Tageseinrichtungen für Kinder Alles Bildung oder was?

Tageseinrichtungen für Kinder – Alles Bildung oder was? Tageseinrichtungen für Kinder Alles Bildung oder was? Bildung in Tageseinrichtungen für Kinder und Debatten über Qualität und deren Entwicklung haben eine lange Tradition. Dazu hat im August 2003 das Ministerium für Schule, Jugend und Kinder NRW mit den Spitzenverbänden der Freien und Öffentlichen Wohlfahrtspflege die „Bildungsvereinbarung NRW“ abgeschlossen. Der Bildungsvereinbarung liegt ein positives Verständnis von frühkindlichen Selbstbildungsprozessen zu Grunde und betont den eigenständigen Bildungsauftrag von Tageseinrichtungen für Kinder. Dieser Bildungsauftrag darf jedoch nicht einfach vom System Schule abgeleitet werden, sondern hat eigenständige Zielsetzungen, die die frühkindlichen Bildungsprozesse von der Geburt an unterstützen. Mit dem Projekt „Professionalisierung frühkindlicher Bildung“, das bis Ende 2005 abgeschlossen sein soll, will das Land NRW die Konkretisierung der Aussagen in der Bildungsvereinbarung unterstützen, z. B. durch Arbeitshilfen für praktische Bildungsarbeit, Hilfen zur Erstellung von „Bildungsdokumentationen“ und die Entwicklung von Beobachtungsleitfäden. Mit den folgenden Artikeln soll eine Zwischenbilanz gezogen werden, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat. Sie informieren jedoch über Ergebnisse aus der Wissenschaft und aus der Praxis und wollen Sie als Leserinnen und Leser zur „Einmischung“ anregen. Ria Clever, Landesjugendamt Rheinland Beobachten und Dokumentieren als Aufgabe der Bildungsvereinbarung von Ria Clever Beobachten und Dokumentieren sind professionelle Instrumente, um Lernund Forschungsprozesse des Kindes herauszufordern und mitzugestalten. „Dokumentationen sind ein externes Gedächtnis für Kinder. Dokumentationen sind das professionelle Werkzeug von sozialpädagogischen Fachkräften, um ihre Arbeit zu überdenken und daraus neue Vorschläge zu entwickeln – allein oder im Team. Dokumentationen sind das Schaufenster, in dem die Arbeitsergebnisse von Kindern anderen Kindern und den Erwachsenen/Eltern gezeigt werden. Dokumentationen sind die Basis der Informationen, die für den Übergang in die Schule benötigt werden. Als solche enthalten sie – mit Zustimmung der Eltern – einen für die Schule bedeutsamen Auszug aus dem Bildungsweg des Kindes in der Tageseinrichtung für Kinder.“ Prof. Dr. Gerd. E. Schäfer (Uni Köln) hat zum Thema „Beobachten und Dokumentieren als Aufgabe der Bildungsvereinbarung“ ein bemerkenswertes und lesenswertes zehnseitiges Arbeitspapier erstellt. Er weist darauf hin, dass es sich um ein Papier handelt, das in allen Punkten noch erprobt und präzisiert werden muss, da die Überlegungen zur Beobachtung und Dokumentation zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu 4 dem die Ergebnisse des Landesprojekts „Professionalisierung frühkindlicher Bildung“ noch nicht abschließend vorliegen. Er stellt unter anderem dar: 1. Die Qualität von Beobachtungsverfahren wird sich daran messen lassen müssen, ob sie geeignet sind, die Komplexität von Bildungsprozessen – bzw. wie sich die Bildungsvereinbarung ausdrückt: „die individuelle Vielfalt der … [der] Handlungen, Vorstellungen, Ideen und Problemlösungen“ – von Kindern festzuhalten. Die Versuchung ist groß, auf Beobachtungsbögen oder Einschätzskalen zurückzugreifen, die sich nur auf Ausschnitte kindlicher Entwicklungslinien konzentrieren, die jedoch die eigentliche Bildungsleistung nicht beobachten können. 2. Beobachten bzw. Erkennen beginnt mit der Frage: Was nehme ich wahr? Um zu erfassen, was Kinder brauchen, um ihre Selbstbildungspotentiale zu stützen, müssen Pädagogen/innen die Kinder kennen (lernen). Dies geschieht im Alltag und in dem die pädagogischen Fachkräfte aufmerksam wahrneh- men und sich auf das einlassen, was Kindern tun und möglicherweise denken. Es wird unterschieden zwischen zwei Formen von Beobachtung: der gerichteten und ungerichteten Aufmerksamkeit. Die gerichtete Beobachtung zielt auf Verhaltensweisen und –bereiche, die bereits bekannt sind: Also auf etwas, was man von Kindern weiß oder zu wissen glaubt. Zum Erfassen kindlicher Bildungsprozesse hingegen wird ein ungerichtetes Beobachten benötigt. Hier gilt die Aufmerksamkeit des Beobachters dem, was Kinder indirekt oder direkt über sich, ihre Erlebnisse und Gedanken mitteilen. „Ungerichtetes Beobachten: beobachten, damit man mehr sieht – damit man sieht, was man noch nicht kennt“. 3. Aufmerksame ungerichtete Beobachtung umfasst alle Sinnesbereiche. Die Informationen der Wahrnehmung sind dann am vollständigsten, wenn klar ist, welche Informationen die pädagogischen Fachkräfte – über das Gesamtgeschehen – ausgewählt haben. Wenn dabei auch die emotionale Wahrnehmung berücksichtigt wurde, bedeutet dies zwar zunächst nur, sich darüber im Kla3/04 Tageseinrichtungen für Kinder – Alles Bildung oder was? ren zu sein, welche Gefühle „im Spiel“ waren. Gefühle enthalten wichtige Informationen, die das Geschehen prägen. Orientierungsfragen könnten nach Herrn Prof. Schäfer lauten: - Was sehe ich? – Was höre ich? – Was empfinde ich über meine Körperwahrnehmung? Was fühle ich (Emotionen)? Die ungerichtete Beobachtung in Alltagssituationen richtet ihre Aufmerksamkeit auf einzelne Kinder, Kindergruppen, die (eigene) Beteiligung der Erzieher/in oder anderer Erwachsenen und der Rahmenbedingungen, in die das beobachtete Geschehen eingebettet ist. 4. „Wahrnehmendes, entdeckendes Beobachten bedeutet, in das Geschehen mit einzutauchen und empathisch mit dabei zu sein“. Diese Art der Beobachtung von Kindern sensibilisiert die pädagogischen Kräfte für die Prozesse der eigenen Wahrnehmung und ihrer emotionalen Einordnung. Auch die / der erwachsene Begleiter/in von Kindern nimmt – nur – wahr, was sie / er als bedeutungsvoll erlebt. Somit sind es die Gefühle, die eigene Lebensbiografie, Einstellungen und Lebenserfahrungen, die die Aufmerksamkeit und die Schwerpunktsetzung der Beobachterin / des Beobachters lenken. Wahrnehmendes, entdeckendes Beobachten nimmt also nicht isoliert Dinge oder Ereignisse wahr, sondern Zusammenhänge und Beziehungen: – Beziehungen der Kinder untereinander – Beziehungen der Kinder zu ihren Tätigkeiten und den damit verbundenen Materialen bzw. Gegenständen – Beziehungen von Kindern zu Erwachsenen und von Erwachsenen zu Kindern – Beziehungen der Beobachterin / des Beobachters zu Kindern, Gegenständen, Prozessen, die beobachtet werden, wie auch zu anderen Erwachsenen, die sich am Geschehen beteiligen. Klar muss sein, dass auch Beobachten eine Form von Beziehung ist, die zu den Kindern aufgenommen wird. Deshalb kann man Beobach3/04 ten nicht als Technik ausüben und Fragen und Probleme nur als „methodisch-technische Problematik“ ansehen. Wenn aber der Grundsatz „Kindliches Tun ist sinnvoll“ die wahrnehmende und entdeckende Wahrnehmung leitet, ist die Grundlage geschaffen für eine wertschätzende Haltung gegenüber den Kindern, die wahrnehmende Beobachtung stützt. 5. Um von wahrnehmenden zum entdeckenden Beobachten zu gelangen, muss der Beobachter / die Beobachterin den Wahrnehmungen Aufmerksamkeit schenken. Aufmerksam werden heißt hier jedoch nicht beurteilen. Eine Bewertung gelingt oftmals erst, wenn die eigene Wahrnehmung anderen mitgeteilt und reflektiert wird. Für sich allein, mit der Leitung, dem Team oder mit einer von außen kommenden fachlichen Beratung reflektieren, führt dazu, dass aus Wahrnehmungen Entdeckungen werden können. 6. Anregungen zum wahrnehmenden und entdeckenden Beobachten: – Welche Sinneserfahrungen werden angesprochen? – Was nehmen die Kinder mit ihrem Körper wahr? Was sehen sie? Was hören sie? Welche Gefühle drücken sie aus? – Welche Wege innerer Verarbeitung können wahrgenommen werden? – Welche Vorstellungen, Interessen oder Themen beschäftigen die Kinder? Welche Vorstellungen, Bilder entwickeln die Kinder zu ihren Themen? Wie stark lassen sie sich auf ihre Tätigkeit ein und bleiben bei der Sache? Welche Handlungsformen und welches Können setzen die Kinder ein? Werden neue Ideen entwickelt, besprochen, ausprobiert? Welche Theorien äußern die Kinder? Welche Phantasien werden weitergesponnen? Wie gehen sie mit Unsicherheiten und Schwierigkeiten um? Welchen Sinn geben die Kindern ihrem Tun? Was wird gesprochen / in Worte gefasst? Gibt es Ansätze für ein Denken in Quantitäten oder mathematischen Vorformen? – Welche Formen sozialer Beziehen können wahrgenommen werden? – Wie verständigen sich die Kinder untereinander, mit oder ohne Worte? Wie verständigen sich die Kinder mit Erwachsenen? Worüber wird gesprochen? Werden Wahrnehmungen, Empfindungen, Gefühle ausgesprochen? Gehen die Kinder einfühlsam miteinander um? Tauschen Kinder ihre Ideen aus? – Lernen in komplexen Situationen und Sinnzusammenhängen – Ergibt sich die Lern- oder Bildungssituation aus dem Alltagszusam- Bildung als Teil kindlicher Lebenswelt 5 Tageseinrichtungen für Kinder – Alles Bildung oder was? menhang? Ist der beobachtete Prozess aus einer für das Kind nachvollziehbaren und sinnvollen Situation hervorgegangen? Ist ein Zusammenhang mit vorangegangenen Erfahrungssituationen erkennbar? Gibt es in der beobachten Situation mehrere Handlungsmöglichkeiten und Handlungsalternativen, die auch von den Erwachsenen akzeptiert werden können? – Forschendes Lernen – Welchen Herausforderungen stellt/stellen sich das/die Kind/er? Probieren die Kinder etwas aus, was sie noch nicht kennen/können? Was fragen die Kinder? Welche Überlegungen (Theorien) stecken hinter den Fragen? Diese Fragen und Stichworte werden von Herrn Prof. Schäfer als vorläufig und keineswegs erschöpfend bezeichnet. Sie können als Anhaltspunkte gesehen werden für Fragen, auf die sich ein offenes Beobachten richten kann. Er weist darauf hin, dass sich Bildungsprozesse nicht im luftleeren Raum abspielen; sie sind auf Anregungen von außen (von den Erziehern / Erzieherinnen) angewiesen. Es hat keinen Sinn, selbstständigen Bildungsprozessen von Kindern nachzugehen, wenn das Umfeld – die Tageseinrichtung für Kinder – keine Anregungen und Herausforderungen enthält, wenn kindlicher Wissbegier und Können keine adä- quate Nahrung geboten wird. Deshalb muss jede Beobachtung und Reflexion die situativen Umstände, die personellen, räumlichen Voraussetzungen und die vorhandenen Materialien mit berücksichtigen. Das kann oder muss bedeuten, dass sich aus dieser Form der Beobachtung auch die Anforderungen an die pädagogische Arbeit, die Ausstattung und die konzeptionelle Ausrichtung der Tageseinrichtung für Kinder weiter entwickelt. 7. Dokumentation / Bildungsberichte Die Ergebnisse der wahrnehmenden und entdeckenden Beobachtung sollen – so sieht es die Bildungsvereinbarung vor – als Bildungsbericht für die einzelnen Kinder dokumentiert werden. Hier wird dokumentiert, berichtet und beschrieben, was für die Zeit des Besuchs der Tageseinrichtung für den Bildungsweg des einzelnen Kindes bemerkenswert ist und welche Anregungen für weitere Bildungsprozesse gegeben werden. Dokumentiert werden soll nicht, um Ergebnisse zur Schau zu stellen, sondern um Bildungsprozesse, Bildungswege und ggf. -umwege festzuhalten. Dazu können bereits bewährte Dokumentationsverfahren aufgegriffen werden, wenn man sie nach den „neuen Zielen“ anwendet. Zum Beispiel: - aufschreiben und über das erzählen, was man wahrgenommen und erlebt hat; - Fotos und / oder Videos, die nach Mög- Projekt „Professionalisierung frühkindlicher Bildung“ Ein Kooperationsprojekt der Universität Köln, des Sozialpädagogischen Instituts NRW (SPI) und des Instituts für frühkindliche Bildung e.V. (IffB) Köln in Zusammenarbeit mit zehn Tageseinrichtungen für Kinder in Nordrhein-Westfalen sowie Fachberaterinnen und Fachberatern im Auftrag des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder des Landes Nordrhein-Westfalen In dem Projekt, das bis Ende 2005 laufen wird, wird das Konzept der Bildungsvereinbarung weiter konkretisiert und Arbeitshilfen mit Beispielen für praktische Bildungsarbeit zusammen gestellt. Ein Schwerpunkt wird die Entwicklung von Beobachtungsleitfäden sein, hinzu kommen Arbeitshilfen zur Erstellung von „Bildungsdokumentationen“, in denen der Entwicklungs- und Bildungsprozess jedes Kindes dokumentiert werden. Die 6 lichkeit so kommentiert werden, dass an der Situation Unbeteiligte begreifen können, was sich da abgespielt hat; – Sammlungen, in denen die Ergebnisse vieler Kinder zu einem Thema zusammengestellt werden und der jeweils individuelle Beitrag sich dadurch nachvollziehen lässt: – szenische Aufführungen, Theaterstücke zu einem Thema, die auch im Bild festgehalten werden. Beobachtung und Dokumentation – wie sie Prof. Gerd E. Schäfer versteht – dient als Werkzeug einer systematischen Erforschung der individuellen und sozialen Ressourcen bzw. Potenzialen, die den Kindern für Aufgabenstellungen zur Verfügung stehen. Aber sie dienen auch der Evaluation der Arbeit in Tageseinrichtungen. Prof. Schäfer lädt die Praxis dazu ein, Überlegungen und Erfahrungen zurückzumelden, die sich aus seinem Arbeitspapier ergeben. Kontakt: gerd-e. [email protected] Ria Clever, Landesjugendamt Rheinland, [email protected] lvr.de Arbeitshilfen und Begleitmaterialien (insbesondere Fotound Videomaterial) sollen später in der Fort- und Weiterbildung, aber auch in der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern eingesetzt werden. Außerdem werden die notwendigen Rahmenbedingungen (z. B. Gruppengrößen, Personalschlüssel) für eine qualifizierte Bildungsarbeit in Tageseinrichtungen für Kinder untersucht. Kontakt: Prof. Dr. Gerd. E. Schäfer, Universität Köln – Erziehungswissenschaftliche Fakultät, Gronewaldstraße 2, 50931 Köln, Telefon 0221 / 470-4735; E-Mail: [email protected] Dr. Rainer Strätz, Sozialpädagogisches Institut NRW. An den Dominikanern 2, 50668 Köln, Telefon 0221 / 1605220; E-Mail: [email protected] Informationen: über http://www.spi.nrw.de 3/04 Tageseinrichtungen für Kinder – Alles Bildung oder was? Professionalisierung frühkindlicher Bildung Zwischenbilanz der DRK Kindertagesstätte Bergisch-Gladbach von Sabine Schöngen Ende September 2003 startete das Modellprojekt „Professionalisierung frühkindlicher Bildung“ seitens des Sozialpädagogischen Instituts (SPI) und der Universität zu Köln mit uns als einer von 10 Modelleinrichtungen in Nordrhein-Westfalen. Wir sind eine junge, dreigruppige, integrative Kindertagesstätte, die im Januar 2002 eröffnet wurde. Seit Beginn arbeiten wir nach einem situationsorientierten offenen Konzept. Wir haben Tagesplätze für 50 Kinder mit und ohne Behinderung im Alter von 4 Monaten bis 14 Jahren. Alle am Modellprojekt beteiligten Einrichtungen haben unterschiedliche Rahmenbedingungen und arbeiten nach verschiedenen Konzepten und pädagogischen Ansätzen. Jede Einrichtung hat für die Projektlaufzeit eine Ansprechpartnerin zugeteilt bekommen, die die Einrichtung in regelmäßigen Abständen aufsucht. Bestandteile der Besuche sind Hospitationen und/oder gemeinsame Teamsitzungen und Konzepttage. Gemeinsam mit den jeweiligen Teams werden derzeit Konzepte und Materialien zur Beobachtung von Bildungsprozessen erprobt und reflektiert. Neben der Praxisbegleitung vor Ort finden Arbeitstagungen im SPI (ca. ¼ jährlich) statt, an denen die Leitungen und eine Fachkraft verbindlich bis Projektende (voraussichtlich Dezember 2005) teilnehmen. Die Arbeitstagungen dienen der theoretischen Manifestierung der Bildungsvereinbarung, sowie dem Austausch der Einrichtungen untereinander und der Reflexion und Planung für alle weiteren Projektabschnitte. Irritierend war es für uns schon, dass das Projekt nahezu zeitgleich mit der Bildungsvereinbarung an den Start ging, stellte sich uns doch die Frage: Wie und in welchem Tempo setzen wir die an uns geforderten Erwartungen um? Zum einem sind definierte Hauptziele des Forschungsprojekts – Unter wissenschaftlicher Begleitung Konzepte zu entwickeln, welche Selbstbildungspotentiale der Kinder aufgreifen und weiter entwickeln. 3/04 – Erzieherinnen in Fortbildungsangeboten und durch Arbeitshilfen auf die Aufgaben der Bildungsvereinbarung ausreichend vorzubereiten. Auf der anderen Seite wurde die schon verabschiedete Bildungsvereinbarung an alle Kindertageseinrichtungen zum Kindergartenjahreswechsel 2003/2004 versandt und lässt in der Formulierung keine Zweifel darüber aufkommen, dass der Gesetzgeber neue Standards definiert und die sofortige Umsetzung in allen Einrichtungen NRW´s erwartet. Schlagzeilen in der Fachliteratur und der lokalen Presse (Zitat:“ Vertrag über Ziele der Kindergärten. Eine Bildungsvereinbarung legt in NRW fest, was die Kleinen Können sollten, wenn sie in die Grundschule kommen“, Kölner Stadt Anzeiger 19.08.03) haben den Erwartungsdruck, dem sich unser Team ausgeliefert fühlte, nicht gerade verringert. Obwohl wir unseres Erachtens auf konzeptioneller Ebene gut auf das Thema Bildungsprozesse und Dokumentation vorbereitet waren (als erst 2,5 Jahre junge Einrichtung gehört es bei uns von Anfang an zum Standard, regelmäßige Entwicklungsdokumentationen anzufertigen und der Träger (Deutsches Rotes Kreuz) hat schon im Vorfeld der Bildungsvereinbarung eine Handreichung zur Erstellung des Konzeptionsteils Bildung zur Verfügung gestellt), tat es gut, sowohl von Trägerseite als auch von den Entwick- Neugier: Die Basis von Aneignen und Begreifen Anzeige Active Travel Deutschland e. 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Noch einmal zurück zu den Befürchtungen des Teams: – „Was sind das für Wissenschaftler/ Theoretiker, die uns begleiten/unter die Lupe nehmen?“ – „Sind deren Bewertungen unserer Arbeit wirklich wohlwollend?“ – „Ist der Alltag der Kinder durch mangelnde Präsenz des Personals gefährdet, oder sollen die zusätzlich anfallenden Aufgaben etwa durch Mehrarbeit geleistet werden?“ – „Können wir weiterhin noch unseren anderen Kernaufträgen, nämlich Betreuung und Erziehung qualifiziert nachkommen? Auch motorisches Lernen ist ein Bildungsprozess 8 Wir haben in der Auseinandersetzung mit anderen Einrichtungen über die oben genannten Befürchtungen erfahren, dass wir damit nicht alleine stehen. Diese Erkenntnis und der Austausch mit den anderen Einrichtungen und nicht zuletzt mit „unserer“ wissenschaftlichen Begleiterin hat wesentlich dazu beigetragen, Schritt für Schritt in den Prozess der Umsetzung der Bildungsvereinbarung einzusteigen und nicht schon in diesem Sommer Pseudobildungsdokumentationen an die Eltern der Vorschulkinder abzuliefern. Ein großes Lob gilt an dieser Stelle den Initiatoren des Forschungsprojekts, die als vorerst Außenstehende sensibel und wertschätzend die Ängste und Befürchtungen von uns Expertinnen der Praxis ernst genommen haben und diese von Anfang an in die Projektplanung eingebunden haben. Denn in der Tat ist ein Hauptproblem bei Veränderungen und Umstellungen von Standards in jedem komplexen System Kindertageseinrichtung der Zeitfaktor, da das Tagesgeschäft kontinuierlich weiter bedient werden muss. Wo stehen wir heute? Bevor wir in die Überprüfung der Bildungsbereiche eingestiegen sind, haben wir uns intensiv während unserer Konzeptionstage mit den Selbstbildungspotentialen befasst und haben somit das statische Raster der „Bildungsaufgaben“ Dr. Gerd E. Schäfers als lebensnahes Hilfsmittel entdeckt. Selbstbildungspotentiale sind das, was jedes Kind von Geburt an besitzt. – Die Erkenntnis, dass sich jedes Kind kontinuierlich in Selbstbildungsprozessen befindet, ist für uns als Pädagoginnen eine große Entlastung. Es geht hierbei weniger darum, diese Prozesse zu initiieren, als diese zuzulassen, zu beob- – – – – achten und in ihrer Bedeutung zu erkennen. Im Bereich der inneren Verarbeitung entdeckten wir: Auch das findet bei jedem Kind „automatisch“ statt, indem jede sinnliche Wahrnehmung und Erfahrung vom Kind eigenständig sortiert wird, um sich die Welt Stück für Stück anzueignen und zu begreifen. Soziale Beziehungen finden immer dort statt, wo mehrere Menschen aufeinandertreffen, selbst eine Absonderung von anderen ( Einsamkeit) geschieht in einem sozialen Bezug (andererseits gäbe es keinen Anlass zur Abgrenzung). Aus der Komplexität der o. g. Selbstbildungspotentiale filtert jedes Kind/ jeder Mensch aus seinen Erfahrungen und Erlebnissen die wichtigsten Dinge heraus und beschäftigt sich weitergehend mit ihnen. Alle Selbstbildungspotentiale arbeiten parallel miteinander, damit Dinge verstanden werden als Basis für weitere die Entwicklung. Forschendes Lernen ist nichts anderes als die Tatsache der kindlichen Neugier, die Lust und Freude daran meine Welt zu entdecken, mich in ihr zu bewegen und diese zu begreifen. Wir haben uns Zeit gelassen, zu untersuchen und zu überprüfen, inwieweit die Kinder in unserer Tagesstättenrealität tatsächlich ihre Selbstbildungspotentiale anwenden und ausleben. Die Methode der „offenen wahrnehmenden Beobachtung“ hat sich hier als geeignet herausgestellt. Die Beobachtungen (schriftlich oder per Fotos, Videos dokumentiert) sind losgelöst von vorher festgelegten Beobachtungskriterien oder -aspekten. Erst in der Auswertung der Beschreibung des kindlichen Tuns überprüfen wir, welche Selbstbildungspotentiale beteiligt sind. Die Beobachtungszeiträume dauern manchmal nur wenige Minuten, je nach Spielsituation und Anzahl der beteiligten Kinder. Selten dauert eine einzelne Beobachtung länger als 20 Minuten am Stück. Aufgrund der Tatsache, dass während der Beobachtung keine vorher festgelegten Maßstäbe angesetzt werden (Loslösung von der Fragestellung: Beherrscht das Kind diese oder jene 3/04 Tageseinrichtungen für Kinder – Alles Bildung oder was? Fertigkeit?), sind die Ergebnisse immer unerwartet und enorm vielschichtig. Wir beobachten komplexe Zusammenhänge und gleichermaßen differenzierte Bildungssituationen; wir bemerken Themen, mit denen sich die Kinder beschäftigen und Reaktionen auf verwendete Materialien. Wir entdecken in jeglicher Handlung Kompetenzen und finden einen anderen Zugang zu den besonderen Interessen und Schwerpunkten der einzelnen Kinder. Der Effekt für uns ist überraschend: Wir werden zunehmend sensibler für die Zusammenhänge der Kinder. Unsere Wertschätzung auch oder gerade für die Person und die Prozesse insbesondere von „schwierigen“ Kindern, erfährt durch die Beobachtung eine Steigerung. Durch den Austausch über die Beobachtungen mit den Kolleginnen können wir unser pädagogisches Handeln besser differenzieren und aktualisieren. Der Austausch über Beobachtungen und Wahrnehmungen mit den Kolleginnen professionalisiert wiederum die Ausgangsvoraussetzungen für weitere Beobachtungen. Für unseren Alltag heißt das momentan nicht, dass wir altbewährtes (pädagogisches Handeln, Strukturen) völlig ablegen oder ablegen müssten. Jedoch fordert die Form der offenen Beobachtung von uns eine Selbstöffnung, um sich auf das neue Vorgehen und die Erkenntnisse die daraus resultieren einlassen zu können. Seit gut einem halben Jahr üben und aktualisieren wir die Form der offenen wahrnehmenden Beobachtung, mal mehr mal weniger häufig, mal im mehr mal im weniger intensiven Austausch mit den Kolleginnen. Die anfangs erwähnte Sorge aufgrund begrenzter Zeitkapazitäten holt uns immer wieder ein. Andererseits haben wir eine Ahnung davon, dass langfristig diese Form der Beobachtung zu einem Zeitgewinn führen kann und sich Abläufe innerhalb unserer Strukturen vereinfachen können, weil wir besser erkennen können, an welchen Stellen pädagogische Interventionen sinnvoll oder störend sind. Als praktische, sichtbare erste Konsequenzen haben wir aktuell innerhalb unseres Tagesablaufs einige festgelegte Termine in flexiblere Angebote umgewandelt. Die flexiblere Handhabung von Strukturen (z. B. beim nachmittäglichen Snack), unterstützt unser Anliegen, Kinder in ihren Bildungsprozessen weniger zu beschneiden oder zu unterbrechen. Weiterhin achten wir bei unserer derzeitigen Umgestaltung der Räumlichkeiten noch konzentrierter darauf, diese so einzurichten, dass alle Sinne angeregt werden und vor allem ein eigentätiges Nutzen der Räume für alle (und nicht nur für die besonders „ver- antwortungsbewussten“) Kinder möglich ist. Gemeinsam mit dem SPI und der Uni Köln haben wir uns auf einen aufschlussreichen Weg in Richtung Steigerung von Wertschätzung und Verständnis von Lernzusammenhängen von Individuen begeben. Die Auseinandersetzung mit einem anderen Selbstverständnis der Erzieherinnenrolle setzt auch über uns selbst aufschlussreiche Prozesse in Gang. Nicht immer finden wir im Alltag die zeitlichen Ressourcen, uns zurückzunehmen und auf die Rolle einer passiven Beobachterin einzulassen. Alles in allem sind wir jedoch zuversichtlich, dass die Bildungsvereinbarung und daraus resultierenden Maßnahmen sowohl eine Herausforderung im Alltagsleben für Erzieherinnen ist und langfristig dazu beitragen kann, das öffentliche Image des Berufsbilds zu verbessern. Sabine Schöngen, Leiterin der integrativen DRK Kindertagesstätte, Franz-HeiderStrasse 58, 51469 BergischGladbach Über die (neurobiologische) Beschaffenheit des Bodens, auf dem Bildung gedeihen kann … Wissenswerte Thesen von Prof. Dr. Gerald Hüther, Psychiatrische Klinik der Universität Göttingen: 1. Kinderhirne (die im kindlichen Gehirn angelegten neuronalen und synaptischen Verschaltungsmuster) sind weitaus formbarer (und verformbarer) als bisher angenommen. 2. Die am stärksten durch die jeweiligen Nutzungsbedingungen strukturierte Hirnregion ist der frontale Kortex. Die in dieser Region während der Kindheit herausgebildeten Verschaltungen sind für die Steuerung der wichtigsten späte- 3/04 ren Leistungen des menschlichen Gehirns zuständig (Selbstwirksamkeitskonzept und Motivation, Impulskontrolle und Handlungsplanung, soziale und emotionale Kompetenz). 3. Um die hierfür erforderlichen, hochkomplexen Verschaltungen ausbilden zu können, müssen Kinder möglichst viele und möglichst unterschiedliche eigene Erfahrungen machen. Dazu brauchen sie vielfältige stimulierende (ihre emotionalen Zentren aktivierende) Angebote und Herausforderungen und – um diese annehmen und erfolgreich bewältigen zu können – Sicherheit- und Orientierung bietende Bindungsbeziehungen. 4. Nur unter dem einfühlsamen Schutz und der kompetenten Anleitung durch erwachsene „Vorbilder“ können Kinder vielfältige Gestaltungsangebote auch kreativ nutzen und dabei ihre eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten erkennen und weiterentwickeln. Nur so kann im Frontalhirn ein eigenes, inneres Bild von Selbstwirksamkeit stabilisiert und für die Selbstmoti- 9 Tageseinrichtungen für Kinder – Alles Bildung oder was? vation in allen nachfolgenden Lernprozessen genutzt werden. 5. Bildung kann nicht gelingen, wenn diese zur Annahme von Bildungsangeboten erforderlichen Voraussetzungen nicht bereits lange vor Beginn der Schulzeit geschaffen wurden, weil – Kindern keine Möglichkeiten geboten werden, in verlässlichen, Sicherheit bietenden Beziehungen aufzuwachsen (z. B. bei Missbrauch) – Kinder in einer Welt aufwachsen, in der die Aneignung von Wissen und Bildung keinen Wert besitzt (Spaßgesellschaft) – Kinder keine Gelegenheit bekommen, sich aktiv an der Gestaltung der Welt zu beteiligen (z. B. passiver Medienkonsum) – Kinder keine Freiräume mehr finden, um ihre eigene Kreativität spielerisch zu entdecken (Funktionalisierung) – Kinder mit Reizen überflutet, verunsichert und verängstigt werden (Überforderung) – Kinder daran gehindert werden, eigene Erfahrungen bei der Bewältigung von Schwierigkeiten und Problemen zu machen (Verwöhnung) – Kinder keine Anregungen erfahren und mit ihren spezifischen Bedürfnissen und Wünschen nicht wahrgenommen werden (Vernachlässigung). Sachbücher zum Weiterlesen: – G. Hüther, H. Bonney: Neues vom Zappelphilipp. Walter Verlag Düsseldorf, 2002 – K. Gebauer, G. Hüther: Kinder brauchen Wurzeln. Walter Verlag Düsseldorf, 2001 – K. Gebauer, G. Hüther: Kinder suchen Orientierung. Walter Verlag Düsseldorf, 2002 – G. Hüther: Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn. Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen, 2001 – Hüther: Biologie der Angst, Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen, 1997. Prof. Dr. G. Hüther ist Neurobiologe und leitet die Abteilung für Neurobiologische Grundlagenforschung an der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen. Schwerpunkte seiner derzeitigen Tätigkeit: Einfluss psychosozialer Faktoren und psychopharmakologischer Behandlungen auf die Hirnentwicklung, Auswirkungen von Angst und Stress und Bedeutung emotionaler Bindungen. Er ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen und popularwissenschaftlicher Darstellungen (Sachbuchautor), Mitbegründer von Winfuture.de (Netzwerk Erziehung und Sozialisation) und Mitorganisator der „Göttinger Kinderkongresse“. Bildungsarbeit in Tageseinrichtungen für Kinder in Remscheid Gemeinsame Fachtagung der Stadt Remscheid und des Landesjugendamtes Rheinland am 14.05.2004 in der Klosterkirche in Remscheid-Lennep. Von drei namhafte Referenten wurde die Fachtagung zur Bildungsarbeit in Tageseinrichtungen mit den Schwerpunkten – Selbstbildungspotentiale von Kindern (Prof. Dr. Gerd Schäfer, Universität Köln) – Naturwissenschaftliche Bildung (Prof. Dr. Gisela Lück,) und – Bildungsvereinbarung NRW (Dr. Rainer Strätz, SPI Köln) gestaltet. Abgerundet wurde das Geschehen durch die Möglichkeit gestaltete Räume für Bildungsprozesse von Kindern zu besichtigen, die den Teilnehmern viele Anregungen gab. Vorgestellt wurden dort kulturelle, religiöse, naturwissenschaftliche und kunstpädagogische Projekte von Remscheider Tageseinrichtungen. Fortbildungsreihe des Landesjugendamtes Rheinland 2004 Lernen wie man lernt Bildung und Bildungsprozesse von allen Kindern in Tageseinrichtungen steht im Mittelpunkt dieser Reihe. Kinder werden mit den optimalen Fähigkeiten in diese Welt hineingeboren. Das Gehirn entwickelt – bei entsprechender Anregung – in der ersten Phase in kürzester Zeit so viele Verbindungen und Verarbeitungsstrukturen, dass in den späteren Jahren die Nutzung dieser Wege im Mittelpunkt stehen kann. Dabei ist wichtig, dass Kinder grundsätzlich selbstbestimmt Lernen und niemand anderer das Ziel und den Erfolg einer „Lernsituation“ be- 10 stimmen kann – außer das Kind selbst. Der Erwachsene trägt die Verantwortung für die Gestaltung der Umgebung, die Struktur der Rahmenbedingungen und das Angebot als Partner dem lernenden Kind zur Verfügung zu stehen und alle Sicherheiten zu geben, die es braucht, um mit den Anforderungen zurecht zu kommen. Die Auftaktveranstaltung hat in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit dem Didacta Verband im Rahmen der Bil- dungsmesse in Köln mit 500 Teilnehmer/Innen stattgefunden. Prof. Dr. Rainer Dollase betrachtete die Bildung im Kindergarten unter der Fragestellung „Haben wir aus Erfahrung gelernt?“. Prof. Dr. Gerd E. Schäfer stellte mit Hilfe von 8 Thesen dar, wie Kinder von Geburt an lernen und wie diese Prozesse aufeinander aufbauen. Dr. Rainer Strätz betrachtete Bildung aus dem Blickwinkel des selbst bestimmenden Kindes. Er verdeutlichte, dass 3/04 Tageseinrichtungen für Kinder – Alles Bildung oder was? die Erwachsenen lernen müssen, wie Kinder sich selbst bilden und sie die Verantwortung tragen, die erforderlichen Bedingungen sicher zu stellen. Die differenzierte Darstellung des grundlegenden Verständnisses von Selbstbildung von Kindern bereitete die Grundlage für die weiteren zu dieser Reihe gehörenden Veranstaltungen. In Begleitung von Petra Völkel (INFANS in Berlin) und Giesela Dittrich (Deutsches Jugendinstitut in München) wurde der Blickwinkel auf die individuellen Lernwege in der Kindergruppe gelegt. Die Gestaltung der Lernumgebung von Kindern muss ihrer Neugier und Interessen Raum geben. Sie gestalten in der Gruppe mit anderen Kindern gemeinsam die Lernsituation und bereichern sich als Konstrukteure gegenseitig. Voraussetzung für einen offenen Lernprozess ist sowohl für Kinder als auch für Erwachsene eine sichere Ausgangsbasis. Angst blockiert und lässt keinen Freiraum für Lernprozesse. Anne Heck aus Berlin hat in deutlicher Weise dargestellt, wie sich eine positive Bindung zwischen den Mitarbeiterinnen und den Kindern auf deren Leben in der Einrichtung auswirkt und wie Lernprozesse dadurch nachhaltig beeinflusst werden. Gerda Wunschel stellte die Entwicklung und Veränderungen in der Praxis ihrer Berliner Einrichtung dar, seit sie die Erkenntnisse zur Bindung konsequent berücksichtigen. In der zweiten Jahreshälfte folgen diese Veranstaltungen: – Zusammenhang von Bildung und Temperament mit Prof. Dr. Rainer Dollase – Lernprozesse bei Kindern mit Besonderheiten mit Dr. Gabriele HaugSchnabel – Sprachentwicklung und Begleitung dieser Entwicklung mit Sandra Niebuhr und Dr. Anja Leist-Villes Eine gesonderte Ausschreibung für diese Termine ist allen Einrichtungen zugegangen. Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an: Petra Schweitzer 0221/809-6289 [email protected] Elke Pfeiffer 0221/809-6759 [email protected] Selbstbildungsprozesse stehen im Mittelpunkt Bildung als Armutsprävention Preis für Mo.Ki in Monheim Das vom Landesjugendamt geförderte Modellprojekt „Mo.Ki Monheim für Kinder“ erhält den ersten Deutschen Präventionspreis Beim Deutschen Präventionspreis, der zum ersten Mal ausgeschrieben wurde, belegte Mo.Ki vor mehr als 400 Mitbewerbern aus der ganzen Bundesrepublik den mit 11.000 Euro dotierten ersten Platz. „Wir freuen uns besonders, dass eines unserer Modellprojekte auch bundesweite Anerkennung bekommt“, sagt Dr. Jürgen Rolle, der Vorsitzende des Landesjugendhilfeausschusses in der Landschaftsversammlung Rheinland. 3/04 Das Projekt, das vom Jugendamt der Stadt Monheim am Rhein und der Arbeiterwohlfahrt, Bezirk Niederrhein entwickelt wurde, hat der Landschaftsverband Rheinland (LVR) in den Jahren 2002 bis 2004 mit insgesamt 75.000 Euro unterstützt. Der JugendhilfeReport berichtete in seiner Ausgabe 1/2004 ausführlich über das Projekt. In Monheim konzentriert sich die Arbeit auf das Berliner Viertel, einen Stadtteil mit besonders hohem Erneuerungsbedarf. Ziel ist eine Präventionskette von der Geburt eines Kindes bis zur Berufsausbildung, um die negati- ven Folgen von Armut auf Kinder frühzeitig zu vermeiden. Die Kindertagesstätten dienen dabei als Knotenpunkt, an denen verschiedene Beratungs- und Unterstützungsangebote stattfinden. Mo.Ki umfasst Hilfen wie Sprachförderung, Bewegungsförderung sowie Gesundheits- und Ernährungstraining für Kinder, aber auch Elternberatungen und Sprachförderung für Erwachsene. Zum Beispiel gibt es einen so genannten Gänseliesellauf für Kinder und Erwachsene, ein internationales Kochbuch und ein Puppentheaterstück, das sich spielerisch mit gesunder Ernährung befasst. Erzieherinnen können 11 Tageseinrichtungen für Kinder – Alles Bildung oder was? spezielle Fortbildungen besuchen, um den Umgang mit Entwicklungsstörungen und -verzögerungen zu lernen. Dieses vielfältige Angebot habe Nachahmungscharakter, sagte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt bei der Verleihung des Präventionspreises in Berlin. Er wurde vom Bundesgesundheitsministerium, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und der Bertelsmann Stiftung ausgeschrieben und prämiert vorbildliche Projekte der Vorbeugung und Gesundheitsförderung. Weitere Infos: Mo.Ki Monheim für Kinder, Grünauerstr. 10, 40789 Monheim am Rhein, Tel.: 021 73 / 68 75 14 ; Projektkoordinatorin Inge Nowak und unter www.monheim.de/stadtprofil/ kinder/moki Nina Klein, Pressestelle LVR Gesundheitsministerin Ulla Schmidt im Kreis der Preisträger Früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will „Spielerische Bodendenkmalpflege“ im Vorschulalter von Petra Tutlies „Wissen Sie, Archäologie interessiert mich sehr. Ich habe schon als Schüler in der Steinzeit-AG unserer Schule mitgemacht!“ Mit diesen Worten leitete ein junger Landwirt aus Nörvenich seine Fundmeldung an die Außenstelle ein. Und in der Tat: Die Begeisterung, mit der so manches Kind die heimische Vergangenheit erfährt, kennt jeder hauptamtliche Archäologe aus eigener Erfahrung bestens. Es sind die eigenen, frühen Erlebnisse mit der Archäologie, die Kinder beeindrucken – Spannende Spurensuche 12 in einigen Fällen hält die Begeisterung ein Leben lang. Diese Begeisterung aufzugreifen und bereits die Kleinsten für den Belang der heimischen Bodendenkmalpflege sensibel zu machen, ist Anliegen der regionalen Bodendenkmalpflege. In Zusammenarbeit mit den kommunalen Kindergärten wird derzeit ein Programm erprobt, das für Kinder im Vorschulalter (5-6 Jahre) erste Eindrücke aus der Arbeit der Bodendenkmalpfleger und -pflegerinnen vermitteln soll. Das aus der Erfahrungswelt der Kinder stammende Thema lautet: Was passiert eigentlich mit einem Haus, wenn es nicht mehr bewohnt wird? Mit Hilfe dieses Beispieles bereiten die Erzieher und Erzieherinnen den Besuch in der Außenstelle vor, wobei ihnen ein Informationsblatt zur Verfügung steht. Beim anschließenden Besuch der Kinder wird das Thema aufgegriffen und die Arbeit der Archäologen in kindgerechter Form erzählt. Daran schließt sich eine „Mustergrabung im Sandkasten“ an. Mit großem Eifer bearbeiten die Kleinen ihre „Grabungsfläche“. Großer Wert wird dabei auf die Do- Geimeinsame Deutung der Funde kumentation der gefundenen Stücke gelegt: Es wird genau notiert, wo welcher Fund geborgen wurde. Zum Abschluss wird in der Fundbearbeitung der Außenstelle gezeigt, welche Funde von den Archäologen aktuell bearbeitet werden. Mit Malvorlagen ausgestattet, bereiten die Kinder später im Kindergarten den Ausflug in die Bodendenkmalpflege nach. Es ist eine Freude zu sehen, mit welcher Begeisterung die Kinder nicht nur im Sandkasten „buddeln“, sondern ernsthaft die Notwendigkeit der Dokumentation begreifen und anschlie- 3/04 Tageseinrichtungen für Kinder – Alles Bildung oder was? ßend umsetzen. Es ist ohne Zweifel eine Investition in die Zukunft, schon die Kleinsten im Rahmen spielerischer Tätigkeit zur Aufmerksamkeit und Fürsorge für die heimischen Bodenfunde anzuleiten. Sie können es sein, die als Erwachsene verantwortlich mit der heimischen Kulturlandschaft umgehen und der hauptamtlichen Bodendenkmalpflege vielleicht einmal Funde mit den Worten melden werden „Wissen Sie, ich habe schon als Kindergartenkind eine Ausgrabung gemacht!“ Petra Tutlies, Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege, Außenstelle Nideggen, [email protected] Deutsch für Kindergartenkinder Rechtzeitig vor Beginn des Kindergartenjahres 2004/ 2005 hat das Landesjugendamt des LVR insgesamt 1.045 Projekte zur Sprachförderung bewilligt. Das entspricht einer Fördersumme von mehr als 2,1 Millionen Euro. Zielgruppe der bewilligten Projekte sind Kinder mit erheblichen Sprachdefiziten, insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund. Denn viele Kinder können, auch wenn sie in Deutschland aufgewachsen sind, bei der Einschulung nicht richtig deutsch. Die überwiegende Anzahl der Förderprojekte findet in Kindertageseinrichtungen statt. Ergänzend dazu können Kinder auch schon vor der Einschulung an Grundschulen gefördert werden. Mit den bewilligten Landesmitteln werden die durch die Sprachförderung entstehenden zusätzlichen Personalkosten bezuschusst. Die Nachfrage der Träger von Kindertageseinrichtungen nach Fördergeldern ist groß. In diesem Jahr konn- te das Landesjugendamt wegen begrenzter Landesmittel nur zwei Drittel der rund 1500 im Rheinland beantragten Projekte finanzieren. Die Jugendämter entscheiden selbstständig vor Ort darüber, an welche Kindertageseinrichtungen die Zuschüsse weiterbewilligt werden. Pressestelle LVR Fortbildungsprogramm des Landesjugendamtes Rheinland – Die aktuellen Veranstaltungen 2004 … November 02.-03.11. Jahrestagung der Erziehungsstellenberater/innen 03.11. Lernprozesse bei Kindern mit Besonderheiten – besondere Kinder 03.-05.11. Jahrestagung der leitenden Fachkräfte in der kommunalen Kinder- und Jugendarbeit 08.-09.11. INSPE-Jahrestagung 09.11. Erfahrungsaustausch zu aktuellen Fragen der chwangerschaftskonfliktberatungsstellen 10.11. Erziehungshilfe: Landesjugendamt aktuell Tagung von Leiter/innen von Einrichtungen der Erziehungshilfe im Rheinland 15.-17.11. Projektmanagment in der Jugendhilfeplanung 16.11. Neue Medien in Bildungsprozessen von Kindern und ihre Einsatzmöglichkeiten im Kontext selbstgesteuerten Lernens 16.11. Informationsveranstaltung zum Aufbau und zur Begleitung von integrativen Gruppen in Kindertagesstätten 3/04 18.-19.11. Von der Arbeit mit Jungen zur Jugendarbeit. Ein praxisbegleitendes Qualifizierungsangebot für männliche Fachkräfte 20.-21.11. Jahrestagung der Erziehungsstelleneltern 23.11. Fallbesprechung internationaler Adoptionen 22.-24.11. Qualitätsmanagment in Jugendsozialund Jugendarbeit 25.-26.11. Sport- und Freizeitpädagogik in der Erziehungshilfe 29.11.01.12. Fortbildung zum § 32 SGB VIII Dezember 09.12. Praxis der Jungenarbeit 5 13.-17.12. Sozialpädagogische Handlungsformen/ Konzepte in rheinischen Jugendwohnheimen 15.-17.12. Case Management im ASD Informationen zur Anmeldung bei Gabriele Weier und Michael Christians unter 0221 / 809-6142, www.lvr.de im Bereich Jugend 13
* Your assessment is very important for improving the work of artificial intelligence, which forms the content of this project
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