. Mir ist auch wichtig, in den Arbeitsprozess eingreifen zu können, damit die Teile nicht zu schneidermäßig, zu „gebacken“ aussehen. Solange ich aber Spaß daran habe und mich in der Auseinandersetzung mit meinen Trägerinnen auch weiter entwickeln kann, wird es weiter gehen. Es war und es bleibt aber eine Gratwanderung, einen Beruf zu wählen, der so mit meiner Person verknüpft ist. Sabine Wallner 142 Zu den Autorinnen und Autoren Zu den Autorinnen und Autoren: Silvia Albrich freie Autorin und Journalistin in Innsbruck; publiziert seit 1992 Porträts, Features, Dokumentationen, Reportagen, Kritiken und Glossen für Tages- und Wochenzeitungen, Illustrierte, Fachzeitschriften und die Kulturberichte Tirol Yeliz Dağdevir geb. 1976 in der Türkei; seit 1978 in Österreich; Psychologin i.A.; Geschäftsführerin der Initiative Minderheiten Tirol; Vorsitzende der Christlich-Muslimischen Dialoggruppe; Berufs- und Bildungsberaterin, Krisenintervention ÖRK Dr. phil. Andreas Felber geb. 1971 in Salzburg; Studium der Musikwissenschaft und Geschichte bzw. Politikwissenschaft in Salzburg und Wien; freie musikjournalistische Tätigkeit mit den Arbeitsschwerpunkten Jazz, ethnische, elektronische und zeitgenössische Musik u. a. für die Tageszeitung „Der Standard“ sowie Fachmagazine in Österreich und Deutschland; Moderation und Gestaltung der Ö1-Radiosendungen „Jazznacht“ „Jazztime“ und „Spielräume“; seit Herbst 2003 Lehraufträge am Institut für Popularmusik der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien; Buchpublikation: „Die Wiener Free-Jazz-Avantgarde – Revolution im Hinterzimmer“ (Wien-Köln-Weimar, 2005); lebt in Wien Gabriele Gerbasits Kulturmanagerin; seit 1996 Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich; 1982 bis 1995 Beamtin im Bundesministerium für Unterricht und Kunst Dr. Beate Großegger wissenschaftliche Leiterin des Instituts für Jugendkulturforschung – jugendkultur.at in Wien und Projektleiterin des TKIForschungsworkshops „JugendKULTURarbeit und kulturelle Partizipation – Grundlagen für eine zielgruppenorientierte Angebotspolitik“, der im April 2006 in St. Johann in Tirol durchgeführt wurde Michael Hackl geb. 1978; seit 2001 als Medienkünstler tätig; 2002 Gründung des Künstlerkollektivs plankton Labs; Plankton sieht sich als Freiraum für verschiedeneste medienkünstlerische Experimente ohne Hinblick auf Mehrwert und Profitmaximierung, als Dutyfreezone des Gedankenaustausches und Designfabrik von audiovisuellen Zeitmaschinen, deren ausdrücklich prothetischer Charakter nur im performativen Gebrauch neue Orte der Echtzeit generiert und diese in elektroästhetische Rhythmen substrukturiert Michael Haupt geb. 1972 in Innsbruck; Obmann des Vereins für Kultur Inzing, Vorstandsmitglied der TKI – IG Kultur Tirol, Vorstandsmitglied des Theatervereins Inzing, Schauspieler, Regisseur, Fotograf, Musiker Mag.a Martina (Marty) Huber Dramaturgin, Performancetheoretikerin und queere Aktivistin; Studium der Theaterwissenschaft und Publizistik u. Kommunikationswissenschaft in Wien; ihr Interesse an den Zusammenhängen zwischen Performance und Politik mündet des öfteren in klandestinen, nomadischen Interventionen im öffentlichen Raum; neben den praktischen Konsequenzen aus der Gender und Queer Theorie setzt sie sich gerne Interventionen von Seiten migrantischer Kontexte aus; seit Oktober 2005 Sprecherin der IG Kultur Österreich und Tätigkeiten im Bereich Öffentlichkeits- und Pressearbeit Barbara Hundegger geb. 1963 in Hall in Tirol; einige Jahre Studium der Germanistik, Philosophie und Theaterwissenschaft in Innsbruck und Wien; lebt und arbeitet als freie Schriftstellerin in Innsbruck (Großes Tiroler Literaturstipendium, Christine-Lavant-Lyrikpreis, Österreichisches Staatsstipendium für Literatur, Reinhard-Priessnitz-Preis u.a.); Kolumnistin der „spuren – zeitung für gegenwärtige“ der Klangspuren Schwaz; Regionaldelegierte der Grazer Autoren/AutorinnenVersammlung Tirol, Mitglied der IG AutorInnen Mag.a. Christine Klapeer Politikwissenschafterin, forscht und lehrt im Bereich Gender/Queer Studies und Staats- und Demokratietheorien; als Aktivistin und Projektkoordinatorin in der feministischen Bildungs- und Kulturarbeit sowie Bewegungspolitik verortet; u.a. im Koordinationskollektiv des „ArchFem-Interdisziplinäres Archiv für feministische Dokumentation“ in Innsbruck und des „Rosa Lila Tipp“ in Wien Dr. Verena Konrad Kunsthistorikerin; lebt in Innsbruck Franz Kornberger geb. 1958; selbständig als Projektbegleiter und Consulter für Gemeinden und NGO´s; 1996 - 2001 Fachbeiratsvorsitzender für regionale Kulturentwicklung im OÖ; Landeskulturbeirat, 1985 – 2003 Kulturreferent der Marktgemeinde Ebensee (OÖ), seither dort Wirtschafts- und Finanzreferent Veronika Leiner Studium der Germanistik und Hispanistik; ehem. Geschäftsführung Radio FRO und Koordination Verband Freier Radios Österreich (VFRÖ); ist nach wie vor in verschiedenen Freien Medieninitiativen aktiv; hauptberuflich dzt. Journalistin im Bereich Buch/Verlagswesen Mag.a Ulrike Mair geb. 1962; Studium der Romanistik und Germanistik, abgeschlossenes Studium der Rechtswissenschaften und Exportwirtschaft; nach einschlägiger juristischer Tätigkeit seit 1992 ausschliesslich im Bereich aktueller Gegenwartskunst insbesondere Medienkunst tätig; u.a.: Verein [email protected]: Projekte, Symposien und Forschungsauftrag zu einer „Kunst im elektronischen Raum“; Aufbau und langjährige Leiterin der Kunsthalle Tirol - internationale Grossaustellungen: „Zeitgleich“, „Am Anfang war“, „Hall2O“; Kuratorin zahlreicher Ausstellungen im In- und Ausland; seit 2001 Mitbegründung und Konzeption der p.m.k in Innsbruck; Mitgründerin der baettlegroup for art; zahlreiche Vorträge und Publikationen im Bereich aktueller Gegenwartskunst; monatliche Kolumnen zu kulturpolitischen Themen; dzt. Geschäftsführerin der p.m.k. Mag. a Christina Matuella geb.1966; lebt in Innsbruck und arbeitet im Bereich Clownerie, Theater und Moderation (Clowntrio TRIS, Rote Nasen Clowndoctors, „Walli und Rützi“) Werner Moebius geb. in Innsbruck; lebt und arbeitet in Wien und Grossbritannien; 1990 Mitinitiator des Künstlerprojekts „Workstation“ in Innsbruck; arbeitet international im grenzüberschreitenden Feld von Sonic Art und Audio Culture zwischen Musik und bildender Kunst; Förderungspreis der Stadt Wien 2003, Preis der Anni und Heinrich Sußmann Stiftung 2005 und dem BKA Chicago Atelierstipendium 2005 144 Mag.a Anita Moser Studium der Komparatistik und Romanistik in Innsbruck und Bilbao; Kulturmanagementausbildung; Lehrtätigkeit in der Erwachsenenbildung und an der Universität Innsbruck; Publikationen zu Tiroler Literatur- und Kulturgeschichte; langjährige Tätigkeit in Organisation, Öffentlichkeitsarbeit und Kulturvermittlung bei den Klangspuren Schwaz Claudia Moser geb. 1970 in Lienz; Studium Kunstgeschichte und Projektmanagement Universität Wien; Mitarbeit in diversen Projekten („Denk-mal weiblich“;’Wien; Flash Art International; Mailand, Ars Electronica; Linz, Festival RomaEuropa; Rom); 2001-2004 Assistenz Kunstraum Innsbruck; seit 2006 Geschäftsführerin Kulturgasthaus Bierstindl Julia Mumelter geb. 1977; Italienischstudium an den Universitäten Innsbruck und Wien; während des Studiums Mitarbeit im Kulturlabor Stromboli in Hall in Tirol; seit 2002 Geschäftsführerin des Kulturlabor Stromboli; seit 2005 im Vorstand der TKI Gerald Kurdoğlu Nitsche Maler, Zeichner, Schreiber, Verleger, „Beistrichfuchs“; geb. 1941 in Wien; Studium in Innsbruck, Wien, Leiden, an den Akademien für bildende Künste Wien, Den Haag, Koninglijke Academie van beeldenden Kunsten; Lehrer in Landeck, Imst, St. Georgs-Kolleg Istanbul, PädAk. Zams; Lehrauftrag an der Universität Innsbruck; Mitglied des „Brenner-Forums“, der „Initiative Minderheiten“; Mitarbeit an zahlreichen Zeitschriften (u.a. Fenster, Thurntaler); 1976 Gründung der GYM-Galerie, Landeck; 1993 Namensänderung: Kurdoğlu, Protest gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus; zahlreiche Ausstellungen und Aktionen im In- und Ausland; Auszeichnungen und Preise (u.a. 2005 Tiroler Friedenspreis für Dialog, 2006 Landecker Kulturpreis) Mag.a Martina Oberprantacher in Bozen geboren; Studium der Kunstgeschichte in Innsbruck und Berlin; arbeitet nun als freie Mitarbeiterin MUSEION – Museum für moderne und zeitgenössische Kunst – und im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen und ist im Organisationskomitee der „metro“, Präsentationsplattform für junge Kulturschaffende in Südtirol der ar/ge kunst, Galerie Museum Radostina Patulova Kulturarbeiterin, Autorin, Mitglied der Redaktion der Zeitschrift „Kulturrisse“; Mitherausgeberin mit Vina Yun und Sylvia Köchl von „fields of TRANSFER. MigrantInnen in der Kulturarbeit“ Zu den Autorinnen und Autoren Mag. phil. Günther Moschig geb. 1961; Kunsthistoriker, Ausstellungskurator; 1999 Gründung des Kulturvereins SPUR. in Wörgl; von 2000 – 2004 Vorstandsmitglied der TKI; seit 2004 Mitarbeit Büro Rath & Winkler, Projekte für Museum und Bildung, Innsbruck Mag.a Gudrun Pechtl Magistra der Sprach- und Kulturwissenschaft; ausgebildete Buchhändlerin; seit vielen Jahren in unterschiedlichen Kunst- und Kulturprojekten engagiert; dzt. hauptamtlich in der Geschäftsführung der TKI tätig Esther Pirchner geb. 1967 in Innsbruck; seit 1990 freiberuflich als Journalistin v.a. im Bereich Kultur mit den Schwerpunkten Musik, Literatur u. Theater tätig; Lektorin u. Autorin von Programmheften; 2006/07 Durchführung der Kulturstudie baettle research zur Innsbrucker Kulturszene im Auftrag der bættlegroup for art, seit 2007 Koordinatorin der bættlegroup for at christine s. prantauer geb. in zams / tirol; akademie der bildenden künste, wien / diplom für malerei; hochschule für angewandte kunst, wien / medienklasse; ausstellungen und ausstellungsbeteiligungen und projekte im öffentlichen raum; mitglied der plattform kunst~öffentlichkeit (andrea baumann, christopher grüner, michaela niederkircher, robert pfurtscheller, christine s. prantauer, jeannot schwartz); gegründet 2001, projekte im öffentlichen raum, veranstaltungen, rauminstallationen Gerhard Prantl geb. 1946; 10 Jahre öffentlicher Dienst; 18 Jahre Privatwirtschaft; 1990 bis 2006 Pro Vita Alpina; Gründungsmitglied der Tiroler Kulturinitiative und der IG Kultur Österreich; Lehrauftrag an der Universität Innsbruck (Institut für Erziehungswissenschaften); Mitherausgeber der Pro Vita Alpina Informationen, des Amtsblattes aus dem Freistaat Burgstein und der Publikationen: Mut zur Phantasie – Kulturarbeit mit Kindern; DenkART – Plakatkunst im öffentlichen Raum; spuren nach andersland – Vergangene und gegenwärtige künstlerische Grenzüberschreitungen / Filmdokumentation Dr. Wolfgang Praxmarer geb. 1949 in Innsbruck; Studium in der Heimatstadt (Musikpädagogik, Germanistik); Unterrichtstätigkeit an einem Innsbrucker Gymnasium; seit 1991 Leiter der Abteilung für Ernste Musik im ORF-Landesstudio Tirol Markus Schennach geb. 1967; lebt und arbeitet in Innsbruck Mag.a Helene Schnitzer Studium der Kunstgeschichte in Wien und Innsbruck; Postgraduate-Lehrgang Ausbildung zur Kuratorin im Museums- und Ausstellungswesen am Institut für Kulturwissenschaft in Wien; freie Kunst- und Kulturvermittlerin; seit 2000 Geschäftsführerin der TKI Hannes Schlosser Journalist und Fotograf in Innsbruck und arbeitet u.a. für die Tageszeitung „Der Standard“ Mag.a Dr. phil. Verena Teissl geb. 1965 in Innsbruck; promovierte Literaturwissenschaftlerin; seit 1992 freie Filmjournalistin und Veranstalterin; 1992-2002 Mitaufbau des Internationalen Film Festival Innsbruck; seit 2002 Mitarbeiterin der Viennale; 2005 Gründung der Veranstaltungsreihe „Videodrom film & lecture“ (ORF Tirol Kulturhaus); seit 2007 externe Lektorin für Kulturmanagement an der FH Kufstein Jens Tönnemann seit 2001 Wäscherei P-Mit-Entwickler; Psychiater (ab Oktober 2007 mit eigener Ordination in Wattens) Sabine Wallner geb. 1955 in Wels; Studium der Politik und Publizistik in Salzburg; Redakteurin und Moderatorin des ORF Tirol – früher Kultur, jetzt Flächenprogramm Mag. Thomas Wiederin geb. 1963; Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft und Germanistik in Innsbruck; seit 20 Jahren Buchhändler; Gründung der ersten Literaturbuchhandlung Tirols 2000; Jungunternehmerpreis der Wirtschaftskammer Tirol 2005 145 Kontaktadressen Kontaktadressen Aktion für eine Welt Oberhofen 2 6380 St. Johann i.T. T 05352.64553, 0699.11766655 F 05352/61890 [email protected] Cognac & Biskotten - IG KUKUK Dürerstraße 1 6020 Innsbruck T 0650.50 7 50 50, F 05273.6527 [email protected] www.cobi.at ARGE Kino Urichstraße 13 6500 Landeck T 0664.4520680 [email protected] www.altes-kino.at Con:Verse_Music_Culture_Events T 0676.7209699 [email protected] www.hand2hand.at Arlberger Kulturtage Alte Arlbergstraße 7 6580 St. Anton/Arlberg T 05446.2276, 0664.4015595 F 05446.3758 arlberger.kulturtag[email protected] www.peppispiss.at/akt.htm ARTirol. Kunstverein J. Prantauer Straße 23b/6 6300 Wörgl T 0676.6055748 [email protected] www.artirol.at Atelier Bucher Martinsplatz 4 6632 Ehrwald T u. F 05673.2917 Aut.Architektur und Tirol Lois Welzenbacherplatz 1 6020 Innsbruck T 0512.571567 [email protected] www.aut.cc AUT.ARK Zollstraße 7/15 6020 Innsbruck T 0699.10281440 [email protected] www.autark.de.vu www.alienexplorer.tk choke media empire Tiergartenstraße 61/14 6020 Innsbruck T 0676.3515704 [email protected] www.catbull.com/choke Cinematograph / Leo Kino (Otto Preminger Institut) Innrain 37a 6020 Innsbruck T 0512.560470 F 0512.581762 [email protected] www.leokino.at Club Famingo Glasmalereistraße 2 6020 Innsbruck T 0699.10480162 [email protected] www.ugurkeite.com 146 COSMO - Verein zur Förderung alternativer Musikformen Schießstandgasse 4 6380 St. Johann in Tirol T 0660.7669103 [email protected] cunst & co Tschamlerstraße 3/1 6020 Innsbruck T 0512.563468 [email protected] www.cunst.net DDCrew - Dirty Dancing Crew Schillerstraße 17 6020 Innsbruck [email protected] www.myspace.com/ddcrew www.free.pages.at/ddcrew Der Rosengarten wird überschätzt (Südtirol) T 0039.340.9900087 [email protected] www.rosengarten-artspace.com Die Bühne Innsbruck Reichenauerstraße 46/1 6020 Innsbruck T 0676.6044975 [email protected] www.buehne-innsbruck.com Die Igler Art Igler Straße 54 6080 Igls T 0512.377616 [email protected] www.igler-art.at Die Villa Unterpinswang 29 6600 Pinswang T 05677.20061 F 05677.20051 [email protected] www.dievilla.info DJS aus Mitleid 6020 Innsbruck T 0512.397189 [email protected] DJs Kaffee und Kuchen Höttingergasse 12c 6020 Innsbruck 0650.5523990 [email protected] www.dkk.at Firefly Concerts Glasmalereistraße 2 6020 Innsbruck [email protected] www.firefly.hoeha.com FLIM - Verein zur Förderung der Filmkultur Holzhammerstraße 13/4 6020 Innsbruck T 0650.4556677 [email protected] www.flim.at Frauen aus allen Ländern Schöpfstraße 4 6020 Innsbruck T u. F 0512 .564778 [email protected] www.frauenausallenländern.org/wb FREIRAD - Freies Radio Innsbruck Höttingergasse 31 6020 Innsbruck T 0512.560291 F 0512.560922 [email protected] www.freirad.at freiraum-jenbach Achenseestraße 59 6200 Jenbach T 05244.65436-14, 0699.11454207 F 05244.65436-6 [email protected] www.freiraum-jenbach.at Freunde zeitgenössischer Kunst Kramsach Achenrain 17 6233 Kramsach T u. F 05337.65656 [email protected] Full Contact 6020 Innsbruck [email protected] www.fullcontact.at Galerie St. Barbara Schmiedgasse 5 6060 Hall i.T. T 05223.53808 F 05223.53808-80 [email protected] www.GalerieStBarbara.at gokart (Südtirol) Museumstraße 40/b 39100 Bozen T 0039.329.2293036 [email protected] www.go-k-art.net Grauzone Postfach 705 6021 Innsbruck [email protected] www.catbull.com/grauzone groove train promotion Weinränntlstraße 18 6330 Kufstein T 0664.1808487 F 05372.61750 [email protected] Hidden Museum 6020 Innsbruck T 0512.586521 [email protected] www.hiddenmuseum.net Kontaktadressen Faulzahn Viaduktbögen 19-20 6020 Innsbruck [email protected] www.catbull.com/faulzahn IG Autorinnen Autoren C/o Elias Schneitter Am Weingarten 15 6170 Zirl T 0664.5435686 [email protected] Initiative Minderheiten Klostergasse 6 6020 Innsbruck T u. F 0512.586783, 0650.5125867 [email protected] www.initative.minderheiten.at www.minorities.at InnPuls - Verein zur Förderung kultureller Aktivitäten Pradler Straße 2Bb 6020 Innsbruck T u. F 0512.392375 [email protected] www.catbull.com/innpuls Innsbrucker Wochenendgespräche Höhenstraße 133 6020 Innsbruck T 0512.293548 [email protected] www.wochenendgespraeche.at interact Melans 3 6067 Absam T 05223.46815, 0676.5614076 [email protected] IGFT Interessengemeinschaft Freie Theaterarbeit Wolfsgrube 25 6020 Innsbruck T 0512.264893 [email protected] JUGEND KREATIV! - LEI(N)WAND Alte Arlbergstraße 78/7 6580 St.Anton am Arlberg [email protected] Jugendzentrum Z6 Dreiheiligenstraße 9 6020 Innsbruck T 0512.580808 [email protected] www.z6online.com 147 Kontaktadressen Kammermusik Hopfgarten Meierhofgasse 19 6361 Hopfgarten T 05335.3972 F 05335.40346 [email protected] www.kammermusikfest.net Klangspuren Schwaz Ullreichstraße 8a 6130 Schwaz T 05242.73582 [email protected] www.klangspuren.at Kleinkunst Innsbruck Maria-Theresien-Straße 40 6020 Innsbruck T 0512.563531, 0699.11332611 [email protected] Kleinkunst in Kitzbühel Vorderstadt 17 & Burgstallstraße 13 6370 Kitzbühel T 05356.62161-3, 0676.83621231 F 05356.62161-25 [email protected] www.kleinkunst.cc Kramsacher Rechen Wittberg 14 6233 Kramsach T 05337.93631 F 05337.93651 [email protected] Künstlerhaus Büchsenhausen Weiherburggasse 13 6020 Innsbruck T 0512.278627-10 [email protected] www.buchsenhausen.at Kulturgasthaus Bierstindl Klostergasse 6 6020 Innsbruck T 0512.586786 F 0512.586787 [email protected] www.bierstindl.at Kulturinitiative Feuerwerk Oberlängenfeld 111 6444 Längenfeld T u. F 05253.5060, 0664.1047651 [email protected] www.freistaatburgstein.at Kulturinitiative Huanza Innsbrucker Straße 21 6600 Reutte T 05672.63884, 0676.4154390 [email protected] www.huanza.com Kulturinitiative Zillertal Dursterstraße 225 6290 Mayrhofen T 05285.6750 F 05285.6760-33 [email protected] Kulturkreis Ehrwald Hauptstraße 7 6632 Ehrwald T 05673.2333-13, 0650.4364360 [email protected] www.members.aon.at/ehrwalder-kulturkreis Kultourismus Obergurgl Hauptstraße 108 6456 Obergurgl T 05256.6466 F 05256.6353 [email protected] Kulturkreis Völs Postfach 44 6176 Völs T 0512.302783 F 0512.304037 [email protected] www.kulturkreis-voels.at Kultur am Land Maruach 301 6200 Buch T u. F 05244.65810 oder 05244.63041 [email protected] www.kulturamland.at Kulturlabor Stromboli Krippgasse 11 6060 Hall i.T. T u. F 05223.45111 [email protected] www.stromboli.at Kulturbrunnen Fieberbrunn Alte Straße 27 6391 Fieberbrunn T 05354.56203-15 bzw. 23 od. 05354.56056 F 05354.562023-20 [email protected] Kulturverein Blick im Winkel Tiergartenstraße 1 6020 Innsbruck T 0512.588365 [email protected] Kulturcafe Propolis Reichenauerstraße 72 6020 Innsbruck T 0512.344291-17 [email protected] www.kulturcafepropolis.com 148 Kulturforum Ton.Art Urichstraße 13 6500 Landeck T 0664.4520680 [email protected] Kulturverein Evrensel Schöpfstraße 9 6020 Innsbruck T 0650.2731638 [email protected] www.didf.at Livestage – Tiroler Jugend-Förderungsprojekt Mitterweg 16 6020 Innsbruck T 0664.3343108 www.livestage-tirol.at Kulturverein LOVEGOAT Ing.-Thomen-Straße 3 6020 Innsbruck [email protected] los gurkos prod. Kapuzinergasse 12/4 6020 Innsbruck T 0650.5521584 [email protected] www.losgurkos.com Kulturverein Riverhouse Schulweg 14 6391 Fieberbrunn T u. F 05354.52313, 0676.7255071 [email protected] www.riverhouse.at Kulturverein St. Ulrich am Pillersee Lastalweg 20 6393 St. Ulrich am Pillersee T 05352.67888 F 05352.67888-44 [email protected] www.kulturstulrich.net Kulturverein Wozu Grenzen?! 6020 Innsbruck T 0650.3004666 [email protected] www.wozugrenzen.at Kulturwerk Burgstallstraße 13 6370 Kitzbühel T 05356.62161-31, 0676.83621231 F 05356.62161-25 [email protected] www.kulturwerk.at Kunstmyst (Südtirol) T 0039.347.5404352 [email protected] www.anagama-kunstmyst.org K.u.u.g.e.l. Kritische Universität und Gesellschafts-Emanzipatorische Lehre Körnerstraße 11 6020 Innsbruck [email protected] http://kuugel.redefreiheit.net Kunst und Drüber Mariahilfstraße 20 6020 Innsbruck T 0512.283047 [email protected] www.tafie-il.at Kunstraum Innsbruck Maria-Theresien-Straße 34 6020 Innsbruck T 0512.584000 of[email protected] www.kunstraum-ibk.at Literaturhaus am Inn Josef-Hirn-Straße5 6020 Innsbruck T 0512.507.4514 [email protected] www.literaturhaus.uibk.ac.at Kontaktadressen Kulturverein Kontrast Alpbacherstraße 1 6230 Brixlegg T 0650.6456745 [email protected] LURX (Südtirol) Gänsbichl 7 39041 Gossensass T 0039.338.9185433 [email protected] Mozi Brews Film [email protected] www.mozibrews.com MUK Multikulturelle Kommunikationsstätte Wildermieming 42 b 6414 Mieming T 05264.6227 [email protected] www.atelier-tiefengraber.at Musik Kultur St. Johann Ledergasse 5 6380 St. Johann i.T. T u. F 05352.61284 [email protected] www.muku.at NLK – Kultur Sieglangerufer 151 6020 Innsbruck T 0650.2833144 F 0512.582065 [email protected] Plankton Labs Weiherburggasse 13/9 6020 Innsbruck [email protected] www.plankton.net plattform kunst ~ öffentlichkeit c/o Christine S. Prantauer Adamgasse 17 6020 Innsbruck [email protected] P.M.K. Plattform mobile Kulturinitiativen Viaduktbögen 19-20 6020 Innsbruck T 0512.908049 [email protected] www.pmk.or.at Premierentage Erzherzog-Eugenstraße 9 6020 Innsbruck [email protected] www.premierentage.at 149 Kontaktadressen Pro Vita Alpina Untermagdalena Nr. 13 I-39100 Bozen [email protected] www.pro-vita-alpina.at premierentage - wege zur kunst Schäufele 5 6094 Axams [email protected] www.premierentage.at Public Art Gallery Pfarrgasse 8 6460 Imst T u. F 05412.64317, 0699.12044853 [email protected] Quirlig. Verein für künstlerische Intervention in Alltags- und Festkultur Mozartstraße 2 6020 Innsbruck T 0512 .377026, 0699.12 74 23 48 F 0512 .377026 [email protected] Radikales Nähkränzchen 6020 Innsbruck T 0650.9908787 [email protected] Regenbogen Steinweg 18 6425 Haiming T u. F 05266.88738 Riddim Academy [email protected] Rosschaukel (Südtirol) Weggensteinerstraße 21 39100 Bozen T 00309.0473.611503, 0039.349.6187930 [email protected] www.guidomoser.com rund um die kultur hopfgarten Marktplatz 8 6361 Hopfgarten i. Bt. T 05335.220576 F 05335.220590 [email protected] www.rund-um-die-kultur.at SOWIEDU Kulturverein Zentrum 38 6233 Kramsach T u. F 05337.6234, 0664.3909025 [email protected] SPUR. Verein zur Förderung zeitgenössischer Kunst und Popkultur Mitterhoferweg 7 6300 Wörgl T u. F 05332.72351, 0676.3602719 [email protected] 150 Staatstheater Franz-Fischer-Straße 40 6020 Innsbruck T 0512.570719 [email protected] Structure Research Kranebitten 185d 6150 Steinach T 0664.5266219 [email protected] www.structure-research.com Stummer Schrei Märzenstraße 34 6272 Stumm T 0664.1922550 [email protected] Symposion Salvesen Obtarrenz 16 6464 Tarrenz T 05412.65433, 0676.9408050 [email protected] www.salvesen.at TAK Tiroler Autorinnen und Autoren Kooperative Tschamlerstraße 3/1 6020 Innsbruck T u. F 0512.583980 [email protected] www.tak.co.at Theater an der Sill Kravoglstraße 19 6020 Innsbruck T 0512.362929 [email protected] www.theater-sill.at Theater Melone Spingeserstraße 13 6020 Innsbruck T 0650.6438259 [email protected] www.theatermelone.at Theatergruppe Grenzenlos 6020 Innsbruck T 05238/52505 [email protected] www.theater-grenzenlos.at Tiroler Dramatikerfestival Rennweg 2 6020 Innsbruck T 0664.3813806 [email protected] Tiroler Kulturinitiativen Klostergasse 6 6020 Innsbruck T 0512.586781 [email protected] www.tki.at Theaterverband Tirol Klostergasse 6 6020 Innsbruck T 0512.583186 [email protected] www.theaterverbandtirol.at Verein Multikulturell Mentlgasse 7 6020 Innsbruck T 0512.562929-20 F 0512.563034 [email protected] www.migration.cc Treibhaus Angerzellgasse 8 6020 Innsbruck T 0512.586874 bzw. 572000 0650.60206021 F 0512.575467 [email protected] www.treibhaus.at Vissidarte T 0039.348.0683577 [email protected] Tüftler Viktor-Dankl-Straße 1 6020 Innsbruck T 0650.3502288 [email protected] www.tueftler.com Turmbund - Gesellschaft für Literatur und Kunst Müllerstraße 3/I 6020 Innsbruck T u. F 0512.583852 [email protected] www.members.aon.at/turmbund Ummi Gummi Zettersfeldstraße 23 9900 Lienz T u. F 04852.62601 [email protected] www.ummigummi.at Underground Connection Langgasse 2 6460 Imst T 0650.3904420 [email protected] www.underground-connection.at Unos 93 Wiesenweg 1 6336 Langkampfen T 05332.80121 F 05332.80133 [email protected] V.a.k.u.u.m. KV Klostergasse 6 6020 Innsbruck T 0650.5449545 [email protected] www.vakuum.at Verein für Kultur Inzing Bahnstraße 4a 6401 Inzing T 0650.3923924 [email protected] www.kulturverein-inzing.com Verein IN-KU-Z Oberhuebergasse 6 9900 Lienz T 04852.65822 F 04852.61797 [email protected] www.creativ-center.at Kontaktadressen Tiroler Künstlerschaft Rennweg 8a 6020 Innsbruck T 0512.581133 F 0512.585971 [email protected] www.kuenstlerschaft.at Wäscherei P PKH Hall Thurnfeldgasse 14 6060 Hall i.T. [email protected] www.waescherei-p.at Werkstätte Haspingerstraße Haspingerstraße 16 6020 Innsbruck T 0512.587448 [email protected] Westbahntheater Feldstraße 1a 6020 Innsbruck T 0512.572097 [email protected] www.westbahntheater.at Wetterleuchten [email protected] www.wetterleuchten.at Workstation Postfach 724 6021 Innsbruck T 0512.908049 [email protected] www.workstation.or.at ZZAPP.TV Kapuzingergasse 32 6020 Innsbruck T 0664.4019848 [email protected] www.zzapp.tv Zirkus - ZirlerKulturSzene Morigglgasse 12 6170 Zirl T 0512.507-2423 [email protected] 8ung Kultur Franz-Fischer-Straße 23 6020 Innsbruck T 0699 10855143 [email protected] Auswahl, ohne Anspruch auf Vollständigkeit – die Redaktion. 151
* Your assessment is very important for improving the work of artificial intelligence, which forms the content of this project
advertisement