§ 31 Die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz

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§ 31 Die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz | Manualzz

§ 30 Die Tierhalterhaftung Harald Langels: Schuldrecht BT 4

Der BGH führt dazu in BGH NJW 1993, 2611 aus: ”Der Tierhalter hat auch dann für die tierspezifischen Gefahren einzustehen, wenn er andere erlaubterweise mit den Gefahren des Tieres in Berührung bringt. So liegt z.B. die Überlassung eines Reitpferdes im Rahmen der sozialtypischen Nutzung des Tieres. Der Reiter stellt sich dabei im Gegensatz zu den

§§ 8, 8a StVG, wo Fahrzeuginsassen an der Betriebsgefahr teilnehmen und nicht unter den Schutzzweck der Halterhaftung fallen, nicht dadurch außerhalb des Schutzzwecks der Norm, dass er sich aus eigenem Interesse auf das Pferd setzt.

Auch aus dem Umstand, dass es sich um eine unentgeltliche Gefälligkeit handelt, kann kein stillschweigender

Ausschluss der Gefährdungshaftung gefolgert werden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der

Geschädigte aufgrund der Unentgeltlichkeit auf den Schutz des Deliktsrechts verzichtet. Die Annahme eines konkludenten Haftungsausschlusses beruht auf einer reinen Fiktion und verbietet sich insbesondere in Fällen, in denen der Tierhalter versichert ist”.

Auch eine Haftungsmilderung analog § 599 lehnt der BGH aufgrund des Fehlens einer vertraglichen Grundlage ab, doch kommt eine Schadensteilung nach § 254 in Betracht, wenn sich das gewöhnliche Reiterrisiko realisiert hat (BGH

NJW 1986, 2883; 1992, 2474).

§ 31 Die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG)

A. Die Produzentenhaftung gemäß § 823 I BGB

-Klausurtipp: Damit Sie das Produkthaftungsgesetz besser verstehen, möchte ich Ihnen zunächst die verschuldensabhängige (!) Produzentenhaftung gemäß § 823 BGB erläutern, die bereits vor Inkrafttreten des Produkthaftungsgesetzes galt. Da das Produkthaftungsgesetz nicht jeden denkbaren Schaden ersetzt, müssen bestehende Lücken durch § 823 I geschlossen werden.

Das bedeutet für Sie in der Klausur, dass Sie Ihre Prüfung mit dem Produkthaftungsgesetz beginnen (§ 1 I ProdHaftG), die verbleibenden Lücken aufzeigen und im Anschluss mit der verschuldensabhängigen Haftung der §§ 831 I 1 bzw. 823 I fortfahren, die diese Lücken schließen können (vgl. Kursmitschrift) .

I. Die Struktur der Produzentenhaftung

Die Produzentenhaftung deckt vor allem Mangelfolgeschäden des Konsumenten ab, die dieser durch das erworbene Produkt an sonstigen Rechten bzw. Rechtsgütern außerhalb der Kauf-

sache selbst erlitten hat. Die typische Struktur der Produzentenhaftung ist dadurch gekennzeichnet, dass in der Dreierbeziehung Hersteller (H), Zwischenhändler (Z) und Konsument (K) vertragliche Beziehungen jeweils nur zwischen H und Z sowie Z und K bestehen.

Beispiel nach BGHZ 51, 91 / „Hühnerpestfall“: Hersteller H stellt ein Serum zum Schutz gegen Hühnerpest her, das durch eine manuelle Umfüllung der Arbeitnehmerin A noch aktive Viren enthält. Dieses Serum kauft der

Hühnerzüchter K bei Z und injiziert es seinen Hühnern mit der Folge, dass die Hühner mit Hühnerpest infiziert werden und geschlachtet werden müssen. K fragt, ob er den dadurch erlittenen Schaden von Z oder H ersetzt verlangen kann.

H Z K

§ 433 § 433

1) Ansprüche des Konsumenten gegen den Zwischenhändler auf Ersatz der Mangelfolgeschäden

8 a) Vertragliche Ansprüche aa) Das infolge der Lieferung der mangelhaften Sache gemäß den §§ 437 Nr. 2, 323 I entstandene Rücktrittsrecht führt gemäß § 346 I nur zu einer Rückzahlungsverpflichtung bezüglich des Kaufpreises. bb) Ein Schadensersatzanspruch gemäß den §§ 437 Nr. 3, 280 I würde voraussetzen, dass Z den Sachmangel i.S.d. § 276 zu vertreten hat:

Harald Langels: Schuldrecht BT 4

Harald Langels: Schuldrecht BT 4 § 31 Die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz

(1) Eine Haftung wegen des Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft entfällt, da Z keinen gesteigerten Haftungswillen für die Tauglichkeit seiner Produkte hat.

(2) Eine Haftung wegen eines arglistig verschwiegenen Mangels scheitert daran, dass Z den

Mangel selbst nicht kannte.

(3) Für einen Anspruch wegen fahrlässiger Pflichtverletzung fehlt es am erforderlichen

Verschulden:

(a) Für eigenes Verschulden haftet Z nicht, weil man ihm persönlich keinen Vorwurf machen kann; insbesondere ist er ohne nähere Anhaltspunkte nicht verpflichtet, die verkaufte Sache zuvor zu untersuchen (ausführlich dazu Langels, Schuldrecht BT 1 § 5 IV) .

(b) Auch eine Zurechnung von Fremdverschulden über § 278 scheidet aus: Der Hersteller ist kein Erfüllungsgehilfe des Zwischenhändlers. Eine Ausnahme gilt nur in Fällen, in denen der Zwischenhändler zur Erfüllung eigener Aufklärungspflichten gegenüber dem

Konsumenten die Gebrauchsanweisung des Herstellers benutzt (BGHZ 47, 312, 316; dazu ausführlich Langels, Schuldrecht AT 1 § 12 III 1 b) .

b) Quasivertragliche Ansprüche

Ersatzansprüche aus c.i.c. gemäß den §§ 311 II, 241 II, 280 I 1 scheiden aus, da die vertraglichen

Regelungen des Kaufrechts bezüglich von Schäden, die durch Beschaffenheitsmerkmale der

Kaufsache verursacht wurden, zumindest bei Fahrlässigkeit des Verkäufers (die hier ohnehin nicht vorliegt!) eine abschließende Regelung darstellen (dazu ausführlich Langels, Schuldrecht AT 1 § 6 II 2) .

c) Deliktische Ansprüche

Für deliktische Ansprüche aus § 823 I (Eigentumsverletzung) gegen Z fehlt es an dessen Verschulden.

Zwischenergebnis: Im Verhältnis zum Zwischenhändler verbleibt dem Konsumenten nur der

Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nach erklärtem Rücktritt.

2) Ansprüche des Konsumenten gegen den Hersteller a) Vertragliche Ansprüche

Direkte vertragliche Ansprüche scheitern an einer fehlenden vertraglichen Beziehung zwischen

H und K: Z ist nicht als Vertreter des K i.S.d. § 164 I aufgetreten; für eine analoge Anwendung des § 328 fehlt es sowohl am Interesse des Z an einer Einbeziehung des K in den Schutzzweck des Vertrages mit H wie auch an der Erkennbarkeit des geschützten Personenkreises für den

Hersteller. Es käme, wie auch der BGH in der „Hühnerpest – Entscheidung“ (BGHZ 51, 91, 96) betont, zu einer unübersehbaren Ausdehnung der vertraglichen Haftung, wenn jeder Hersteller sich vertraglichen Ansprüchen des Endverbrauchers ausgesetzt sähe.

Auch aus Marken- oder Gütezeichen, Gebrauchsanweisungen oder Werbeaussagen über

Produkteigenschaften kann noch keine vertragliche Garantieerklärung des Herstellers abgeleitet werden, da es, für den Konsumenten erkennbar, an einem dementsprechenden Rechtsbindungswillen des Herstellers fehlt.

Anders ist es in Fällen, in denen dem Produkt eine Garantiekarte des Herstellers beiliegt. Dort entsteht ein Garantievertrag zwischen Hersteller und Konsumenten, dessen Verletzung jedoch regelmäßig nur zum Ersatz der Mangelschäden am Produkt selbst verpflichtet (ausführlich dazu

Langels, Schuldrecht BT 1 § 9) .

Für die Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation fehlt es an dem diese kennzeichnenden Zufall, dass haftungsbegründender Tatbestand und haftungsausfüllender Tatbestand auseinanderfallen, da der Schaden aus Sicht des Herstellers nahezu zwangsläufig beim Endverbraucher und nicht beim Zwischenhändler als dem Vertragspartner des Herstellers eintritt.

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§ 31 Die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz Harald Langels: Schuldrecht BT 4 b) Quasivertragliche Ansprüche

Quasivertragliche Ansprüche aus culpa in contrahendo scheiden mangels eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses zwischen H und K ebenfalls aus. c) Deliktische Ansprüche aa) Im Rahmen der Gefährdungshaftung ist an § 84 ArzneimittelG (AMG) zu denken, der allerdings pharmazeutische Unternehmen nur für Personenschäden haften lässt.

Beachte, dass nach § 15 I ProdHaftG das AMG das ProdHaftG bei Körperschäden verdrängt. bb) Für die durch seine Verrichtungsgehilfin verursachte Rechtsverletzung kann sich der nach

§ 831 I 1 in Anspruch genommene Hersteller gegebenenfalls nach § 831 I 2 entlasten. cc) Die Haftung für nachgewiesenes Verschulden gemäß § 823 I im Hinblick auf die Verletzung der dort enumerativ aufgezählten Rechte bzw. Rechtsgüter knüpft im Rahmen der Produ-

zentenhaftung regelmäßig an ein Unterlassen an. Die dafür erforderliche Garantenstellung des Herstellers ergibt sich aus der Tatsache, dass er Massenprodukte auf den Markt bringt und dadurch den Verbraucher einer Gefahr aussetzt, die er im Rahmen des Zumutbaren einzuschränken hat. Dem Hersteller können dabei folgende Fehler unterlaufen, durch die er seine ihn treffende Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzen kann:

(1) Der Konstruktionsfehler

(a) Der Konstruktionsfehler beruht auf dem Verstoß gegen technische Erkenntnisse bei

der Herstellung, so dass dieser Fehler jedem einzelnen Produkt anhaftet. Der Hersteller muss aber bereits im Vorfeld der Herstellung, also bei der grundlegenden Planung und Konstruktion, ein Verfahren wählen, das nach dem Stand von Wissenschaft und

Technik den Verbraucher vor Schäden infolge der mangelhaften Kaufsache bewahrt.

Gefahren und schädliche Nebenwirkungen, die von dem Produkt ausgehen, sind im

Rahmen des Zumutbaren einzuschränken (Adams NJW 2004, 3659 mwN) . Der Maßstab für die Sicherheitsanforderungen an das Produkt ist der bestimmungsgemäße Gebrauch durch den durchschnittlichen Benutzer: Je gefährlicher das Produkt ist, desto größer

sind die Anforderungen an die Sorgfalt des Herstellers. Wie auch im Rahmen des § 3

ProdHaftG darf aber der Hersteller auf ein Mindestmaß an Eigenverantwortung des

Konsumenten vertrauen, so dass das Produkt nicht „narrensicher“ sein muss. Andererseits muss auch der durchschnittliche Benutzer bei einem für den Hersteller vorhersehbaren

Fehlgebrauch nach Kräften vor einem Schaden bewahrt werden.

Zur zivilrechtlichen Haftung der Zigarettenindustrie für Tabakschäden LG Arnsberg NJW 2004, 232

(abgelehnt, nicht rechtskräftig; bejahend Adams, NJW 2004, 3660; ausführlich Fürer, Die zivilrechtliche Haftung für Raucherschäden, § 5 III 3 a bb; Thiele, Die zivilrechtliche Haftung der Tabakindustrie, 2003, 114)

(b) Allein der Umstand, dass ein anderes Herstellungsverfahren die Gefahren für den Verbraucher ausgeschlossen oder reduziert hätte, begründet für sich allein noch nicht den

Vorwurf des Konstruktionsfehlers. Der Unternehmer darf vielmehr bei der Wahl des

Herstellungsverfahrens auch die Kosten im Auge behalten, die die Wahl eines Verfahrens mit sich bringt, das eine größere Sicherheit des Produktes gewährleisten würde. Optimale

Sicherheit muss vom Verbraucher bezahlt werden. Andererseits muss jedes noch so preisgünstige Produkt eine gewisse Basissicherheit gewährleisten (BGH NJW 1990, 908, 909) .

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(c) Verwendet ein Hersteller für seine Produkte gebrauchsfertige Einzelteile, die er von einem

Zulieferer bezieht, so muss er dafür sorgen, dass er nur Teile erwirbt, die nach der

Einfügung in sein Produkt Dritte nicht gefährden können. Dies gilt auch dann, wenn diese eingefügten Teile allgemein im Handel erhältlich sind, so dass der Hersteller des End-

Harald Langels: Schuldrecht BT 4

Harald Langels: Schuldrecht BT 4 § 31 Die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz produkts auf die Konstruktion des zugelieferten Teils kaum einen eigenen Einfluss hat.

Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 1994, 3349) muss der Hersteller durch genaue

Zielvorgaben gegenüber dem Zulieferer dafür sorgen, dass das zugelieferte Produkt keine sicherheitsrelevanten Mängel aufweist. Zudem muss der Hersteller den Zulieferer auf die genauen Einsatz- und Funktionsanforderungen des benötigten Teils hinweisen.

Lesen Sie dazu die Klausur: „Have a brake.“

(2) Fabrikationsfehler

(a) Ein Fabrikationsfehler entsteht während der Herstellung und haftet nur einzelnen

Stücken an. Im Gegensatz zum Konstruktionsfehler, bei dem alle Produkte den identischen konstruktionsbedingten Mangel aufweisen, handelt es sich um einen Fabrikationsfehler, wenn durch eine einmalige Fehlfunktion einer Maschine oder durch den ein-

maligen Fehler eines Arbeitnehmers ein fehlerhaftes Produkt in den Handel gelangt.

Beispiele: Noch aktive Viren enthaltendes Serum im Ausgangsfall; aidsverseuchte Blutkonserve / OLG

Hamburg NJW 1990, 2322.

(b) Der Produzent muss aber das Herstellungsverfahren durch entsprechende Organisation und

Kontrolle so ausgestalten, dass die Fehlerfreiheit eines jeden einzelnen Produktes gewährleistet ist. Lassen sich im Einzelfall Mängel selbst bei größtmöglicher Sorgfalt nicht verhindern, so muss dieses Manko des Herstellungsverfahrens durch eine strenge Qualitätsendkontrolle kompensiert werden.

(c) Handelte es sich um einen einmaligen Fehler (= Ausreißer) , der nicht verhindert werden konnte, obwohl der Hersteller die zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat, so haftet der Hersteller nicht.

(3) Der Instruktionsfehler

(a) Ein Instruktionsfehler liegt vor, wenn der Hersteller den Verbraucher nicht durch eine ver-

ständliche Bedienungsanleitung vor produktspezifischen Gefahren gewarnt hat und die

Verwendung des Produktes noch im Rahmen der allgemeinen Zweckbestimmung des

Produktes lag (Adams, NJW 2004, 3661; BGH NJW 1989, 707) . Verständlichkeit der Bedienungsanleitung und Umfang der Aufklärung orientieren sich einmal am durchschnittlichen

Benutzer, zum anderen an Grad und Nähe der Gefahren.

(b) Der Hersteller muss den Verbraucher auch vor den Folgen eines vorhersehbaren nahe-

liegenden Fehlgebrauchs warnen. Diese Pflicht entfällt nur, wenn der Hersteller sicher sein kann, dass sein Produkt ausschließlich in die Hände von Personen gelangt, die mit den

Gefahren des Produktes vertraut sind (BGH NJW 1986, 1863) . Dabei sind an die Pflicht zur

Aufklärung und Warnung besonders strenge Anforderungen zu stellen, wenn die

Verwendung des Produktes mit erheblichen Gefahren für die Gesundheit von Menschen verbunden ist. Entsprechende Hinweise müssen deutlich erfolgen und dürfen nicht in der

Gebrauchsanweisung versteckt werden.

Beispiel nach BGH NJW 1992, 560 = „Milupa-Fall“: Ein stark zuckerhaltiger Kindertee verursachte bei häufiger Verwendung in Verbindung mit einem Saugnuckel, der den Tee nur an den Oberkiefer gelangen ließ, erhebliche Zahnschäden bei Kindern, da der Zucker mangels Speichelfluss am Oberkiefer nicht abtransportiert werden konnte („nursing- bottle- syndrom“). Die beklagte Firma musste nach Ansicht des

BGH damit rechnen, dass Mütter, die bereits wussten, wie das Produkt zu verwenden war, diese

Gebrauchsanweisung nicht erneut lesen würden und ohne einen deutlich herausgestellten Hinweis keine

Veranlassung hatten, die bisherige Verwendungspraxis zu ändern.

(c) Es haftet aber nicht nur der Hersteller des Endprodukts, sondern auch der Zulieferer eines

Teilprodukts: Der Zulieferer hat dafür einzustehen, dass das von ihm gefertigte Produkt im Rahmen eines bestimmungsgemäßen Gebrauchs in der Weiterverarbeitung durch andere

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§ 31 Die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz Harald Langels: Schuldrecht BT 4 in vollem Umfang fehlerfrei ist und ohne Gefährdung anderer eingesetzt werden kann.

Zum bestimmungsgemäßen Gebrauch gehört dabei jeder Einsatz des Produkts, der nach der

Art der Bewerbung und Beschreibung des Produkts durch den Endhersteller für einen

Verwender entsprechend dessen Kenntnissen bei sachgemäßer Beratung in Frage kommt

(BGH NJW 1996, 2224) . Lassen sich aus der Werbung des Endherstellers Einsatzmöglichkeiten ableiten, bei denen sich dieses Produkt als für den Verbraucher nicht geeignet erweisen könnte, so muss auch der Zulieferer mögliche Anwender vor den gefährlichen

Folgen dieser Verwendung warnen (so auch Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, 5) . Dennoch fällt die Auswahl der für die Herstellung des Gesamtprodukts geeigneten Teile grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Herstellers (OLG Düsseldorf NJW-RR-1997, 1344) .

(d) Inhaltlich müssen die Hinweise so abgefasst sein, dass die bestehenden Risiken für den

Verbraucher plausibel werden. Das wird nur erreicht, wenn die Gefahr des Produktes deutlich herausgestellt wird, damit der Produktverwender sie nicht erst durch eigenes

Nachdenken voll erfassen kann. Dabei muss der Verbraucher auch auf die Funktionszusammenhänge hingewiesen werden, also erkennen können, warum das Produkt gefährlich ist, damit die Warnung als berechtigt verstanden wird (BGH NJW 1995, 1286;

Zinkmann, Die Reduzierung der Produkthaftungsrisiken 1989, 97) . Dabei genügt es allerdings, wenn auch ein wenig informierter Anwender durch die Instruktion des Herstellers eine ausreichende Vorstellung von den drohenden Gefahren gewinnt. Eine drastische Abschreckung wird nicht verlangt (BGH NJW 1994, 932; Meyer ZIP 1995, 716) .

Gerade beim Tabakkonsum wird die Verletzung einer Instruktionspflicht kontrovers diskutiert. Gerade bei Light-Zigaretten werde der Eindruck erweckt, diese seinen weniger gesundheitsschädlich, so dass das Risiko des Rauchens gerade dieser Zigaretten unzulässig verharmlost werde (Adams, NJW 2004, 3661 mwN; rechtsvergleichend Molitoris, NJW 2004, 3662) .

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Die inhaltlichen Anforderungen an die Instruktionspflicht sind nach dem BGH (NJW 1992,

2016) auch davon abhängig, ob die Produkte von Laien in privaten Haushalten oder von

Fachleuten im gewerblichen Bereich benutzt werden.

(e) Vor einem evidenten Missbrauch des Produktes muss der Hersteller den Verbraucher nicht warnen. ”Dummes Fleisch muss ab.”

Beispiele:

1) Der Hersteller eines Grillgerätes ist nicht verpflichtet, den Verbraucher darauf hinzuweisen, dass dieser keinen Brennspiritus auf glühende Grillkohle schütten darf (OLG Koblenz VersR 1981, 740).

2) Auch der Hersteller von Lösungsmitteln muss den Verbraucher nicht davor warnen, dass durch das

„Schnüffeln“ von „Pattex“ Gesundheitsschäden entstehen können (BGH NJW 1981, 2514).

(f) Die Adressaten der Aufklärung: Warnende Hinweise müssen nicht unbedingt nur an den

Verbraucher, sondern ggf. auch an den Verkäufer gerichtet sein, damit dieser bestimmte

Produkte nicht in falsche Hände geraten lässt (BGH NJW 1998, 2905) .

Beispiel: So muss nach BGH a.a.O. der Hersteller von Feuerwerkskörpern auch den Letztverkäufer davor warnen, diese Feuerwerkskörper nicht an jüngere Kinder im Grundschulalter abzugeben, wenn eine Verwendung unter Aufsicht von Erwachsenen nicht sichergestellt ist. Dies gilt auch dann, wenn es sich um Feuerwerkskörper der Klasse 1 handelt, die auch an Personen unter 18 Jahren verkauft werden dürfen. Ein verkehrssicherungspflichtiger Verkäufer muss manchmal eben mehr tun, als Gesetze oder Verordnungen von ihm verlangen.

(4) Die Verletzung der Produktbeobachtungspflicht

(a) Da die Verkehrssicherungspflicht des Herstellers mit Produktion und Verkauf noch nicht erfüllt ist, muss der Hersteller auch noch nach dem Inverkehrbringen seiner Ware diese daraufhin beobachten, welche bis dato unbekannten Risiken die Ware in sich birgt oder wie sie von Verbrauchern verwendet wird. Der Hersteller haftet daher auch, wenn er es unter-

Harald Langels: Schuldrecht BT 4

Harald Langels: Schuldrecht BT 4 § 31 Die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz lässt, durch Rückrufaktionen oder Warnung des Verbrauchers auf die im Nachhinein erkannten Gefahren zu reagieren.

Die Produktbeobachtungspflicht verpflichtet auch zur Reaktion auf Gefahren, die sich erst daraus ergeben, dass das Produkt des Herstellers mit anderen Produkten kombiniert wird und dadurch die Gebrauchstauglichkeit der Ware beeinträchtigt wird.

Beispiel nach BGHZ 99, 167: ”Honda-Fall”: Die Firma Honda wäre verpflichtet gewesen, die Käufer eines

Motorrads darauf hinzuweisen, dass durch die Verwendung von firmenfremden (!) Spoilern die Aerodynamik des Motorrads beeinträchtigt wurde, deren Montage durch konstruktionsbedingte Löcher im Rahmen des

Motorrads erleichtert wurde.

(b) Der BGH (BGHZ 80, 186 / „Apfelschorf- Fall“: Ein Pflanzenschutzmittel erweist sich nachträglich als unwirksam gegen neuartige resistente Pilze) hat die Produktbeobachtungspflicht des Herstellers auch auf die Wirkungslosigkeit seiner Produkte ausgedehnt: Den Hersteller trifft danach auch die Pflicht, die Wirksamkeit seiner Produkte nach dem Inverkehrbringen im Auge zu behalten und die Verbraucher bei erkannter Unwirksamkeit zu warnen. Der Hersteller haftet also für die beim Verbraucher ”psychisch vermittelte Kausalität” der Schädigung, dass dieser im Vertrauen auf die Wirksamkeit des gekauften Produktes andere, wirksame

Schutzmaßnahmen nicht ergreift und dadurch seine Rechtsgüter beschädigt werden.

(c) Diese Pflicht zur Produktbeobachtung wurde später (BGH NJW - RR - 1995, 342) auch auf den

Quasihersteller ausgedehnt: Wer sich in besonderer Weise durch sein eigenes, aus der

Firmenbezeichnung abgeleitetes Produktmarkenzeichen mit einem Produkt identifiziert, muss das Produkt auch dann beobachten, wenn er es nicht selbst hergestellt hat. Zumindest ist er verpflichtet, auf ihm zugeleitete Beanstandungen des Produktes zu reagieren (= passive

Produktbeobachtung) . Selbst wenn er die Produkte nicht selbst hergestellt hat, muss er wie ein Hersteller reagieren und die Gefahr abwenden.

(d) Diese passive Produktbeobachtungspflicht gilt auch für den Hersteller des Endprodukts, der von Mängeln ihm zugelieferter Teile erfahren hat: Er muss alle ausgelieferten Teile zurückrufen und austauschen, um weitere Schäden zu verhindern (OLG Karlsruhe, NJW- RR-

1995, 594) . Zusätzlich muss der Hersteller den Zulieferer veranlassen, seine Produktion entsprechend umzustellen. Selbst wenn der Hersteller des Endproduktes auf das zugelieferte Teil angewiesen ist, darf er bei großen Gefahren nicht allzu lange warten, bis der Zulieferer andere Teile liefert. Muss er mit einer verzögerten Belieferung mangelfreier

Teile rechnen, ist der Hersteller des Endprodukts verpflichtet, ungefährliche Teile von einem anderen Zulieferer zu beziehen, selbst wenn dieser entsprechende Teile erst noch entwickeln muss (BGH NJW 1994, 3349) .

(e) Auch Vertriebshändler, die selbst mit der Herstellung der von ihnen verkauften Produkte nichts zu tun haben, können im Einzelfall zur Gefahrenabwehr verpflichtet sein. Sie brauchen zwar die von ihnen vertriebenen Produkte nicht zu untersuchen (BGH NJW 1981, 1603, 1604=

„Apfelschorffall“) , müssen aber den Verbraucher entsprechend instruieren und dabei dafür sorgen, dass der Verbraucher in der Bedienungsanleitung auf die Gefahren der Produkte ausreichend hingewiesen wird. Selbst der Einzelhändler muss dafür sorgen, dass der Verbraucher die entsprechenden Warnhinweise erhält (Foerste, Handbuch zur Produkthaftung I, § 26 Rz. 13).

Der Alleinvertreiber eines Produktes muss sogar noch mehr tun: Er darf sich nicht darauf beschränken, die Bedienungsanleitung des Herstellers weiterzuleiten, sondern er ist auch für deren Erstellung verantwortlich. Er muss sogar wie der Hersteller durch entsprechende Hinweise auf drohende Gefahren hinweisen (BGH NJW 1995, 1286, 1289 = „Karotten- Früchte- Trunk“ ).

Diese Pflicht besteht auch dann, wenn der Vertreiber nicht durch entsprechendes Anbringen des eigenen Markennamens als Quasihersteller nach außen in Erscheinung tritt (BGH a.a.O.) .

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§ 31 Die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz Harald Langels: Schuldrecht BT 4

(f) Der Zeitpunkt, wann der Hersteller die Verbraucher vor etwaigen Schäden warnen muss, hängt davon ab, ob durch das vermeintlich fehlerhafte Produkt Menschen zu Schaden kommen können oder ob nur Sachschäden drohen.

(aa) Droht ein Personenschaden, so muss bereits bei einem ernst zu nehmenden Verdacht auf mögliche Schäden gewarnt werden (BGH NJW 1981, 1603, 1604) .

(bb) Kann das vermeintlich fehlerhafte Produkt nur Sachschäden verursachen, darf sich der

Hersteller bei den ersten Anzeichen einer Gefahr zunächst auf weitere Untersuchungen beschränken, bevor er den Verbraucher warnt. Wenn sich aber durch weitere Hinweise die

Gefahr verdichtet, muss der Hersteller an die Öffentlichkeit gehen, bevor der Verdacht zur

Gewissheit wird (BGH NJW 1994, 517) .

(5) Die Verletzung der Befundsicherungspflicht

(a) Zu den o.g. Pflichten des Herstellers tritt in Einzelfällen eine Befundsicherungspflicht hinzu, wenn den Hersteller zur Vermeidung sonst drohender schwerster Schäden auf Seiten des Verbrauchers die besondere Pflicht trifft, sich über das Fehlen von Mängeln zu vergewissern, die typischerweise aus dem Bereich des Herstellers stammen. In diesem

Zusammenhang muss der Hersteller den „Status“ des Produkts vor dem Inverkehrbringen und den Befund sichern. Birgt ein Produkt erhebliche Risiken in sich, die in der

Herstellung geradezu angelegt sind und deren Beherrschung einen Schwerpunkt des

Produktionsvorgangs darstellt, so dass über die übliche Warenendkontrolle hinaus besondere Befunderhebungen erforderlich sind, so kann aus dieser Verletzung der

Befunderhebungspflicht die Beweislast des Herstellers dafür folgen, dass der schadensstiftende Produktfehler nicht in seinem Verantwortungsbereich entstanden ist.

Beispiel nach BGH NJW 1988, 2611 / explodierende Limonadenflasche: Der Hersteller muss das Produkt auf seine einwandfreie Beschaffenheit hin überprüfen und den Befund sichern. Verletzt er diese Pflicht, so kann es zu einer Beweislastumkehr kommen mit der Folge, dass nunmehr der Hersteller nachweisen muss, die Sache sei zur Zeit des Inverkehrbringens mangelfrei gewesen.

(b) Der BGH hat diese Entscheidung später (in NJW 1993, 528) noch einmal bestätigt. Im Wege der

Befundsicherung müsse der Hersteller ein Kontrollverfahren wählen, das den Zustand jeder einzelnen Flasche ermittelt und gewährleistet, dass - soweit dies technisch möglich ist - alle nicht einwandfreien Flaschen von der Wiederverwendung ausgeschlossen werden. Dies setzt jedoch voraus, dass das Produkt mit einem typischen Risiko belastet ist, dessen Beherrschung einen Schwerpunkt des Produktionsvorgangs darstellt (BGH NJW 1998, 2611, 2613) .

(c) Innerhalb eines Zivilprozesses muss der verklagte Hersteller an der prozessualen

Aufklärung der Frage mitwirken, ob er die zur Befundsicherung erforderlichen Kontrollmaßnahmen ergriffen hat. Hat der grundsätzlich beweispflichtige Kläger keinen Einblick in den entsprechenden Geschehensablauf, so muss der Beklagte die zur Überprüfung der

Befundsicherungspflicht erforderlichen Angaben machen (so auch BGH NJW 1983, 687) .

II. Die Verteilung der Beweislast

Da der Kläger im Prozess die anspruchsbegründenden Voraussetzungen beweisen muss, müsste er im Rahmen der Produzentenhaftung nicht nur die Kausalität des Fehlers für den Eintritt seiner

Rechtsverletzung, sondern auch das Verschulden des Herstellers beweisen, was ihm aber nahezu unmöglich sein wird, da er die betriebliche Organisation des Beklagten nicht überblicken kann.

Um den Rechtsschutz des Verbrauchers aber nicht unangemessen zu verkürzen, hatte die Rechtsprechung bereits vor der Existenz des ProdHaftG versucht, dem Konsumenten mit einem abgestuften System von Beweiserleichterungen zu helfen:

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Harald Langels: Schuldrecht BT 4

Konstruktions- bzw. Fabrikationsfehler

§ 31 Die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz

Instruktions- und Produktbeobachtungsfehler

Der Kläger / Verbraucher muss nachweisen, dass das von ihm erworbene Produkt bereits zur

Zeit der Herstellung fehlerhaft war und er

durch diesen Fehler in einem seiner Rechtsgüter verletzt worden war. Der Geschädigte muss also auch hier die Kausalität zwischen Produkt-

fehler und Rechtsverletzung beweisen. Dabei kann sich der Verbraucher auf den prima facie-

Beweis stützen, dass ein Geschehensablauf sich auch im vorliegenden Fall so zugetragen habe wie er sich normalerweise ereignet, dass also z.B. ein

Fehler der geltend gemachten Art regelmäßig bereits bei der Herstellung vorlag und typischerweise Schäden dieser Art hervorruft.

Der Geschädigte muss aber nicht die Sorgfaltspflichtverletzung des Herstellers beweisen; dieser muss vielmehr den entsprechenden Gegenbeweis führen.

Der Kläger / Verbraucher muss die Umstände nachweisen, aus denen sich die Verletzung der

Instruktions- bzw. Produktbeobachtungspflicht des Herstellers ergibt. Dabei muss der Verbraucher nur nachweisen, dass eine Instruktion erforderlich gewesen wäre; anschließend ist es

Sache des Herstellers, nachzuweisen, dass die

Gefahren für ihn nicht erkennbar waren und ihn daher kein Verschulden trifft.

Ferner muss der Geschädigte nachweisen, dass der Schaden bei ausreichender und rechtzeitiger

Instruktion vermieden worden wäre. Es kann aber eine tatsächliche Vermutung dafür bestehen, dass für den Fall sorgfältiger und rechtzeitiger

Instruktion diese auch beachtet worden wäre; es ist dann Sache des Herstellers, diese Vermutung zu widerlegen (BGH VersR 1992, 99) .

Ist dieser Beweis geführt, so wird bzgl. der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht und

des Verschuldens die Beweislast zu Lasten des Herstellers vollständig umgekehrt: Es wird vermutet, dass der Hersteller schuldhaft seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat, bis er das

Gegenteil nachweisen kann (BGH NJW 1999, 1028; ZIP 1999, 366; BGHZ 51, 91) .

Exkurs: In BGH NJW 1992, 1039 hat der BGH die Beweislastumkehr auch auf Kleinbetriebe erstreckt

(Produzentenhaftung des Gastwirts bei salmonellenverseuchtem Essen), obwohl deren Herstellungsvorgang einfacher als bei Großbetrieben zu übersehen ist. Auch bei Kleinbetrieben habe der Geschädigte keinerlei Einblick in die

Herstellungs- und Organisationssphäre des Betriebes; andererseits falle bei überschaubaren Betrieben die Entlastung des Herstellers umso leichter. An der Beweislastumkehr ändert sich auch nichts durch den Umstand, dass dem

Geschädigten konkurrierende vertragliche Schadensersatzansprüche zustehen, da vertragliche und deliktische

Ansprüche jeweils ihren eigenen Regeln folgen.

Die präsentant des Unternehmens erscheinen, insbesondere dann, wenn sie an dem Unternehmen, z.B. als Kommanditist, kapitalmäßig beteiligt sind. Dies gilt jedoch nicht für einfache Mitarbeiter, da diese keine Produzenten sind.

Steht fest, dass ein objektiver Mangel des Produkts zu einer Eigentumsverletzung geführt hat, so ist der Geschädigte nicht nur vom Beweis des Verschuldens, sondern auch vom Beweis der objektiven Pflichtwidrigkeit des Herstellers befreit. Der Hersteller ist „näher dran“, den

Herstellungsprozess zu überblicken und den Sachverhalt aufzuklären (BGH NJW 1996, 2507) .

Zwischenergebnis: Die Produzentenhaftung nach der alten Rechtslage kam zwar im Hinblick auf die Beweislastverteilung dem Konsumenten mit Beweiserleichterungen entgegen, entließ ihn aber nicht aus der Verantwortung, Fehler bei Instruktion und Beobachtung nachzuweisen. Darüber hinaus konnte der Hersteller den Anscheinsbeweis erschüttern, das Produkt sei von vornherein mangelhaft gewesen. Von Fall zu Fall konnte er die richterrechtlich entwickelte Verschuldensvermutung widerlegen.

III. Die Beteiligten: Gläubiger und Schuldner der Produzentenhaftung

1) Anspruchsberechtigt ist nicht nur der jeweilige Konsument des fehlerhaften Produktes, sondern darüber hinaus jeder Dritte, dessen Rechtsgüter durch das fehlerhafte Produkt verletzt wurden.

Nicht nur Privatleute, sondern auch Unternehmer, die im Verhältnis zum Hersteller als Abnehmer auftreten, können Ersatzansprüche auf die Produzentenhaftung stützen.

Harald Langels: Schuldrecht BT 4 15

§ 31 Die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz Harald Langels: Schuldrecht BT 4

2) Anspruchsgegner sind sowohl industrielle Hersteller als auch Inhaber von Kleinbetrieben (siehe dazu BGH NJW 1992, 1039/ Hochzeitsessen- Fall) .

Über den Inhaber des jeweiligen Betriebes hinaus sollen auch Mitarbeiter in herausgehobener

Stellung als Produzenten haften, wobei die Rspr. (BGH NJW 1975, 1827) auch im Hinblick auf leitende

Angestellte die Beweislast umkehrt. Dies wird in der Literatur (z.B. Medicus BR 650 a) unter Hinweis darauf kritisiert, dass der leitende Mitarbeiter weder am Produktionsgewinn beteiligt ist noch notwendigerweise über die dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Beweismittel verfügt. Da sich die Umkehr der Beweislast zu Lasten des Unternehmers nur mit dessen Unternehmerrisiko rechtfertigen lässt, müsse diesem Risiko auch eine entsprechende unternehmerische Gewinnaussicht gegenüberstehen. Wo dies nicht der Fall sei, könne die Beweislast nicht umgekehrt werden.

B. Die Produkthaftung nach dem ProdHaftG

Das ProdHaftG soll zum einen durch eine verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers für

Personen- und Sachschäden den Verbraucherschutz verbessern, andererseits im Hinblick auf den

EG-Binnenmarkt zur Herstellung von Chancengleichheit der Wettbewerber, zur Ermöglichung des freien Warenverkehrs und zur Rechtsvereinheitlichung beitragen. Es geht zurück auf eine EG-Richtlinie, die durch den bundesdeutschen Gesetzgeber in innerstaatliches Recht transformiert wurde.

I. Die Anspruchsvoraussetzungen der Produkthaftung

Anspruchsgrundlage der Produkthaftung ist § 1 I ProdHaftG: Wird durch den Fehler eines

Produktes ein Mensch getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache

beschädigt, so ist der Hersteller des Produktes verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Im Falle der Sachbeschädigung gilt dies allerdings gemäß § 1 I 2 ProdHaftG nur, wenn das fehlerhafte Produkt nicht „sich selbst“, sondern eine andere Sache beschädigt hat und wenn diese andere Sache ihrer Art nach überwiegend privat genutzt wird und auch vom Geschädigten persönlich überwiegend privat genutzt wurde.

1) Es muss eines der in § 1 I ProdHaftG abschließend aufgezählten Rechte oder Rechtsgüter verletzt worden sein.

Auch bei der Produkthaftung gilt zur Begrenzung der deliktischen Haftung das Enumerations-

prinzip: Durch den Fehler eines Produktes muss ein Mensch getötet, sein Körper oder seine

Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt worden sein. Die Verletzung eines „sonstigen

Rechts“ verpflichtet nicht zum Schadensersatz. Insbesondere primäre Vermögensschäden werden ebenso wenig ersetzt wie bei § 823 I BGB. a) Bei Körper- und Gesundheitsschäden ist die Person des Geschädigten irrelevant: Über den

Erwerber des Produkts hinaus ist auch jeder Dritte ersatzberechtigt, der mit der Sache in

Berührung gekommen ist. b) Handelt es sich um Sachschäden, so haftet der Hersteller gemäß § 1 I 2 ProdHaftG nur für

Schäden an anderen Sachen als dem Produkt selbst (= Mangelfolgeschaden) und dies auch nur dann, wenn diese anderen (!) Sachen gewöhnlich ihrer Art nach für den privaten Gebrauch bestimmt sind und auch im konkreten Fall vom Geschädigten privat genutzt wurden. Im

Gegensatz zur verschuldensabhängigen Haftung nach § 823 I BGB werden Schäden durch einen weiterfressenden Mangel nicht ersetzt: Hat also ein funktionell abgrenzbares Teil zur

Beschädigung oder Zerstörung der ansonsten fehlerfreien Gesamtsache geführt, so gilt das

ProdHaftG nicht. Daraus folgt: Für Schäden am Produkt selbst (= Mangelschaden) haftet der

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Harald Langels: Schuldrecht BT 4 § 31 Die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz

Hersteller, abgesehen von den Gewährleistungsvorschriften der §§ 433 ff. oder der §§ 633 ff., nur nach § 823 I und auch nur dann, wenn zwischen dem geltend gemachten Schaden und der von vornherein mangelhaften Sache keine Stoffgleichheit bestand: aa) Die Lieferung einer von vornherein wertlosen Sache ist keine Eigentumsverletzung; es ist nicht die Aufgabe des Deliktsrechts, das Äquivalenzinteresse an der Gleichwertigkeit von

Leistung und Gegenleistung zu schützen, das über Gewährleistungsregeln erschöpfend geregelt wird (vgl. dazu die ausführliche Darstellung i.R.d. § 823 I / Eigentumsverletzung) .

bb) Die Ersatzpflicht beginnt dort, wo der Mangel auf einen Teil der Sache beschränkt ist, ohne diese dadurch völlig zu entwerten und die Gesamtsache infolge des Mangels untergeht (z.B.

Gaszug-Entscheidung des BGH in BGHZ 86, 256).

2) Das Produkt i.S.d. § 2 ProdHaftG muss fehlerhaft i.S.d. § 3 ProdHaftG sein. a) Der Begriff ”Produkt” aa) Produkt i.S.d. § 2 ProdHaftG ist jede bewegliche Sache, auch wenn sie Teil einer anderen

Sache ist. bb) Ob eine (z.B. in Büchern oder Disketten) verkörperte geistige Leistung ein Produkt i.S.d.

ProdHaftG darstellt, ist lebhaft umstritten:

(1) Die Gegner (Foerste, NJW 1991, 1433, 1438; Honsell, JuS 1995, 211, 212 m.w.N.) argumentieren damit, dass das ProdHaftG allein vor den physischen Gefahren eines Erzeugnisses schützen wolle. Nicht der Informationsträger, sondern die falsche Information selbst sei aber die

Hauptursache der Schädigung.

(2) Dem halten die Befürworter (Hohmann, NJW 1999, 524 m.w.N.; Cahn, NJW 1996, 2899 m.w.N.) einer Produkthaftung in derartigen Fällen entgegen, dass auch technische Anleitungen dazu dienen können, dem Benutzer eine angemessene Reaktion auf physische Gefahren eines

Produkts zu ermöglichen.

Folgt man dieser Ansicht, so sind auch Computerprogramme ein Produkt i.S.d. § 2

ProdHaftG. Daraus folgt, dass auch Hersteller von Software nach dem ProdHaftG haften.

-Klausurtipp: Beachten Sie dabei aber, dass das ProdHaftG regelmäßig nur Personenschäden ersetzt; Sachschäden gemäß § 1 I 2 ProdHaftG nur dann, wenn sie außerhalb des fehlerhaften Produkts selbst auftreten (z.B. Datenspeicher, Hardware) und wenn die beschädigte

Sache überwiegend privat genutzt wird! Gewerbliche Benutzer fehlerhafter Software können sich also mit Ausnahme von Personenschäden auf das ProdHaftG nicht berufen! b) Der Fehlerbegriff

Das Produkt ist gemäß § 3 ProdHaftG fehlerhaft, wenn es aufgrund eines Konstruktionsfehlers, Fabrikationsfehlers oder Instruktionsfehlers nicht die Sicherheit bietet, die der

Verbraucher legitimerweise erwarten darf (BGH NJW 1995, 2161) . Bezüglich dieser Begriffe darf zwar auf die o.g. Kriterien (Konstruktionsfehler, Fabrikationsfehler, Instruktionsfehler) zurückgegriffen werden, doch muss man dabei im Auge behalten, dass die Produkthaftung im Gegensatz zur Produzentenhaftung eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung ist. Um zu vermeiden, dass der verklagte Hersteller für jeden Produktschaden haftet, also zum

„Versicherer“ für alle Produktschäden (v. Westphalen) wird, muss der Fehlerbegriff des § 3

ProdHaftG zusätzlich anhand folgender Kriterien bestimmt werden:

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§ 31 Die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz Harald Langels: Schuldrecht BT 4 aa) Ausgangspunkt ist der jeweilige Verwendungszweck und die berechtigte Sicherheits-

erwartung des Benutzers, die durch die Werbung, die Gebrauchsanweisung, das Preis-

Leistungsverhältnis oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch beeinflusst wird. Auch könne für die Verkehrserwartung von Bedeutung sein, dass konkurrierende Firmen mit langjähriger Erfahrung eine bestimmte Konstruktion aufgegeben haben. Diese konstruktive

Veränderung könne dafür sprechen, dass die bisherige Konstruktion von einschlägigen

Fachkreisen nicht mehr akzeptiert werde (BGH NJW 1990, 906) .

Auf der anderen Seite kann den Hersteller nicht entlasten, dass die von ihm gewählte

Konstruktionsart noch von anderen Herstellern benutzt wird. Er schuldet nicht die übliche

Sorgfalt bei der Herstellung, sondern die erforderliche.

Die Sicherheitserwartung wird im Hinblick auf den durchschnittlichen Produktadressaten

(Fachmann oder Laie) zu korrigieren sein; jedoch besteht auch bei einem Laien ein Rest an

Eigenverantwortung, auf die der Hersteller vertrauen darf. bb) Weiterhin spielt der Gebrauch des Produkts eine Rolle, mit dem billigerweise gerechnet werden kann. Dabei haftet der Hersteller auch für zwar bestimmungswidrigen, aber für den

Hersteller vorhersehbaren Fehlgebrauch des Produktes im Rahmen einer fehlerhaften

Instruktion des Verbrauchers, wobei die Vorhersehbarkeit auch durch die erkannte Häufigkeit eines Fehlgebrauchs bestimmt wird. Das Produkt ist nicht fehlerhaft i.S.d. § 3

ProdHaftG, wenn der Verbraucher es evident missbraucht. cc) Ein Produkt ist gemäß § 3 II ProdHaftG jedoch nicht allein deshalb fehlerhaft, weil später ein verbessertes Produkt vom selben Hersteller oder einem Mitbewerber in den Verkehr gebracht wurde. Hat der Hersteller nach Inverkehrbringen des Produktes aber die Reaktion der Verbraucher auf seine Produkte nicht im Auge behalten oder auf nachträglich gewonnene Erkenntnisse nicht reagiert, so haftet er bei schuldhafter Verletzung der

Produktbeobachtungspflicht gemäß § 823 I BGB.

3) Die Haftung ist nicht gemäß § 1 II / III ProdHaftG ausgeschlossen.

Der Hersteller haftet nicht gemäß § 1 I 1 ProdHaftG, wenn er (!) gemäß § 1 II, III ProdHaftG einen der folgenden Nachweise führen kann: a) Das Produkt war zur Zeit des Inverkehrbringens nicht fehlerhaft. Dieser Nachweis wird nur bei Fabrikationsfehlern eine Rolle spielen, da Konstruktionsfehler der gesamten Serie anhaften und

Instruktionsfehler sowie Produktbeobachtungsfehler auch nach dem Inverkehrbringen andauern.

Bei der erforderlichen Beweisführung spielen Art des Produkts, die Intensität des Gebrauchs sowie die Zeitspanne zwischen dem Inverkehrbringen und dem Schadenseintritt eine Rolle.

18 b) Der Fehler beruht darauf, dass das Produkt zur Zeit des Inverkehrbringens zwingenden

Rechtsvorschriften entsprach. c) Der Fehler war nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zur Zeit des Inverkehr- bringens nicht erkennbar (= Entwicklungsfehler) . Dieses Entwicklungsrisiko erfasst aber nur die

Gefahren, die von der Konstruktion des Produktes ausgehen und die nach dem neuesten Stand der

Technik nicht zu verhindern waren (Honsell, JuS 1995, 211, 213; v. Westphalen, Handbuch der Produkthaftung, § 60 Rz. 78, 79 m.w.N.) . Die Haftung für einen einzelnen Fabrikationsfehler (= Ausreißer) wird dadurch nicht ausgeschlossen, selbst wenn dieser einzelne Ausreißer technisch nicht erkennbar war (z.B. Haarriss in einer später explodierten Limonadenflasche, BGH NJW 1995, 2161) . Die Haftung des

Flaschenabfüllers aus § 1 I 1 ProdHaftG entfällt also nur dann, wenn er (!) nachweisen kann, dass der Haarriss erst entstanden war, als die Flasche den Abfüllbetrieb bereits verlassen hatte.

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Harald Langels: Schuldrecht BT 4 § 31 Die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz

-Klausurtipp: Der Nachweis, der Fehler sei zur Zeit des Inverkehrbringens nicht zu erkennen gewesen, schließt aber gemäß § 1 II Nr. 5 ProdHaftG nur die Gefährdungshaftung des

ProdHaftG aus! Hat der Hersteller schuldhaft seine Produktbeobachtungspflicht verletzt, die auch nach dem Inverkehrbringen besteht und über die Gewährleistungsfrist hinaus bestehen kann, so haftet er nach § 823 I BGB. d) Die Ersatzpflicht des Herstellers eines Teilprodukts wie auch eines Grundstoffs für das fehlerhafte Gesamtprodukt beginnt bei Fehlerhaftigkeit des Teils mit der Lieferung an den

Hersteller der Gesamtsache. Sie ist über die Entlastung des § 1 II hinaus nach § 1 III ProdHaftG ausgeschlossen, wenn er nachweisen kann, dass der Fehler durch die Konstruktion des

Gesamtprodukts oder durch die Anleitung des Herstellers entstanden ist.

II. Die Anspruchsgegner der Produkthaftung

1) Der Hersteller a) Gemäß § 4 ProdHaftG haftet der Hersteller des Gesamtproduktes, eines Teilprodukts oder eines Grundstoffes. Es haftet also auch der Zulieferer als Hersteller eines Teils, wenn bei dessen Konstruktion oder Fabrikation Fehler gemacht wurden oder er den Hersteller des

Gesamtproduktes nicht über spezifische Probleme bei der Verarbeitung des Teils aufgeklärt hat. b) Darüber hinaus haftet gemäß § 4 I 2 ProdHaftG auch der Quasihersteller, der ein fremdes Produkt mit eigenem Namen oder eigenem Warenzeichen versieht und sich damit als Hersteller ausgibt.

Beispiel: Eine Sportartikelfirma lässt in Taiwan Skier herstellen, die sie unter dem eigenen Firmenlogo vertreibt.

Hier geht die Haftung des Produkthaftungsgesetzes deutlich über die des § 823 I BGB hinaus:

Nach § 823 I BGB haftet der Quasihersteller nur dann, wenn der geschädigte Konsument dem

Namen oder dem Logo des Quasiherstellers so viel Vertrauen entgegengebracht hat, dass er im

Hinblick auf dessen Renommee das Produkt nicht mehr kontrolliert hat (BGH NJW 1994, 517, 519) .

c) Sind für den Schaden mehrere Hersteller verantwortlich, so haften sie nach § 5 ProdHaftG im

Außenverhältnis zum Geschädigten als Gesamtschuldner. Ihr interner Verlustausgleich bestimmt sich nach dem jeweiligen Verursachungsanteil.

2) Der Importeur

Gemäß § 4 II ProdHaftG haftet auch der Importeur, der Produkte im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit in die EG einführt. Dies führt zu einer im Verhältnis zu § 823 I BGB deutlich verschärften Haftung des Importeurs, der für Konstruktions- und Fabrikationsfehler auch dann einstehen muss, wenn er sie - z.B. aufgrund mangelnder technischer Sachkunde - gar nicht erkennen konnte.

3) Der Lieferant

Können weder Hersteller noch Importeur ermittelt werden, so haftet hilfsweise der Lieferant, der sich aber gemäß § 4 III ProdHaftG von seiner Haftung bereits durch die Benennung des Herstellers bzw. Importeurs freizeichnen kann. Die Freizeichnung erfolgt unabhängig davon, ob Ansprüche gegen den benannten Hersteller / Importeur zu realisieren sind.

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§ 31 Die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz Harald Langels: Schuldrecht BT 4

III. Die Beweislastverteilung des ProdHaftG

1) Gemäß § 1 IV ProdHaftG trägt der Geschädigte die Beweislast für den Fehler, den Schaden und die Ursächlichkeit des Fehlers für den Schaden, wobei ihm ggf. die Regeln des Anscheinsbeweises zugute kommen.

2) Der Hersteller muss nach § 1 IV 2 ProdHaftG nachweisen, dass Gründe für einen Haftungs-

ausschluss gemäß § 1 II, III ProdHaftG vorliegen.

IV. Der Haftungsumfang der Produkthaftung

Der Umfang des Schadensersatzanspruchs ergibt sich aus den §§ 7 - 10 I ProdHaftG. Ein

Schadensersatzanspruch steht grundsätzlich nur dem Geschädigten selbst zu. Ausnahmsweise haben Unterhaltsberechtigte gemäß § 7 II ProdHaftG einen eigenen Schadensersatzanspruch in

Form eines Unterhaltsanspruchs, wenn ihr Unterhaltsschuldner getötet wird. Die Vorschrift des § 7

ProdHaftG entspricht somit der des § 844 II BGB bzw. dem § 10 II StVG.

1) Bei Personen- Massenschäden besteht eine Haftungshöchstgrenze gemäß § 10 ProdHaftG in

Höhe von 85 Millionen Euro.

2) Der nicht ersatzfähige Eigenanteil des Geschädigten beträgt bei Sachschäden in Form von

Mangelfolgeschäden 500 Euro gemäß § 11 ProdHaftG. Selbst wenn also Sachschäden ausnahmsweise einmal ersetzt werden, trägt der Geschädigte die ersten 500 Euro seines Schadens selbst.

3) Ein Mitverschulden des Geschädigten i.S.d. § 254 BGB wird bei der Schadensberechnung gemäß

§ 6 ProdHaftG anspruchsmindernd berücksichtigt.

4) Nach der Neuregelung des § 8 ProdHaftG wird jetzt auch ein Schmerzensgeld geschuldet.

V. Die Dauer und die Verjährung der Ansprüche

1) Gemäß § 13 ProdHaftG erlöschen Ansprüche gemäß § 1 ProdHaftG innerhalb von 10 Jahren, nachdem das Produkt in den Verkehr gebracht wurde, es sei denn, es wäre über dieses Produkt bereits ein Rechtsstreit anhängig.

2) Gemäß § 12 ProdHaftG verjährt der Anspruch innerhalb von 3 Jahren ab dem Zeitpunkt, in dem der Ersatzberechtigte den Schaden und den Schädiger kannte oder hätte kennen können.

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Harald Langels: Schuldrecht BT 4 § 31 Die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz

VI. Kann sich der Hersteller von seiner Haftung freizeichnen?

Nein, gemäß § 14 ProdHaftG kann die Haftung weder ausgeschlossen noch beschränkt werden.

Dies gilt sowohl für Haftungsfreizeichnungen durch AGB wie auch für Individualabreden.

VII. Das - Prüfungsschema der Produkthaftung

Für die Herstellerhaftung im Rahmen des Produkthaftungsgesetzes ergibt sich daher folgendes

– Prüfungsschema:

1. Wofür wird gehaftet?

Es handelt sich um ein Produkt i.S.d. § 2 ProdHaftG.

Das Produkt weist einen Fehler i.S.d. § 3 ProdHaftG auf oder Gesundheitsschaden bzw.

(„Verbrauchererwartung“).

Der Schaden ist ein Körperan einer anderen Sache als dem Produkt selbst eingetreten

(Verkehrsanschauung).

2. Wer haftet?

Der Hersteller = Produzent Der Importeur gem. § 4 II gem. § 4 I 1 ProdHaftG / Quasihersteller gem. § 4 I 2

ProdHaftG

ProdHaftG.

Hilfsweise der Lieferant gemäß § 4 III ProdHaftG.

3. Umfang der Haftung: §§ 7 10 ProdHaftG, beachte:

§§ 10, 11 ProdHaftG:

Haftungshöchstgrenze

§ 6 ProdHaftG, § 254

BGB: Mitverschulden wirkt anspruchsmindernd.

Gesundheitsschäden:

kein Schmerzensgeld

- Kein Schadensersatz bzgl. des Sachschadens am Produkt selbst

- Mangelfolgeschäden nur bei privater Nutzung der beschädigten Sache und mit einer Selbstbeteiligung des Geschädigten i.H.v. 500 €

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§ 31 Die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz Harald Langels: Schuldrecht BT 4

VIII. Trainingsfall

M mietet bei der Autovermietung des V einen Pkw für eine Urlaubsreise. Da der Pkw mit schadhaften Reifen des Herstellers H ausgerüstet ist, kommt es zu einem Unfall, bei dem den

Fahrer M kein Verschulden trifft. Sowohl M als auch seine Frau F als Beifahrerin werden verletzt.

Eine im Wagen mitgeführte Videokamera des M im Wert von 1.500 Euro wird zerstört.

1) Ansprüche von M und F gegen H a) § 1 I 1 ProdHaftG: Der Hersteller H haftet verschuldensunabhängig gegenüber M und F auf Ersatz des jeweiligen durch die Körperverletzung verursachten Schadens. Dabei schuldet der Hersteller den verletzten gemäß § 8, 2 ProdHaftG auch die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes.

Für die zerstörte Videokamera haftet H ebenfalls, da es sich um eine i.S.d. § 1 I 2 ProdHaftG andere Sache im Verhältnis zum schadhaften Reifen handelt, die ihrer Art nach gewöhnlich für den Privatgebrauch bestimmt ist und hierzu vom geschädigten M auch verwendet wurde.

Beim Umfang des ersatzfähigen Schadens an der Kamera gilt aber § 11 ProdHaftG: Der

Eigentümer trägt bei Sachschäden in Form einer Selbstbeteiligung den Schaden i.H.v. 500 Euro selbst; H haftet verschuldensunabhängig nur für den Differenzbetrag i.H.v. 1.000 Euro. b) § 823 I BGB: Sowohl für den Personenschaden als auch für den Sachschaden haftet H in voller

Höhe ohne Selbstbeteiligung des Geschädigten, wenn ihn bezgl. des schadhaften Reifens ein

Verschulden trifft, es sich z.B. um einen Konstruktions- oder Fabrikationsfehler handelte.

2) Ansprüche von M und F gegen V a) § 536 a I, 1.Alt.: V haftet als Vermieter in Form einer Garantiehaftung verschuldensunabhängig für die Körper- und Eigentumsverletzung seines Vertragspartners M in voller Höhe, da der von ihm vermietete Pkw mit einem anfänglichen Mangel behaftet war. Dabei umfasst der Anspruch des M gemäß § 253 II auch die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes.

Für den Schaden der F könnte V in gleicher Weise einzustehen haben, wenn der zwischen M und V geschlossene Mietvertrag in analoger Anwendung des § 328 eine Schutzwirkung für

Dritte entfaltet. Da die Beifahrerin F mit dem Mietwagen in gleicher Weise in Berührung kam, der Mieter M als Ehemann nach § 1353 für ihr Wohl und Wehe verantwortlich war und V die

Einbeziehung der F in den Schutzbereich des Mietvertrages erkennen konnte, haftet er auch für ihren Personenschaden gemäß § 536 a I, 1. Alt. in Verbindung mit den Regeln über den Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte. b) § 823 I: Ein Anspruch aus § 823 I steht beiden Geschädigten für den Fall zu, dass V die

Schadhaftigkeit des Reifens hätte erkennen können.

3) Ansprüche des V gegen H für die Beschädigung seines Wagens a) § 1 I 2 ProdHaftG: H haftet gegenüber V nicht nach den Regeln der verschuldensunabhängigen Produkthaftung: Zwar handelt es sich bei der Beschädigung des Wagens um einen

Sachschaden in Form eines Mangelfolgeschadens i.S.d. § 1 I 2 ProdHaftG, doch hat V die beschädigte Sache gewerblich genutzt.

22 b) § 823 I: Sollte den H bezgl. der Schadhaftigkeit des Reifens ein Verschulden treffen, wäre er gegenüber V für die in der Beschädigung des Pkw liegende Eigentumsverletzung ersatzpflichtig.

Harald Langels: Schuldrecht BT 4

Harald Langels: Schuldrecht BT 4 § 31 Die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz

IX. Zusammenfassung zur Produkt- und Produzentenhaftung

Das ProdHaftG kommt dem Verbraucher zwar insofern entgegen, als es sich um eine

verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung handelt. Was jedoch den Umfang der ersatzfähigen Schäden angeht, müssen die Lücken, die das ProdHaftG nach wie vor hinterlässt, weiterhin durch die konkurrierende (§ 15 II ProdHaftG) verschuldensabhängige Haftung der

§§ 823 ff. BGB geschlossen werden. Lassen Sie uns das Ineinandergreifen von Produkt- und

Produzentenhaftung noch einmal anhand der folgenden Übersicht analysieren:

Der grundlegende Unterschied zwischen der Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz und der Produzentenhaftung des § 823 I besteht in folgenden Punkten:

Das ProdHaftG statuiert eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung. Die Produzentenhaftung des § 823 I setzt ein Verschulden des Herstellers voraus.

Die Produkthaftung ersetzt keine Mangelschäden am Produkt selbst. Die Produzentenhaftung des

§ 823 I umfasst auch Mangelschäden, wenn keine Stoffgleichheit von anfänglichem Mangelunwert und späterem Schaden besteht. Hier muss jedoch die weitere Rspr. des BGH zu dieser Frage abgewartet werden.

Mangelfolgeschäden werden im Hinblick auf Sachschäden durch das ProdHaftG nur ersetzt, wenn die beschädigte Sache bestimmungsgemäß überwiegend zu privaten Zwecken verwendet wird und auch im konkreten Fall verwendet wurde. Selbst dann trägt der Geschädigte gemäß

§ 11 ProdHaftG in Höhe von 500 Euro den entstandenen Schaden selbst.

Für Ausreißer, d.h. einmalige Fabrikationsfehler, die trotz Beobachtung der erforderlichen Sorgfalt entstanden sind, haftet der Hersteller mangels Verschulden nur nach dem ProdHaftG.

Personen- Massenschäden, die durch ein Produkt oder durch Produkte mit identischem Fehler verursacht wurden, werden verschuldensunabhängig nur bis zur Haftungshöchstgrenze des

§ 10 ProdHaftG i.H.v. 85 Millionen Euro ersetzt.

Zur Klausurdarstellung des Produkthaftungsgesetzes sowie zum Verhältnis zu den §§ 823 ff. sowie zum

Kaufrecht lesen Sie bitte die Klausuren: „Die fehlerhafte Bedienungsanleitung“ sowie „Have a brake.“

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